Das dritte Rad am Wagen

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 "Das ist jetzt echt nicht wahr, oder?", warf ich in die Stille hinein, als Maria und ich uns in ihren Mini gesetzt und die Türen hinter uns zugezogen haben. Ich bekam einen fragenden Blick von meiner Freundin zugeworfen als sie den Motor ihres Wagens startete. "Stimmt etwas nicht?", fragte sie frech und parkte elegant aus der Lücke hinaus.
"Wir gehen jetzt nicht echt mit denen aus? Ich hab doch gar nichts Gescheites zum anziehen dabei. Und guck dir mal meine Nase an, ich könnt als Nashorn durchgehen", protestierte ich und schaute dabei unentwegt zu Maria, die sich von meinem Anfall nicht beirren ließ. "Ich weiß gar nicht, warum du meckerst. Wann hat man außerdem denn mal die Chance mit den Bayern Spielern was trinken zu gehen?", "Wir hatten die Chance doch schon mal", seufzte ich und ließ mich in den Sitz sinken. Maria ging auf mein Gejammer nicht ein sondern fuhr geradewegs nach Hause. Sie wollte noch mit Tilo raus und sich frisch machen. Wir hatten uns für 19 Uhr bei einem Griechen mit den Jungs verabredet. Maria wusste wohl, wo dieser sich befand, denn wir hatten mit den Männern keine Nummern ausgetauscht und fuhren später auf gut Glück dort hin.

Nachdem wir uns daheim frisch gemacht haben und ich mir ein anderes Oberteil angelegt und mein Make - Up aufgefrischt hatte, wartete ich auf meine Freundin, die noch mit dem Hund unten war. In der Zwischenzeit betrachtete ich mich einen Moment lang im Spiegel. Ich hatte mir meinen enganliegenden, schwarzen Pullover mit V - Ausschnitt angezogen und dazu auch eine passende Kette angelegt. Meine braunen Haare lagen wie immer offen über meine Schultern. Das einzige, was mein Antlitz zerstörte, war dieses Pflaster auf meiner Nase. Aber irgendwie traute ich mich auch noch nicht, dieses abzunehmen, da meine Nase bei jeder Berührung schmerzte.
Jetzt saß ich also hier und wartete auf meine Freundin weil wir gleich etwas mit zwei Fußballern essen gehen würden. Es war mir ein Rätsel, wieso die sich überhaupt an uns erinnert hatten, geschweige denn etwas mit uns unternehmen wollten. Soweit ich wusste, hatte dieser Thomas ja eine Frau - oder Freundin. Nur der Robert schien Single zu sein, oder mitten in der Scheidung. Irgendwas hatte ich da gelesen gehabt. Aber trotzdem erklärte mir das nicht, wieso die so großes Interesse an uns hatten. Hinterfragen wollte ich es höflichkeitshalber aber auch nicht, weswegen ich diese ganzen Gedanken in meinen Hinterkopf schob und kurz auf mein Handy starrte. Es war schon halb sieben und wir mussten bald los. Ich legte mein Telefon neben mich ab und wartete auf dem Platz, bis Maria endlich zur Tür rein kam und ein aufgeregter Tilo auf mich zu stürmte aber einen halben Meter vor mir stehen blieb und doch in die entgegen gesetzte Richtung sprintete. "Tilo und ich werden wohl keine Freunde mehr", lachte ich und erhob mich vom Sofa. Ich griff nach meiner Handtasche, die auf der Kommode im Flur gestanden hatte und folgte Maria, die schon zur Tür raus war.

„Kam eigentlich in der Zwischenzeit mal was von Tom? Irgendein Lebenszeichen?", fragte ich meine Freundin, als wir gerade durch die Stadt zu dem Restaurant fuhren, wo wir die anderen Beiden treffen sollten. „Nein", seufzte die Blondine und bog links ab. „Ich weiß ehrlich gesagt auch nicht, wie ich jetzt damit umgehen soll. Sind wir jetzt offiziell getrennt oder nicht? Kann ich mich wieder als Single betiteln oder hat unsere Beziehung auf irgendeine Art und Weise noch Hoffnung?", Fragen über Fragen, die Maria über die Lippen kamen. Ich konnte sie verstehen. Sehr sogar. Als Danny damals einfach gegangen war, habe ich Wochenlang nur gewartet. Ich war der festen Überzeugung gewesen, dass wir noch immer zusammen waren. Ich wartete auf seine Anrufe, seine SMS, Nachrichten auf Facebook und starrte manchmal aus dem Fenster, in der Hoffnung er würde mit seinem kleinen, alten Auto plötzlich die Einfahrt rein fahren. Bis zum heutigen Tage war das nicht geschehen und ich hatte schon lange die Hoffnung aufgegeben, ihn je wieder zu sehen. Ich beneidete Maria um ihre offene und starke Art. Ich hätte damals im Leben nie daran gedacht, mich offiziell als Single zu betiteln. Erst, nachdem mir meine beste Freundin Tina dazwischen geredet hatte und mich zu einem Arzt geschleppt hatte, sah ich ein, dass es vorbei war. Als wäre ich damals aufgewacht.

„Ich kann dir da auch keinen richtigen Rat geben. Ab wann sagt man denn, dass man Single ist?", fragte ich eher an mich selber gerichtet doch antwortete Maria trotzdem: „Das ist eine gute Frage. Aber ich meine, man kann sich doch nicht darauf versteifen zu warten, bis der Typ sich meldet, oder?"
Ich blieb still bei der Frage und erntete einen fragenden Blick von der Blondine hinterm Steuer, und zuckte darauf mit den Schultern. „Vielleicht sollte ich morgen mal in seinem Büro vorbei schauen und wenn er da nicht ist, zu Stefan fahren. Was meinst du?", fragte Maria und befuhr einen Parkplatz. Wir schienen angekommen zu sein. „Du könntest doch auch seine Mutter fragen, oder?", stellte ich als Gegenfrage und schnallte mich langsam ab. „Stimmt. Auf die Idee bin ich noch gar nicht gekommen! Danke", lächelte Maria und zog den Schlüssel aus dem Zündschloss.
Wir blieben bei dem Thema Tom und versuchten durch sein Verhalten irgendwie zu analysieren, wieso er verschwunden war, doch es fiel uns keine plausible Erklärung ein, außer, dass er vielleicht eine andere haben könnte.

„Hey, schau mal wer da kommt", kicherte plötzlich Maria irgendwann, als wir beide Ausschau nach den Fußballern gehalten hatten. Aber anstatt, dass dort zwei kamen, bewegte sich nur der Pole auf uns zu. „Wo ist denn Thomas?", stellte ich die Frage an Maria, da Robert noch einige Meter von uns entfernt war. „Keine Ahnung, vielleicht verspätet er sich?" wunderte sie sich ebenfalls über das Fehlen. Als der Polnische Stürmer bei uns ankam, begrüsste er uns mit einem „Hallo", reichte erst Maria die Hand, inklusive zwei Küsschen auf die Wange und dann mir. „Thomas kann leider doch nicht kommen", beantwortete Robert, mit seinem starken Akzent, unsere Frage. „Warum denn das?", hakte Maria nach. „Sein Frau hat doch keine Mädschenabend gemacht", zuckte er mit den Schultern. Maria und ich warfen und fragende Blicke zu. „Und nun?", fragte ich deswegen in die Runde. Ich wollte nicht, dass Robert sich mit uns langweilte. Geschweige sich genervt vorkam mit zwei Frauen unterwegs zu sein. „Wir können ja trotzdem Essen gehen, oder? Ausser du hast jetzt keine Lust mehr?", fragte die Blondine an den Fußballer gewandt. Er zuckte jedoch mit den Schultern. „Mir egal."
„Ich find die Situation eher doof, als Dreier Gruppe unterwegs zu sein geht meistens schief", warf ich ein. Dass ich den Polen nicht dabei haben wollte, war kein Grund, wieso ich das sagte. Ich hatte aber die Erfahrung gemacht, dass eine Person in einer Gruppe aus drei Personen immer zu kurz kam. Und da Maria ja schon fast an Roberts Lippen – oder Aussehen – hing, würde sie nur mit ihm reden und ich würde mich langweilen. Ich konnte es förmlich spüren.
Robert lachte kurz auf und in diesem Moment fielen mir erst die Grübchen auf, die sich in seinem Gesicht abzeichneten. Grundsätzlich war er sehr Attraktiv und gehörte durchaus in mein Beuteschema aber ich konnte nicht deuten, wem sein Interesse galt, wenn er sich in unserer Gegenwart befand. „Ja, hast du vielleischt Recht", stimmte er mir dann, zu meiner Überraschung, zu. Maria hingegen warf mir einen genervten Blick zu. „Quatsch, das wird sicher ein guter Abend", versuchte sie ihre Meinung durch zu setzen doch Robert winkte ab. „Nein, nein. Macht euch eine schöne Abend. Nächste Mal nehme ich die andere Jungs mit."
„Aber jetzt bist du doch schon den Ganzen Weg hier her gefahren", versuchte es Maria noch mal. Robert lachte wieder und beharrte anschließend darauf, uns allein zu lassen. Ich sah, wie Maria eine Schnute zog, als sich der Pole von uns verabschiedete und dann entfernte. „Toll. Du hast alles vermasselt", meckerte meine Freundin und ich zuckte mit den Schultern. Ich sah Robert noch eine Weile nach, wie er sich zu seinem schwarzen Sportwagen begab und spürte plötzlich ein seltsames ziehen in meiner Magengegend.
Als hätte ich plötzlich eine Innere Stimme, die versuchte mir etwas zu sagen. Maria zeterte noch etwas neben mir rum aber ich hörte ihr gar nicht mehr zu. Ich starrte dem Polen weiter hinter her und bewunderte ihn. Halt. Warum bewunderte ich ihn? Eigentlich war er mir doch egal gewesen, warum fühlte ich mich dann gerade in diesem Moment zu ihm hin gezogen? Ich verfluchte meine Hormone, die vermutlich für diese chemische Reaktion in meinem Körper verantwortlich waren. „Warte mal kurz", hatte ich Maria zugeraunt, ehe ich mich in Bewegung setzte und schnurstracks Robert folgte. „Warte!", rief ich ihm auf Polnisch hinterher, als er gerade seine Autotür öffnete. Das Fragezeichen war Robert förmlich ins Gesicht geschrieben, dennoch schenke er mir ein süßes Lächeln. „Hast du was vergessen?", antwortete er mir ebenfalls in seinem melodischen polnisch. Es klang einfach so viel besser als sein gebrochenes deutsch. Vermutlich hätte er mich stundenlang so zuquatschen können.

„In gewisser Weise schon. Und frag mich bitte, bitte nicht, wieso ich das jetzt frage, aber wollen wir vielleicht in Kontakt bleiben?" So, nun waren sie raus. Die Worte, die sich in den letzten zwei Minuten in mein Gehirn gebrannt hatten. Es war wie eine Kurzschluss Reaktion und mein Gefühl sagte mir, dass ich ihn sonst ein weiteres Mal nicht mehr getroffen hätte.
Hätte ich Tina erzählt, dass ich hier einen Typen fragte ob er mit mir in Kontakt bleibt, hätte sie mich gefragt ob ich eine Wette verloren habe oder ob ich sie verarschen würde. Robert sah mich einen Moment lang, verwundert an und ich begann mich zu fragen, ob ich mich nicht zum grössten Affen Deutschlands gemacht hatte. So gesehen, war der Gedanke gar nicht so verwerflich... Ich hatte einen Fußballstar gefragt ob er mit mir in Kontakt bleiben wollte. Mit mir, einer langweiligen Angestellten, die nur durchschnittlich aussah und völlig unauffällig war. ‚Sag schon was, sag schon was', wiederholte ich in meinen Gedanken und wollte schon andeuten, wieder zu gehen, da holte Robert sein Handy raus und hielt es mir lächelnd hin. „Willst du mir deine Nummer geben?", fragte er und ein lächeln schlich sich auf meine Lippen. Na, wer hätte damit gerechnet?

Ich wollte gerade auch mein Smartphone heraus holen als mir plötzlich bewusst wurde, dass ich es bei Maria daheim vergessen hatte. „Oh, ich kann dir meine Nummer nicht geben und hab auch nichts um deine zu notieren... Mein Handy liegt daheim", erklärte ich niedergeschlagen und Robert lachte. „Warte, ich hab eine andere Idee", dann beugte er sich in seinen Sportwagen und holte einen dicken, schwarzen Stift heraus. „Gib mal her", dann griff er meinen Arm, schob meinen Ärmel hoch und begann, Ziffern zu notieren. Eine wohlige Gänsehaut breitete sich überall auf meiner Haut aus und ich beobachtete jede Bewegung, die er mit dem Stift tat. „So", setzte er dann an, als er fertig war und ich blickte auf die vielen Ziffern auf meinem Unterarm. „Warte mal... Was für einen Stift hast du genommen?", fragte ich völlig panisch. Die Farbe roch stark nach Alkohol und ich ahnte schon das schlimmste. „Den da", er hielt mir einen schwarzen Edding vor die Nase und ich klatschte mir, aus Reflex, meine Hand gegen die Stirn. „Robert, dass ist ein Edding! Die sind wasserfest!", stellte ich klar und erntete einen verwirrten Blick von meinem Gegenüber. „Das lässt sich schwer abwaschen", erklärte ich und rubbelte demonstrativ auf der Null herum. „Na dann vergisst du die Nummer nicht so schnell", zwinkerte er mir zu und verstaute seinen Stift wieder. Ich seufzte etwas schwerfällig aber freute mich natürlich auch über den Ausgang der Situation.
„Dann werde ich mich bei dir melden", grinste ich Robert an und ich strich meinen Ärmel wieder runter. „Ich freu mich", antwortete er und grinste mich an. „Ich werde dann mal zu Maria gehen. Sie wartet bestimmt schon ganz ungeduldig", meinte ich und verabschiedete mich nur grinsend von dem Stürmer. Ich weigerte mich mit Absicht, ihn noch mal zu berühren und lief schnurstracks zurück zu meiner Freundin, die immer noch an derselben Stelle stand, wo ich sie zurück gelassen hatte. „So, wir können", sagte ich wieder auf Deutsch und grinste sie an, erntete aber einen verwirrten Blick von ihr, als sie von ihrem Telefon aufblickte. „Was hast du gemacht?", fragte sie mich auch sogleich, doch ich zuckte nur mit den Schultern. „Geheim!"  

Zakazana miłość  -  Verbotene LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt