Nationalgetränk

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Was sich dort vor meinem Blickfeld abspielte, wirkte auf eine seltsame Art und Weise unwirklich. Ich blickte wieder zu Maria, die immer noch gespannt in die Richtung der Bar schaute. Ich nahm all meinen Mut zusammen und schaut mir nochmal über die Schulter. Ich schien mir das wirklich nicht einzubilden. Tatsächlich standen dort 4 Spieler des FC Bayern Teams und zogen sich gerade ihre Jacken aus. Sie unterhielten sich dabei und lachten zwischendurch. Vermutlich waren sie hier, um ihren Haushohen Sieg zu feiern.
Ich drehte mich wieder zu meiner Schulfreundin um und schluckte den nicht vorhandenen Klos weg. Ich spürte, wie mir heiß und gleichzeitig kalt wurde und mein Magen sich seltsam zusammen zog. "Was für ein Zufall", grinste Maria und warf mir einen, mir undefinierbaren Blick, zu.
"Huch, Wiola, ist alles okay? Du bist ja ganz blass", fügte sie plötzlich an und aus ihrer selbstsicheren Miene wurde Besorgnis. "Ich fühl mich gar nicht gut", murmelte ich und hielt mir mit einem Arm den Bauch.
Das war so ein typisches Problem was ich hatte. Sobald ich nervös wurde, lag es an einer Präsentation auf der Arbeit, oder eine Prüfung, oder noch sonst was, wurde mir augenblicklich schlecht. Wieso Nervosität mir so sehr auf den Magen schlug, wusste ich nicht. Doch ich hatte es schon immer.
"Ich glaub ich muss kurz aufs WC", sagte ich, ehe ich mich von unserem Tisch erhob und nach dem Toilettenzeichen suchte. Wie sollte es auch anders kommen, war die Toilette genau auf der anderen Seite der Kneipe, was so viel bedeutete wie 'Jetzt muss ich da doch an den Jungs vorbei'. "Soll ich mitkommen?", hörte ich hinter mir und winkte ab. "Ich schaff das schon", waren meine letzten Worte, ehe ich schnellen Schrittes zur Toilette ging. Dummerweise standen die Fußballer immer noch halb im Weg rum und ich quetschte mich an ihnen vorbei, murmelte dabei ein leises 'Pardon' und versuchte alles, um niemanden in die Augen zu schauen. Natürlich kam ich nicht drum herum die Luft einzuatmen, als ich an den Sportlern vorbei ging. Frisch aufgetragenes Aftershave und Parfum stieg mir in die Nase und ich genoss den kleinen Moment der guten Düfte, vergaß dabei aber nicht, weiter zu gehen.
Von den Düften benebelt, kam ich im Bad an und schloss mich direkt in einer der Toiletten Kabinen ein.
Es vergingen ein paar Minuten, in denen nichts passierte, als ich über der Schüssel hing, weswegen ich mich langsam wieder aufrichtete. Mein Magen gab einige unschöne Laute von sich, ehe er sich langsam wieder beruhigte. Ich war froh, mich nicht übergeben zu müssen und verließ die Kabine. Über dem Waschbecken spritzte ich mir etwas kaltes Wasser ins Gesicht und schaute mich noch einmal an. Ich war zwar immer noch blass, aber fühlte mich nach den paar Minuten der Ruhe nicht mehr so schlecht.
Ich atmete tief ein, ehe ich den Mut fasste und wieder zurück in die Kneipe ging. Schnell und stehts darauf bedacht, den Jungs vom Fußballclub nicht aufzufallen, schob ich mich durch die Massen. Da es Samstagabend war, spürte man wie sich die Gaststätte so langsam füllte.
Als ich mich gerade an jemandem vorbei schob, mich dabei entschuldigte und hochschaute, entdeckte ich wieder diese blauen Augen vom Nachmittag. 'Oh Nein', seufzte ich innerlich. 'Tu einfach so, als würdest du ihn nicht wieder erkennen', sagte ich mir innerlich und ging schnurstracks an Bayerns Topstürmer vorbei.
Durchaus hatte ich seinen Blick bemerkt, denn er schien definitiv noch zu wissen wer ich war. Ich ließ jedoch nicht zu, dass er was sagen konnte, da ich mich direkt durch zwei Männer schob und endlich bei meiner Freundin ankam.
Seufzend schob ich mich auf die Sitzbank und nahm direkt einen großen Schluck des Bieres.
"Geht's dir wieder besser?", ertönte es mir gegenüber und ich nickte während des trinkens. Maria lachte und nahm ebenfalls einen Schluck, aber im Gegensatz zu mir, nippte sie nur an dem Bier, während ich das Glas fast im Nacken hielt. "Mach mal langsam", kicherte sie nervös und ich stellte den Krug mit dem Bier wieder ab. Innerlich sendete ich Stoßgebete gen Himmel, dass die Spieler nicht zu uns kamen. Jetzt, wo dieser Pole mich gesehen hatte, schlich sich ein ungutes Gefühl durch meinen Körper. Weil ich immer noch nichts gesagt hatte, zog Maria eine Augenbraue in die Höhe.
"So, magst du mir jetzt sagen was los war?", "Bin ins Bad, hab mich nicht übergeben, kam zurück und hab mich an dem einen Bayernspieler von heute Nachmittag entlang gedrückt weil es so voll geworden ist, und dann hat der mich angeguckt und ich glaube er hat mich erkannt. Keine Ahnung. Ich hoffe der kommt nicht her", ratterte ich runter und stopfte mir wieder etwas vom Essen in den Mund, jetzt wo es meinem Magen wieder besser ging, erlaubte ich es mir. "Und was wäre so schlimm, wenn er denn herkommen würde?", fragte Maria und ich warf ihr einen bösen Blick zu. "Was soll ich mit einem Fußballer an meiner Backe? Ich kann mit Typen, die ein Ego wie ein Berg haben, nichts anfangen", erklärte ich weiter und machte eine abwertende Bewegung mit meiner Hand. Meine blonde Freundin schmunzelte jedoch. "Und ein One Night Stand wäre auch nicht drin?", fragte sie anzüglich und schalk blitzte in ihren Augen auf. "Auf keinen Fall. Sowas mache ich nicht, dass weißt du sehr genau!", protestierte ich und trank erneut von meinem Bier. Maria grinste immer noch und ich erinnerte mich noch an ihre Sexeskapaden in unserer Jugend. Im Gegensatz zu mir, war sie früher immer bei Männern beliebt gewesen und hatte sicher schon mehr Kerle gehabt, als man an einer Hand abzählen konnte. Irgendwie war es schön zu sehen, wie ihr Freund sie im Griff hatte. Wenn ich so an früher zurück dachte, wunderte ich mich nicht, wieso ich nie einen Freund abbekommen hatte.
Zwar hatte ich hier und da schon einen gehabt, aber nie hat es funktioniert. Entweder es passte mir nicht, oder denen. Es waren auch schon zwei Jahre seit meiner letzten Beziehung vergangen, doch ich spürte den Entzug und das fehlen einer Person schon lange nicht mehr.

"Du bist langweilig", grinste Maria wieder. "Wenn ich du wäre, würde ich die Chance nutzen. Vor Allem wenn ich wüsste, dass ich die ganze Zeit von Lewandowski beobachtet werde", schnurrte sie und stützte erneut ihr Kinn auf ihrer Hand ab. Augen verdrehend blickte ich aus dem Fenster. "Dann schnapp ihn dir, ich habe wirklich kein Intere-", "Hey, ist dass nicht der Miesepeter von heute Nachmittag?", hörte ich plötzlich neben mir und erschrocken stellte ich fest, dass die vier Jungs doch den Weg zu unserem Tisch gefunden hatten. Auf Marias Gesicht hatte sich plötzlich ein zufriedener Ausdruck gelegt und ihre Augen leuchteten förmlich, als sie die gut gebauten Sportler neben unserem Tisch sah. Meine Hand fand ihren Weg direkt zu meinem Gesicht und es klatschte leise, als ich mir einen Facepalm verpasste. "Sie ist immer noch miesepetrig", sagte nun ein anderer der Jungs. "Wollt ihr euch zu uns setzen?", fragte mein Gegenüber plötzlich und ich starrte mit weiten Augen und zusammen gekniffenen Lippen zu Maria. 'Das meint sie doch jetzt nicht ernst?'
Die Jungs nahmen das Angebot an und schoben sich mit auf die zwei Holzbänke. Da diese nicht sonderlich lang waren und wir hier nun zu sechst sassen, fühlte ich mich extrem bedrängt.
Neben Maria sass Robert und weiter rechts David Alaba, während auf meiner Seite direkt neben mir Mario Götze und Thomas Müller Platz nahmen. Seufzend leerte ich mein Glas und sagte nichts, während der Rest in ein Gespräch mit Maria verwickelt wurde.
Hauptsächlich unterhielten sich die fünf über Fußball. Maria erzählte von Tom, dass er oft über die Jungs auf seiner Arbeit schrieb und auch im Fanclub tätig war. Ebenfalls erwähnte sie irgendwas über die Saison und schwärmte von Robert, weil er ein so guter Törjäger war. Ich war mir nicht sicher, ob die Jungs wirklich darüber reden wollten, aber sie machten alle mit. Da ich mit den Themen nichts anfangen konnte, blickte ich einfach aus dem Fenster und beobachtete die Menschen, die sich durch die Altstadt bewegten.

Die Sonne war inzwischen unter gegangen und Laternen erleuchteten München. Ein Blick auf mein Smartphone verriet mir, dass wir schon 21 Uhr hatten. "Musst du los?", ertönte es neben mir und ich sah, dass Mario einen Blick auf mein Telefon geworfen hatte. Schnell verstaute ich das Gerät in meiner Tasche. "Ne ne, wollte nur wissen, wie spät es ist", erklärte ich abwinkend. "Wenn wir dich langweilen, können wir auch über was anderes reden", meinte der junge Fußballer. Wenn ich mich Recht erinnerte, hatte er an der WM dieses Jahr ein super Spiel hingelegt und wurde ziemlich lange auch für seine Spielart gefeiert. "Quatsch, ich will euch euren Spaß doch nicht verderben", lachte ich jedoch und lächelte. Vielleicht waren die vier ja doch gar nicht so schlimm. "Wie fandest du denn das Spiel eigentlich?", fragte mich Götze nun und ich dachte an das Match vom Nachmittag zurück. "Naja, ihr habt ja Hannover ganz schön den Hintern versohlt. Die können von mir aus auch hingehen, wo der Pfeffer wächst", antwortete ich und erntete 4 breit grinsende Gesichter mit strahlenden Zähnen. "Ihr müsst wissen, Wiola ist den gaaaanzen weiten Weg aus Niedersachsen her gekommen, um euch zu sehen", warf plötzlich Maria ein und ich schaute sie verwundert an. 'Was wird das?', schoss es mir durch den Kopf, als plötzlich Thomas meinte: "Bist du also doch Fan, was?"
"Nein nein! Mein Stiefvater wollte euch sehen. ER hat ja die Tickets gewonnen. Ich musste zwangsweise mit", betonte ich jedes einzelne Wort. Ich wollte hier nicht als irgendein Fan abgestempelt werden, wäre ja zu schön. "Wie schade", hörte ich es von David, der schief grinste. Ich schüttelte einfach nur den Kopf und wollte wieder etwas trinken, da fiel mir ein, dass mein Glas ja schon leer war. Thomas schien meinen Unmut darüber zu bemerkten und stand plötzlich auf. "Wer will noch was trinken?", fragte er in die Runde, schaute dabei erst zu mir. Ich nickte ihm zu, dass ich nochmal ein Bier nehmen würde.
Letztenendes bekam jeder ein neues Glas und einen Shot mit Wodka vor die Nase gestellt, als der Fußballer wieder zurück kam. Mit erhobenen Augenbrauen schaute ich ihn verdutzt an. Auch Maria schaute zwischen mir und den Fußballern hin und her. "Für den Sieg", waren seine einzigen Worte gewesen, ehe er das kleine Glas erhob. Seine Kollegen taten es ihm gleich und um nicht als einzige zu kneifen, erhob auch ich mein Glas.
Wir prosteten uns alle zu und ich kippte den hochprozentigen Alkohol in meinen Rachen.
Prompt wurde mir warm, als das Getränk sich seinen Weg in mein Blut machte. Ich musste schmunzeln, als ich sah, wie Maria das Gesicht verzog. "Urgh, ich verstehe immer noch nicht, wieso man sowas trinkt", keuchte sie.
"In Polen ist das Nationalgetränk", warf Robert stolz ein und irgendwie musste ich plötzlich lachen. Natürlich bemerkte jeder meinen plötzlichen Stimmungswandel und ich schob es einfach aufs Bier. "Siehst du, Miesepeter hat das Gesicht nicht komisch gemacht", deutete der Pole auf mich. "Also bitte. Ich bin eine waschechte Polin! Selbstverständlich Vertrag ich das Zeug einfacher", posaunte ich herum und bekam plötzlich einen zweiten Shot vor die Nase gestellt. "Was auch immer das Zeug mit ihr macht, gebt ihr mehr davon", lachte David und die anderen stimmten mit ein.
Drei Runden später hatte ich rote Wangen und ein breites Grinsen im Gesicht. Während Maria die ganze Zeit mit Robert und David über irgendwas diskutierte, war ich mit Mario in ein Gespräch über Polen vertieft.
"Ich habs mir dort immer total arm vorgestellt", spekulierte der Sportler und ich schnitt ihm das Wort ab: "Ja, dass denken sooo viele, aber ehrlich, seit der letzten EM hat sich so vieles getan! Ich erschrecke jedes Mal aufs neue, wenn ich meine Familie besuche. Überall neue Häuser und Autos und Strassen und", "Hol mal Luft", kicherte Mario. "Hatte die Europameisterschaft also was gutes, ja?", schloss sich nun auch Thomas mit ins Gespräch ein. "Klar, hier und da liefs nicht so pralle, aber ich finde, es hat die Wirtschaft super angekurbelt" erklärte ich. "Schade, dass Polen es verkackt hat in der Gruppenphase", warf ich noch hinterher. Ich erntete großes Gelächter der Jungs und bemerkte, wie Robert über meine Aussage schmollte. "Hast du damals überhaupt schon bei der Polnischen Nationalmannschaft mitgespielt?", fragte ich verwundert und konnte mich an sein Gesicht partout nicht erinnern. "Ich hab sogar ein Tor geschossen", schmollte der Pole und ich hielt mir theatralisch die Hand vor den Mund. "Oh Gott wie peinlich!", dann lachte ich ausgiebig und fügte hinzu: "Aber jetzt wo ich so drüber nachdenke, Artur war damals auch nicht dabei, oder?", "Wie 'auch'? Ich war da!", versuchte Robert verzweifelt klar zu machen. Ich streckte ihm die Zunge raus. "Ist zu lange her."
Die anderen am Tisch lachten über diese Konversation und ich hatte nicht bemerkt, wie die Zeit vergangen war. Als ich das nächste Mal auf mein Smartphone schaute, war es schon halb elf.
"Leute", unterbrach ich das rege treiben an unserem Tisch. Es verstummte langsam und ich sah die vielen Augenpaare auf mich gerichtet. "Ich sollte gehen. Kristoph wartet bestimmt schon", erklärte ich. "Klar, sollen wir dich noch nach draußen begleiten?", fragte Thomas doch ich winkte sofort ab. "Nein ich finde den Weg schon. Hab ein super Navi im Kopf", grinste ich und stupste mir meinen Finger gegen die Schläfe.
Nach und nach verabschiedete ich mich von allen, wartete aber bis zum Schluss auf Maria. Die schien noch hier bleiben zu wollen. "Bevor du gehst, gib mir doch deine Nummer. Wäre doch eine Schande wenn wir uns wieder aus den Augen verlieren", meinte meine Kindheitsfreundin. Ich schenkte ihr ein breites grinsen und griff nach ihrem Telefon, welches sie mir entgegen hielt. "Das lass ich mir nicht zwei Mal sagen", antwortete ich, während meine Finger über das Display des Telefones huschten. Mit meinem Spitznamen speicherte ich meine Nummer ab und legte das iPhone wieder in Marias Hände. "Viel Spaß euch noch", meinte ich zum Abschluss, ehe ich meiner blonden Freundin nochmal eine Umarmung gab.

Ohne noch einmal zurück zu blicken, verließ ich die Kneipe und trottete zur Tramstation, die sich ganz in der Nähe befand. Während ich still auf die Bahn wartete, ließ ich in Gedanken den Tag und auch den Abend Revue passieren.
So schlimm waren die Jungs doch nicht gewesen und irgendwie gab es mir ein tolles Gefühl mit ihnen den Abend verbracht zu haben. 'Jetzt kann ich auch mal angeben' schoss es mir durch den Kopf und ich stieg in die ankommen Bahn ein.

Diese Nacht würde ich so schnell nicht vergessen.   

Zakazana miłość  -  Verbotene LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt