Erinnerungen

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Während der ganzen Fahrt zum Hotel, hatte ich nur eine Sache im Kopf: Robert.
Das mochte kitschig klingen und ich verfluchte mich selbst über diese Schwärmerei, aber der Sportler hatte es mir mit seinem Charme und seiner Art angetan. Ich würde lügen, wenn ich sagte, dass mir seine Aufmerksamkeit beim Meet und Greet nicht gefallen hätte. Und im Nachhinein war ich schon ein wenig gekränkt, dass er neben Maria gesessen hatte, da die zwei sich permanent unterhalten hatten.
Auf der einen Seite war ich natürlich selber schuld. Ich hatte so vehement dagegen angekämpft, mich nicht an den Gesprächen zu beteiligen; aber das hatte auch seine Gründe. Und gerade hier und jetzt geschah dieser Grund. Ich bekam den Polen nicht aus meinem Kopf.
Ich fühlte mich wie benebelt und dachte an nichts anderes. Irgendwie schon blind und das machte mir jedes Mal Angst. Immer, wenn ich mich zu einem Menschen hingezogen fühlte, vermasselte ich es irgendwie. Umgekehrt liess ich dafür niemanden so richtig an mich ran. Es war eine total verzwickte Situation und ich nervte mich selber über meine eigene Dummheit.
In Gedanken versunken blickte ich aus der Straßenbahn und sah, wie die hell erleuchteten Häuser an mir vorbeizogen. Hier und da konnte man Menschengruppen sehen, die sich auf den Weg zu ihren nächtlichen Abenteuern machten. Insgeheim wäre ich noch viel länger bei Maria und den anderen geblieben, aber ich konnte meinen Stiefvater auch nicht alleine lassen. Das ließ mein Gewissen nicht ganz zu.

Es war spät, als ich das Westin Grand endlich erreicht hatte. Schnellen Schrittes begab ich mich zum Lift, fuhr in den vierten Stock und stieg aus.
Unser Zimmer befand sich am Ende des rechten Ganges. Stumm und irgendwie traurig, lief ich zu der dunklen Holztür, auf dessen Nummer die 424 abgebildet war. Ungeduldig kramte ich meine Schlüsselkarte heraus und zog sie durch den Schlitz, bis ein grünes Lämpchen aufleuchtete. Leise, stets darauf bedacht kein lautes Geräusch zu machen, betrat ich das Zimmer. "Bin noch wach!", hörte ich es aus dem Raum rufen und stieß die Tür komplett auf.
"Na, haste einen schönen Abend gehabt?", kam es von Kristoph, als er von seinem Telefon aufblickte. Er lag in Jogginghosen und T-Shirt im Bett und schrieb vermutlich noch mit Mama per Whatsapp. Ein 'Hmm' entwich meinen Lippen und ich schloss die schwere Zimmertür hinter mir.
Achtlos warf ich meine Tasche auf den Stuhl neben der Kommode und schnappte mir aus meinem Rucksack meine Schlafsachen. Kristoph bemerkte, dass mich etwas bedrückte und erhob sich ein Stück von seinem Bett. "Ist alles okay? Ist etwas passiert?", stellte er auch sogleich seine Fragen und ich winkte ab. "Keine Sorge. Ist alles gut", antwortete ich ruhig und verschwand im Bad.
Ich war zu müde um jetzt noch groß vom Abend zu erzählen.

Als das heiße Wasser auf mich niederprasselte, spürte ich sofortige Entspannung in meinem gesamten Körper. Auch mein Kopf fühlte sich schon viel freier an und der Alkohol verlor auch allmählich seine Wirkung.
Ich wusch meine Haare und anschliessend mein Gesicht. Nach und nach folgte der Rest und am Ende stand ich vor dem Spiegel, mit einem Handtuch umwickelt und putzte mir die Zähne.
Die nächtliche Routine lenkte mich ab und ich vergass tatsächlich für einen Moment an dem Abend zu hängen.
Umgezogen und mit getrockneten Haaren begab ich mich zurück ins Zimmer und schmiss mich auf das überaus weiche Bett. Kristoph war immer noch am Handy und warf mir einen Blick zu, als ich es mir bequem machte. "Dein Handy hat geklingelt als du duschen warst", berichtete er mir. Seufzend erhob ich mich aus dem warmen Bett. Es gab nichts schlimmeres, als noch mal aufstehen zu müssen, nachdem man schon unter der Decke gelegen hatte.
Gähnend trottete ich zu meiner Handtasche und kramte das Smartphone heraus, welches penetrant blinkte. Mit dem Gerät in der Hand ging ich zurück ins Bett, legte mich hin und entsperrte das Display.
Eine neue Nachricht von einer unbekannten Nummer erschien auf meinem Bildschirm und ich zog die Augenbrauen hoch. "Irgendeine unbekannte Nummer", murmelte ich, als Kristoph mich fragend ansah. "Achso."
Neugierig öffnete ich die Whatsapp Nachricht und stutzte, als ich sie las. "Gute Nacht", stand dort drin. Ohne Smiley oder sonstige Information, von wem das hätte sein können.
Ich überlegte, was ich darauf antworten sollte. War das vielleicht Marias Nummer gewesen? Schließlich hatte ich ihr meine heute erst wieder gegeben.
Ich entschied mich für ein einfaches "Danke", und hängte noch ein "Und du bist wer?", hinten dran. Mochte vielleicht unhöflich klingen, aber wer mir anonym kam, musste sich nicht wundern, wenn ich misstrauisch reagierte.

Ein paar Minuten lang verharrte ich in meiner Position und wartete, dass eine Nachricht zurück kam, doch es geschah nichts und ich merkte, wie meine Augenlider immer schwerer wurden. Ohne noch Mal einen Blick auf den Chat zu werfen, legte ich mein Telefon auf den Nachttisch neben mir und wünschte Kristoph eine Gute Nacht. Es vergingen keine fünf Minuten, als ich ins in einen Traumlosen Schlaf abdriftete.


April 2012

„Was machst du denn hier?", platzte es überrascht aus mir heraus, als ich ihn plötzlich sah. Kurzes, braunes Haar. Grosse, dunkelbraune Augen. Ein verschmitztes Grinsen auf den schön geformten Lippen. „Überraschung!"
Schmetterlinge platzten aus ihren Kokons und tobten in meinem Bauch, als ich den Mann vor mir sah. „Man, Danny", grinste ich und fiel ihm augenblicklich um den Hals. Ich spürte, wie er meine Umarmung erwiderte und mich ein ganzes Stück hochhob. Mit meinen Einmetersechzig war ich ganze zwanzig Zentimeter kleiner als er gewesen. Kichernd liess ich mich umher schwingen, ehe er mich wieder absetzte. Meine Arme waren immer noch um seine Mitte geschlungen und meine grauen Augen fixierten die seinen. „Wieso hast du nichts gesagt?", fragte ich ihn, weiterhin starrend. „Nach der gestrigen Aktion von mir dachte ich, wäre das eine schöne Wiedergutmachung für meinen Sturkopf", grinste er und strich mir dabei eine Strähne meines braunen Haares hinters Ohr.
Mein Herz machte überschläge und ich bekam das dämliche grinsen nicht mehr aus dem Kopf. Der Streit von letzter Nacht war verflogen und mit ihm die negativen Gefühle die aufgekommen waren.
Danny war nicht mein Freund, aber er war auch nicht nur ‚ein' Freund. Ich kannte ihn schon einige Monate und hatte mich Hals über Kopf in ihn verliebt. Er wohnte weit weg und die meiste Zeit schrieben oder telefonierten wir nur. Dass er nun also vor meiner Haustür stand und sich die Mühe gemacht hatte, 300 Kilometer für mich zurückzulegen, war Entschuldigung genug.
Glücklich und benebelt vor lauter Liebe, schnappte ich mir seine Hand und lotste ihn in meine kleine Wohnung. „Das ist wirklich die tollste Überraschung, die mir je jemand gemacht hat", grinste ich über beide Ohren hinweg und schloss die Tür hinter mir, als wir in meiner kleinen Zwei – Zimmer Wohnung eintraten. „Dann ist mir alles gelungen", grinste der Braunäugige und beugte sich runter um mir einen Kuss zu geben. Erneut machte mein Herz einen Satz und ich grinste in den Kuss hinein.
Es waren einige Wochen seit unserem letzten wiedersehen vergangen, umso mehr freute ich, Danny heute hier zu haben. „Was wollen wir machen?", fragte ich und setzte mich auf mein grosses, rotes Sofa in meinem Wohnzimmer. „Ich bin ziemlich erschöpft von der Fahrt. Wie wäre es mit kochen und Film schauen?", schlug mein ‚fast' Freund vor. Grinsend nickte ich und schlug vor, Ofenkäse zu essen. Frische Baguettes hatte ich auch noch da und der Hunger würde schnell gestillt sein.
Danny lachte, vermutlich über meine eigene Tollpatschigkeit, da ich beinahe gegen den Türrahmen gelaufen war, als ich mich auf dem Weg zur Küche machte. Dort holte ich den Käse aus dem Kühlschrank und bereitete ihn direkt für den Ofen vor. Innerlich seufzte ich und malte mir aus, wie es wohl jeden Tag mit Danny sein würde. Ich spürte, wie mir warm wurde, allein wenn ich nur daran dachte doch da war auch eine Sache, die mich ein wenig abschreckte.
Ich hatte ihm noch nie meine Gefühle offen gestanden. Er wusste das ich ihn mag. Und er mochte mich, das beteuerte er immer wieder, aber das Thema, ob wir ein Paar seien, wurde bisher noch nie angeschnitten. Weder von ihm, noch von mir. Ich wagte es nicht, ihn zu fragen aus Angst, er würde mich nicht wollen. Aber seine Taten und Worte sprachen eigentlich genau das Gegenteil. Fast jeden Morgen weckte mich eine süsse SMS, Abends dann der Abschied in die Traumwelt. Manchmal, da vergass er mich auch, nur um dann zwei – drei Stunden später anzurufen. Selbst wenn er mit seinen Kumpels unterwegs war oder Besuch hatte. Er nahm sich immer Zeit.
Zufrieden über die Tatsache, dass er aber überhaupt hier war, hörte ich auf zu denken und ging zurück ins Wohnzimmer, nachdem ich den Käse in den Ofen geschoben hatte.
Danny lag auf dem Sofa und schaute TV, lächelte aber, als ich mich ihm näherte. Seine dunklen Augen zogen mich in seinen Bann und legte mich zu ihm.
Solche Abende hätte ich täglich verbringen können. Gemeinsame Momente wie diese machten mich zu einem Menschen, der ich eigentlich gar nicht war. Romantik und kuscheln waren nie Dinge gewesen, die ich gebraucht habe. Händchen halten in der Öffentlichkeit war lange Zeit ein Tabu für mich gewesen. Und obwohl ich telefonieren hasste, so konnte ich diesem Mann stundenlang bei seinen Erzählungen zuhören.

Es waren so wundervolle Erinnerungen, die ich nicht vergessen wollte. Doch als ich am nächsten Morgen erwachte, überkam mich die plötzliche Traurigkeit bei der Erkenntnis, dass diese Bilder nur ein Traum waren und bleiben würden.   

Zakazana miłość  -  Verbotene LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt