▪Begegnung im Park [Nach einer wahren Begebenheit]▪

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Voller Faszination blieb sie stehen. Sie wusste selbst nicht, wieso sie diesen Weg gewählt hatte, der direkt durch den Park führte. Zwar war dieser Weg zweifelsohne schöner, doch der andere hätte sie schneller an ihr Ziel geführt.
Doch jetzt war sie sich sicher, dass sie sich für den richtigen Weg entschieden hatte.

Der Grund ihrer Faszination war ein junger Mann, der auf einer Sleakline balancierte. Es sah so leicht und elegant aus, wie er so über die zwischen den Bäumen gespannte Line lief.
Jedoch konnte man auch sehen, welche Konzentration und Vorsicht in jeder seiner Bewegungen steckte.
Sie blieb eine Weile dort stehen, unfähig sich zu rühren. Da verlor der junge Mann das Gleichgewicht, und landete nur wenige Meter vor ihr im Gras.
Sie merkte, wie sich etwas in ihr regte.
Noch bevor sie wusste, wie ihr geschah, setzte sie sich in Bewegung und ging auf ihn zu. Bei ihm angekommen räusperte sie sich. Er war bereits wieder aufgestanden und hatte den Rücken zu ihr gedreht.
Als er ihr räuspern vernahm, drehte er sich um. Sie nahm allen Mut zusammen und sprach die Frage aus, die sie dazu gebracht hatte, zu ihm zu gehen.

"Wenn du dort oben bist, hast du keine Angst zu fallen?" Er sah sie überrascht an, dann begannen seine Augen zu leuchten. Offensichtlich hatte er diese Frage nicht erwartet. Er antwortete ihr schließlich, nach einer kurzen Bedenkzeit, mit einem Lächeln "Natürlich hat man Angst. Besonders am Anfang. Aber der Trick ist, sich nicht auf die Angst zu konzentrieren, sondern auf das was man tut. Man muss sich immer vor Augen halten, wieso man etwas tut und was man damit erreichen möchte. Das ist stärker als die Angst vor dem Fallen."
Er sprach mit einem leichten Akzent, denn sie nicht ganz einordnen konnte. Irisch? Englisch? Oder doch etwas ganz anderes? Aber das war auch nicht weiter von Bedeutung.
Seine Worte hatten ihre Faszination nur noch gefestigt und trieben ihr ein Lächeln auf die Lippen. "Es ist wirklich bewundernswert, was du da tust. Es ist Kunst. Mich fasziniert diese Leichtigkeit, diese Eleganz. Das Gesamtbild ist einzigartig."
Er lächelte noch breiter und bedankte sich.
Sie verwickelte ihn noch in ein kurzes Gespräch, über Sport, Worte und die Kunst, dann verabschiedete sie sich. Sie musste sich auf den Weg machen. Doch bevor sie ging, teilte er ihr mit, dass er öfters im Park war um zu trainieren.
Lächelnd versicherte sie, dass sie sicher wieder kommen würde.

Gewidmet an meine Begegnung im Park am 30.06.16.

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