▪Der Traumträger▪

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Leise saß er da.

Sie schlief tief und fest und allen Anschein nach, hatte sie ihn nicht bemerkt. Sie schien nicht mitbekommen zu haben, wie er leise, bedacht niemandem in diesem Haus zu wecken, durch das geöffnete Fenster hereingestiegen war. Sie schien nicht gemerkt zu haben, wie er leise in ihr Zimmer wehte, umhüllt wie von einer sanfte Brise.

Als genau so eine mussten ihn die Menschen wohl wahrnehmen. Eine Brise.

Er selbst konnte es allerdings nicht genau sagen, er war keiner von ihnen.

Was er dann war? Nun, es gibt sicher Fragen, die einfacher zu beantworten gewesen wären.

Seine Heimat war nicht diese Welt, sie war nur seine Arbeit. Die Menschen waren seine Arbeit. Die Nacht war seine Schicht. Eine höhere Macht sein Arbeitgeber.

Er war ein Traumträger.

Vor langer Zeit einmal hatte es viele von seiner Art gegeben. Doch mit den dunklen Zeitaltern unserer Vergangenheit, waren immer mehr von ihnen verschwunden.

Unser Traumträger hier, war einer der letzten Verbliebenen seiner Art. Einst waren sie zutausenden und sie erledigten die ihnen aufgetragene Aufgabe voller Inbrust. Einst.
Doch dann hatten die Menschen begonnen sich immer mehr zu schaden und bald schon war immer weniger Platz in den Köpfen dieser für schöne Träume gewesen.

Daran musste auch unser Traumträger denken, als er sich, hier in diesem Haus, aus seinem Sitz erhob um näher an das Mädchen heranzugehen. Selten hatte er eine so reine Seele gesehen, kaum beschmutzt von den Geschichten die das Leben schrieb, trotzig dem Unheil das über den Menschen zu schweben schien.
Sanft legte er ihr seine Hand auf die Stirn und flüsterte ihr etwas ins Ohr.

Er schenkte ihr einen seiner schönsten Träume. Er legte ihn ihr direkt in die Seele und hoffte, dass sie, am Morgen wenn sie aufwachte, verstand. Er hoffte das sie verstand, dass er da gewesen war, ein alter Freund, das er noch immer für sie da war.

Er hoffte, dass sie es alle eines Tages verstehen würden. Es waren nicht bloß irgendwelche Träume, es waren seine Geschenke.

Eine kleine Hoffnung.

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