Er fasste sich an die Schultern, um seinen Umhang abzunehmen. Als sie drohte umzuknicken, umfasste er sie mitsamt dem ausgebreiteten Umhang in seinen Händen. Sie wurde in den Umhang gehüllt und Wärme kroch ihr sofort in den nasskalten Körper. Wasser stieg ihr in die Augen. Er löste seinen Blick nicht von ihr.
"Für deine Hilfe wäre ich dir zutiefst dankbar und ich würde mich sehr erkenntlich erweisen!" Versuchte er gerade ernsthaft charmant zu sein? "Wie ich schon sagte.. ich versuche es." Er ließ sie noch nicht los und das sollte er eigentlich. Verdammt! Sie kann sich nicht erinnern jemals von Jemandem wie ihm gehört zu haben. Dass sich Fremde so verhalten können, ist ihr nun ja völlig fremd. Wer ist er?Verzweiflung und Unsicherheit nagten stark an ihr. Traf sie ihre Entscheidung? "Okay, aber danach hilfst du mir auch einen Plan für die Suche meiner Familie anzufangen!" "Ich danke dir Aleine. Du hast mein Wort." "Aha. Ja ist gut!" Sie drehte sich um und hoffte inständig, dass der Wind ihr glühendes Gesicht kühlen würde und zweitens, dass sie aufhören musste ihn so genau anzusehen. Es dürfte jemanden, wie ihn eigentlich hier gar nicht geben.
Was wenn wieder.. wenn wieder zu viel Schreckliches passiert und sie dann wieder von vorn anfangen muss? Dieser Mann kann doch keine Fantasie sein! Er ist eine der interessantesten Persönlichkeiten, die ihr in ihrem öden Leben je untergekommen ist.
Sie ging langsam, viel zu langsam für seine Verhältnisse, aber sie hatte sich ja auch verletzt. Trotzdem ist es alles andere als sicher hier herumzulaufen, wenn man blutet und noch dazu keine Ahnung hat, was oder wer hier alles im tiefsten Schatten lebt.
Achtsam lief Farin immer ca. eineinhalb Meter seitlich, hinter ihr. Sie schien echte Probleme zu haben. Zusammen mit ihr und ihrem Hund hätte er trotzdem immernoch bessere Chancen sich schneller in der Stadt zurechtzufinden. Lange mussten sie nicht mehr durch den Wald, denn Motorengeräusche ragten wieder an ihr Ohr. Lupus lief schnüffelnd über dem Boden und drehte sich öfters nach den Beiden um.
In der unheilvollen Dunkelheit, so las sie es schon so oft in Büchern. Es stimmte! Als sie rannte, hatte sie keine Zeit alles genauer zu beobachten, aber jetzt im Laufen schienen die Bäume noch mächtiger und größer, drohten sie fast zu erdrücken. Im Augenwinkel glaubte sie etwas helles gesehen zu haben und sie fixierte sich auf die Stelle, aber da war nichts mehr.
Beruhige dich sagte sie zu sich selbst, dein Kopf dreht wieder durch. Sie zitterte schon wieder trotzdem sie den Umhang um sich gekuschelt hatte und das obwohl es seiner ist!
Egal, schien er sich zu denken. Egal war es auch ihr.Die ganze Zeit wechselten sie keinen Blick und kein Wort miteinander, auch dann nicht, als sie den Straßenrand erreichten. Die Straße führte direkt in die Stadt hinein und Aleine sah das schwache Leuchten der alten Straßenlaternen.
Ein komisches Gefühl beschlich sie, denn sie fühlte Augen auf sich gerichtet, die sie nicht sehen konnte. Sie hoffte, dass sämtliche Nachbarn wenigstens sicher Zuhause sind und nur aus dem Fenster auf die sahen."Ist alles in Ordnung?"
Sie mochte dieses Viertel absolut nicht. Viele Male ging ihr Vater mit ihr in dieses Café, dessen Namen dieser mysteriöse Mann nannte. Allein die Erscheinung erinnerte sie schon immer mehr an ein Bordell, als an einen gemütlichen Coffeeshop, mit den roten Lichtern und dem verrosteten Schild. Wie sollte sie das vergessen haben.
Sie sollte sich dann immer etwas bestellen, was sie wollte und musste auf ihren Vater warten, der Stunden später wieder aus den Hinterräumen erschien. Es fiel ihm nie auf, wenn sie noch woanders gewesen ist. Oft fragte sie sich, was er wohl dort machen würde, entschied sich aber immer, besser nicht einen dieser Fremden zu fragen, was dort sei. Heute konnte sie es sich nur zu genau vorstellen und allein der Gedanke daran, in dieses verruchte Nest zu gehen, war ihr schon zuwider.
In ihren Gedanken verloren, bemerkte sie kaum, dass sie schon an der letzten Querstaße waren. Als ein Schauer ihr wieder einmal über den Rücken lief sah sich einmal rundum. Sie spürte eine Hand auf ihrer Schulter und erschrak. Warum auch immer er sie an die Schulter fasste und warum auch immer es sie beruhigte weiß sie nicht. "Es geht schon. Ich war oft hier und halte wie gesagt, nicht viel hiervon." "Ab jetzt übernehme ich das Vorausgehen. Tu mir bitte den Gefallen und bleibe die ganze Zeit über bei mir." Sie schluckte und ahnte Schlimmes, nickte aber und versprach ihm zu tun, was er sagt. Er wird ja schon wissen was zu tun ist...und sie muss sich noch etwas überlegen.
Ihre Alarmglocken schrillten schon beim Betreten der Seitengasse, doch jetzt kurz vor dem "Café" wurde es noch viel schlimmer. Sie wollte da nicht rein und blickte zu Boden. Sollte sie jetzt besser kehrt machen? Farin schwang die Tür auf. Lärm und stickige eklige Luft schlugen ihr entgegen und sie musste husten. Die Luft war so dick in diesem Raum, dass das Atmen ihr schwer fiel. Blaue Schwaden schwebten über jedem Tisch und hauptsächlich beschwipste Weiber und betrunkene Männer saßen um ihnen herum, lallten obzönes Zeug und grölten um die Wette.
Scheinbar war es mal ein Café gewesen. Früher war es ganz gemütlich hier, doch jetzt bröckelte der Putz und Spinnweben zieren jede Ecke. Insekten kreisen unter den alten Lampen und viele Möbel schienen gleich auseinander zu fallen. Ein Knall ließ sie zusammenfahren und so krallte sie sich an seinen Umhang fest.
Er sah kurz nach hinten, sagte aber nichts. Er ging jedoch einen kleinen Schritt zurück in ihre Richtung. Keinem der Leute hier beachtete er eines längeren Blickes.
Er ging geradeaus auf eine Frau, im hinteren Türrahmen zu. Männer wie Frauen sahen sie an, manche beobachteten sie sogar und ihre anzüglichen Blicke verfolgten jeder ihrer Schritte.-------
Kaye ®
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Phönixkind
ParanormalCover made by me "Aleine Evelyn Rubin ist 20 Jahre alt und lebt jetzt seit ca. 6 Jahren in einer Stadt umgeben vom Walde und Meer. Relativ abgeschieden lebt sie ihr Leben überdurchschnittlich normal und doch echt kompliziert. Der Alltag als junge F...