Was wenn..

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"Meghan? Cookie bist du das?" Es ist mein Dad, ohne jeden Zweifel. Aber was macht er in England bei meiner Mutter? Sie sind doch getrennt. Meine Mutter hatte ihn angebrüllt, sie würde ihn nie wieder sehen wollen, nachdem er widerwillig die Scheidungspapiere unterschrieben hatte.
"Ja, Dad, ich bin es. Aber was machst du bei uns zu Hause?", will ich wissen. Ich werde immer nervöser; die dümmsten Gedanken schleichen durch meinen Kopf. Was, wenn Black Bill die Telefonate meiner Mutter abhört? Dann weiß er, dass mein Vater auch bei ihr ist. Leichte Beute.. Aber andererseits ist Billy ein einfacher Drogendealer. Kriminell, keine Frage, aber besonders schlau und vorhersehend eher nicht.
"Ah du nennst es also trotzdem noch "zu Hause" ja? Drei beschissene Monate hast du dich nicht gemeldet! Weißt du eigentlich, welche Panik wir erliegen?", meckert er plötzlich los und ich explodiere innerlich komplett. "Panik? PANIK? Verarsch mich nicht! Verdammt, wir sind seit Monaten auf der Flucht! Mehr kann ich dazu nicht sagen, aber egal, wo wir hingehen, uns verfolgt diese Paranoia! Wir müssen jeden Schritt, den wir gehen, fünf Mal überdenken! Wir haben Panik! ICH habe Panik! Wenn ich die Jungs nicht hätte, wäre ich wahrscheinlich schon gar nicht mehr am Leben, Dad!", den Rest schreie ich. Ein paar Male hätte ich mich fast verschluckt, weil ich so schnell gesprochen habe, aber das ist mir egal. "Cookie.. Ich.. Wir machen uns große Sorgen um dich! Deshalb bin ich auch bei deiner Mutter.. Carrie und ihr Sohn sind in Deutschland geblieben, aber ich musste einfach zu deiner Mum und Tom. Dein Bruder wollte erst gar nicht mit mir sprechen und hat mir sofort die Tür vor der Nase zu geknallt, aber Giselle hat mich rein gebeten. Sie hatte Tom nichts von deinem Abschiedsbrief erzählt.. er ist außer sich", erklärt mein Vater. Die Art, wie er den Namen meiner Mutter ausspricht, hat sich nicht verändert. Immer noch so weich und liebevoll, als wäre er das schönste Wort, das mein Vater je benutzt hätte. Das war damals einer der Gründe gewesen, weshalb ich dachte, meine Eltern würden sich nie trennen.  Jack klang immer so verliebt, selbst nachdem er sie geschlagen hatte.
"Es tut mir leid..Wirklich.. einfach alles, aber ich kann die Zeit nicht zurück drehen und ihr müsst mir unbedingt vertrauen! Ich melde mich immer, wenn ich kann", versuche ich meinen Dad zu beschwichtigen. Ich sehe auf meine Armbanduhr. Wir reden schon sehr lange.. zu lange. Die Jungs werden merken, dass ich nicht sofort nach der Arbeit nach Hause komme.
"Versprich mir wenigstens, dass du dich mindestens alle zwei Wochen meldest!", verlangt Jack und seine Stimme bricht, ich glaube, er weint.
"Das kann ich nicht..", flüstere ich in den Hörer, während ich meine Stirn an die kalte Wand der Telefonzelle lege. "Dad?" - "Ja, Cookie?" - "Ich muss auflegen.. Bitte sei nicht sauer! Grüß Mum und Tom von mir.. Carrie natürlich auch! Ich hab euch alle lieb und ich vermisse euch furchtbar!", schluchze ich mit den Tränen kämpfend. "Wir dich auch, Meghan. Pass auf dich auf!", verabschiedet sich mein Vater und ohne ein weiteres Wort lege ich auf. Mit den Händen fächere ich mir etwas Luft zu und verlasse dann die Zelle.

"Meghan! Bist du irre, wir haben uns Sorgen gemacht!", brüllt Niall mich an, packt mich an den Schultern und rüttelt an mir herum. Dann bricht er in schallendes Gelächter aus. Verdutzt starre ich in seine tiefblauen Augen.
"Nicht witzig, Arschloch", knurrt Harry, schubst den blonden Punk zur Seite, umklammert meinen Oberarm und schleift mich direkt wieder mit nach draußen. Keiner von uns beiden sagt einen Ton, bis wir an einem kleinen, menschenleeren Spielplatz ankommen. Dort lässt er mich auch erst los.
"Was ist lo-", setze ich an, doch Harry unterbricht mich binnen Sekunden: "Wag es ja nicht, diese Frage zu stellen, Meghan Rose Hennings!", mahnt er mich wütend, während er einen Stein vor seinen Füßen weg kickt und sich von mir abwendet. Fast hätte ich gelacht, weil er meinen vollen Namen benutzt hat, was sonst nur meine Mutter tut, wenn ich mal wieder mein Zimmer nicht aufgeräumt habe oder ich "vergessen" habe, den Müll raus zu bringen. Aber als sich Harry verzweifelt durch die Haare streicht, bleibt mir mein dummes Gelächter im Hals stecken. Wir alle sind uns in der Zwischenzeit näher gekommen. Wir reden mehr miteinander, essen zusammen und haben uns generell einfach alle besser kennengelernt. Es ist nicht mehr diese Gruppenverfeindung zwischen Liam, Zayn und Louis vs. Niall und Harry. Wir sind eine Truppe. Auch, wenn Harry und Liam davon immer noch nicht so sonderlich begeistert sind. Trotz allem, war ich mit keinem der Jungs mal allein, seit wir aus Deutschland raus sind, und dass es gerade Harry ist, mit dem ich jetzt die erste Zweisamkeit verbinge, ist fast schon Ironie.
Ich gehe unüberlegt auf ihn zu und lege ihm von hinten meine Hand sanft auf die Schulter. "Ich meine es ernst, Harry. Was ist los?", frage ich so leise, dass er mich wahrscheinlich gar nicht hört. Als ich keine Antwort erhalte, will ich mich wiederholen, doch genau in diesem Moment dreht er sich zu mir um und sieht mir direkt in die Augen.
"Ich hatte Angst um dich! Ach, was sage ich! Ich habe immer Angst um dich! Jede Sekunde! Ich habe ständig das Gefühl, Billy weiß, wo wir uns gerade aufhalten, was wir gerade machen.. einfach alles! Und dann kommst du einfach zu spät.. Vielleicht hat Niall recht und ich reagiere total über, aber.. Ich habe noch nie jemanden wie dich kennengelernt! Noch nie! So rein, unschuldig, klug, witzig, mutig, temperamentvoll.. und dann doch einfach nur das kleine Prinzesschen! Das kleine Mädchen, auf das man immer ein Auge werfen muss, weil es sich sonst am Herd verbrennt, in eine Pfütze läuft, über eine beknackte Wurzel fällt oder was weiß ich. Mein Leben war scheiße, bevor du kamst! In dem Moment, wo du unsere Klasse betreten hast, wusste ich einfach, dass du was besonderes bist. Vielleicht nicht "überall beliebt"- besonders oder "hat Unmengen an Talenten"- besonders, aber besonders für mich! Und ich wollte dich einfach haben! Ich musste dich haben.. Und ganz ehrlich.. ein Typ wie ich.. wie hat der charakterlich schon eine Chance bei einem Mädchen wie dir? Also musste ich anders an die Sache ran gehen.. offensiver.. aggressiver. Und jetzt.. sieh uns an. Du hasst mich. Und ich weiß nicht, was ich noch tun kann, als einfach auf dich aufzupassen! Und wenn du dann zu spät nach Hause kommst.. ich.. Was, wenn Black Bill dich aufgespürt hat und einen seiner Schoßhunde geschickt hat, dich zu holen? Was wenn. . was wenn.." Und plötzlich kann er nicht mehr. Direkt vor meinen Augen bricht er zusammen. Harry Styles. Das Gesicht hinter seinen Händen versteckend weint er und ich stehe reglos da und beobachte ihn dabei. Beobachte, wie die ganze Härte aus ihm verschwindet und damit auch die Fassade, die er seit Wochen und Monaten aufgebaut hat.
Die Glocken der naheliegende Kirche schlagen an und bedeuten uns, dass es schon 18Uhr ist. Die Jungs warten bestimmt mit dem Essen auf uns. Schnell löse ich mich aus meiner Starre, krame mein Handy aus der Tasche und schreibe Liam eine kurze Nachricht, dass sie ohne uns essen sollen.
Dann hocke ich mich vor Harry hin, nehme seine Hände und zwinge ihn, mich anzusehen. Sein Gesicht ist klatschnass, seine Wangen und seine Augen gerötet und ich schwöre: In diesem Moment, so wie er dort vor mir sitzt, ist er so wunderschön und atemberaubend wie noch nie zuvor.
Ich schließe meine Augen und presse meine Lippen zaghaft auf seine. Nur kurz und er versucht nicht einmal den Kuss zu erwidern. Als ich mich löse, lasse ich meine Augen geschlossen, weil ich nicht möchte, dass dieser Moment einfach verfliegt. Ich will nicht einmal darüber nachdenken, was gerade in mich gefahren ist, dass ich ausgerechnet ihn küsse.
"Meghan..?", haucht er und ohne ihn anzusehen, frage ich einfach: "Willst du mich morgen von der Arbeit abholen?"

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