ZWEI

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Als wir auf den Parkplatz, des kleines Restaurants fuhren, sah ich schon Masons Auto. Direkt dort neben stand noch ein weiteres, welches ich kannte, und was dazu führte, dass ich mich umdrehte und Viv einen prüfenden Blick zu warf.
"Weiß Will, dass du schon hier bist?"
"Er hat genauso viel Ahnung wie ihr zwei.", kicherte sie. Will war Viv's Freund und die beiden waren wohl das Traumpaar schlechthin.  Sie waren seit der siebten Klasse zusammen und immer noch, schien nicht das kleinste Lüftchen im Paradies zu wehen.
Charlie war schon immer neidisch darauf gewesen, nicht weil sie etwas für Will empfand, sondern einfach weil sie der größte Pechvogel in Sachen Beziehung war. Ihre letzte war grade vorbei, und wie es der Zufall wollte, hatten die beiden sich genau in dem Restaurant getrennt, auf das wir grade zusteuerten.
Entsprechend grimmig war ihr Gesichtsausdruck als sie ihren Wagen parkte, die Tür aufstoß und missmutig in Richtung Gebäude stapfte.
Viv und ich sahen uns besorgt an, bevor wir selber ausstiegen und ihr hinterher eilten.
Als wir durch die klingelnde Eingangstür traten, ertönte zugleich ein erfreuter Ausruf.
"Na, wer kommt denn da in meinen bescheidenen Imbiss!", gackerte eine altbekannte Stimme drauf los.
Eine rundliche, kleine Frau dackelte auf uns zu und schloss Viv in ihre Arme. Rebekkah war die Besitzerin des Rocky's und kannte schier alles und jeden. Da sie ein sehr herzlicher Mensch war, nahm sie sich raus, auch jeden zu umarmen, den sie länger als eine Woche nicht gesehen hatte.
"Seit wann bist du wieder hier, Schätzchen? Ich hatte doch eine große Willkommensparty nächste Woche für dich organisiert!". Ihr Lachen war schrill und durch dringend.
"Das Flugzeug ist heute morgen gelandet.", lachte Viv unsicher. Sie hatte schon immer etwas Angst vor Rebekkah und ihrer offenen Art gehabt.
"Na dann kann ich ja froh sein, dass deine Wahl fürs erste Lokal seit du wieder da bist, auf meines gefallen ist.", lachte sie weiter.
Viv blieb stumm, doch Charlie und ich stimmten ein.
"Du musst endlich mal etwas lockerer werden, Viv. Rebekkah ist der liebste Mensch seit der Geburt Jesu, sie will dir nichts Böses.", trichterte Charlie ihr ein, als wir uns ins Innere des Restaurants aufmachten.
Das Rocky's war ein beliebter Treffpunkt der Jugendszene Deronts. Es war typisch amerikanisch eingerichtet, genau wie es Rebekkah und ihr Rockabilly-Fetisch mochte.
In einer der hinteren Nischen entdecke ich Masons, unverwechselbaren Haarschopf.
"Ihr musstet euch auch unbedingt den hintersten Platz aussuchen.", rief ich von weitem, als ich mich dem Tisch näherte.
"Seit doch froh, dass wir euch wenigstens Plätze frei gehalten haben!", brummte Mason.
"Ich bin froh, wenn ihr auch drei Plätze frei habt." Damit trat ich einen Schritt zu Seite, damit die Sicht auf Viv frei wurde.
Will sprang überrascht auf. Er sprintete auf sie zu, hob sie hoch und wirbelte sie herum, während er sie mit Küssen bedeckte. Ich lachte bei diesem Anblick, während Charlie, sich immer noch selbst bemitleidend, auf die Bank schob.
Ich setzte mich neben sie und blinkte in die Runde. Mason, der ganz links auf der Bank saß, hatte wuschelige braune Haare, für die er in der ganzen Stadt bekannt war und genauso braune Augen. Er war relativ klein für einen Jungen und gut gebaut, wenn auch nicht besonders athletisch. Rechts neben ihm saß Cody, quasi das komplette Gegenteil von ihm. Er war sehr groß und sehr athletisch, hatte wellige, blonde Haare die ihm bis zu den Schultern gingen und strahlend blaue Augen und, wie immer, ein breites Grinsen im Gesicht.
Will, der immer noch mit Viv beschäftigt war, war ebenfalls sehr groß, was, wenn man die kleine Viv betrachtete, echt ulkig aussah. Er hatte sehr dunkle, schwarze Haare und sehr tiefe, grüne Augen, die ihm zu seinem stadtbekannten Hundeblick verhalfen, dem man nichts ausschlagen konnte.
Als sich die beiden endlich wieder hin gesetzt hatten, viel mir auf dass einer fehlte.
"Wo ist Connor?", fragte ich, gespielt desinteressiert.
"Er kommt glaube ich gleich.", erwiderte Cody, während er sich eine der Pommes, die auf dem Tisch standen, in den Mund stopfte.
Mein Blick wanderte zur Tür, da ich hoffte sie würde sich öffnen, doch stattdessen sah ich Rebekkah auf uns zu kommen, drei Milchshakes in der Hand.
"Erdbeere für Viv, Vanille für Charlie und Schokolade für Jay. Guten Appettit!", rief sie uns lachend zu, stellte die Getränke vor uns,bevor während sie wieder zurück marschierte.
Wir bestellten immer das gleiche, aber heute schien mir mein Milchshake einfach nicht zu schmecken. Gedanken verloren nippte ich trotz dessen an dem Becher, während die anderen sich unterhielten.
Ich schnappte nur einzelne Wörter auf, es ging darum, was wir die folgende Woche unternehmen wollten, jetzt da Viv doch noch überraschend zu uns gestoßen war.
Plötzlich merkte ich, wie Mason mich scharf beobachtete. Erst jetzt fiel mir auf, dass ich die ganze Zeit auf die Tür gestarrt hatte.
Um mich nicht zu verraten, kramte ich schnell mein Handy raus. Als ich es entsperrte sah ich, dass sich niemand bei mir gemeldet hatte. Wer auch, schließlich waren alle meine Freunde hier.
Außer Connor.
Während ich immer noch an meinem Handy beschäftigt war, merkte ich plötzlich wie jemand an unseren Tisch trat.
"Seid Ihr Faulpelze immer noch hier.", schmunzelte Connor. Ich sah hoch. Vor mir stand ein sehr großer, sehr muskulöser, braun gebrannter Typ. Er trug eine dunkle Jeans, ein verdrecktes weißes Tanktop und hatte sich einen Cowboyhut unter den Arm geklemmt. Seine Füße steckten in Schuhen, die meinen sehr ähnelten.
Er stand so nah, dass ich ziemlich weit hoch blicken musste, um in sein Gesicht zu blicken.
Es war mit hellbraunen Haaren umrahmt, die trotz, dass sie von Gel unberührt waren, perfekt standen und inmitten funkelten verschmitzt, dunkelblaue Augen. Als er lachte, entblößte er eine Reihe von strahlend weißen Zähnen, die fast schon zu perfekt neben einander standen.
"Wenn du uns so lang warten lässt, bleibt uns ja fast nix anderes übrig!", erwiderte Charlie schelmisch, während sie aus der Bank kletterte und ihn umarmte. Connor war ihr bester Freund.
Im Gegensatz zum Rest unserer Truppe hatte Connor schon seinen Abschluss. Er verdiente sein Geld mit Bull-Riding, was er auch sehr gut konnte.
Unsere ganze Stadt war verrückt nach Bull-Riding und heute war die Eröffnung, der diesjährigen Saison.
Die Karten für diese Turniere waren schwer zu bekommen, doch da wir glücklicherweise mit einem der Stars der Szene befreundet waren, war es für uns ein leichtes an Plätze zu kommen.
Sein Auftauchen bedeutete unser Aufbrechen, so dass wir uns alle unsere Getränke schnappten und uns auf den Weg machten. Als wir draußen standen, liefen Mason und Cody zu Masons Auto, Will und Viv zu Wills und Charlie zu ihrem. Connor und ich blieben ein paar Schritte zurück.
Er warf mir einen stechenden Blick zu, bevor er die Augenbraue hob und mir damit unser altbekanntes Zeichen signalisierte, bevor ich den Blick abwandte und Charlie hinterher lief.

Wir mussten eine ganze Weile fahren, bis wir schließlich ankamen. Die vier Autos ratterten über den Schotterplatz um einen Parkplatz zu suchen. Wir waren relativ spät dran, weswegen wir erst ein paar Runden drehen mussten bis jeder einen passenden Platz gefunden hatte.
Während Charlie den Schlüssel aus dem Schloss zog und nach ihrer Tasche kramte, drückte ich die Tür auf und wurde gleich von einem schwülen Luftschwall überrascht. Im Auto war es schön kühl gewesen, da Charlie das Verdeck hoch gefahren hatte und die Klimaanlage aktiviert hatte, aber draußen strahlte die heiße Mittagssonne erbarmungslos.
Wir suchten die anderen, damit wir uns gemeinsam auf den Weg machen konnten. Als erstes erblickten wir Will und Viv die grade lachend und umschlungen neben dem silbernen BMW standen, den Will fuhr. Sofort verdunkelte sich Charlies Miene.
Dies änderte sich aber wieder relativ schnell, als sie sah wie Connor auf sie zu stapfte. Er hatte sich den Hut nun auf den Kopf gesetzt, um sein Gesicht vor der Sonne zu schützen.
Als er uns erreicht hatte, schaute er mich wieder an, diesmal sehr sanft, was mir ein Lächeln entlockte.
Auf einmal wurde sein Blick sehr hart und er schaute weg. Er verengte seine Augen, als er zu Charlie schaute.
"Wo sind Mason und Cody? Die brauchen auch echt immer am längsten." Er stieß ein raues Lachen von sich, was meinen Bauch zum kribbeln brachte.
"Gar nicht war, Connor. Du stellst dich bloß immer an.", ertönte plötzlich eine Stimme hinter uns. Wir drehten uns um und sahen Mason und Cody auf uns zu kommen.
"Na dann, steht uns ja nichts mehr in Wege!", rief Will, während er seinen Arm um Viv legte.
Wir machten uns auf den Weg. Will und Viv gingen weiter vorne, gefolgt von Charlie, Mason und Cody. Connor und ich blieben etwas zurück.
"Ich hoffe, du bleibst bis zur After-Show-Party.", raunte er mir leise zu, so dass nur ich es hören konnte.
"Nur wenn du mir einen Grund gibst.", lachte ich ebenso leise.
"Ist meine Anwesenheit etwa nicht Grund genug?", fragte er gespielt überrascht. Ich schaute ihn von der Seite an. Er lächelte mich mit diesem Connor-Lächeln an, was mir jedes Mal ein Kribbeln im Bauch verpasste, wenn er es mir zu warf.
"Na das sehen wir, wenn du heute gewinnst.", erwiderte ich. Er lachte. Eine Weile sagte niemand was, bis er plötzlich das Schweigen brach.
"Der Chief hat mir vorgestern erzählt, sein Sohn käme dieses Wochenende in die Stadt. Seine Mutter ist wohl vor ein paar Wochen gestorben, er hat bisher bei seiner Tante gewohnt. Aber jetzt ist er wohl wieder bei seinem Vater. Er ist so alt wie du und soll in deine Stufe kommen. Ich glaube, er heißt Alex.", erzählte er. Da die Bull-Riding Turniere immer am Wochenende stattfanden, half er unter der Woche im Polizeirevier aus, um seinen Geldbeutel ein bisschen aufzubessern. Schließlich war sein Erfolg in seinem Beruf nicht gesichert.
Ich seufzte.
"Ich weiß. Mein Vater hat ihn mir heute in der Kirche vorgestellt. Ich soll ihn morgen herum führen.", sagte ich lustlos.
"Ach komm, stell dich nicht so an. Vielleicht ist er ja ganz nett und du kannst ihn mal mitbringen."
"Ich bezweifle das. Er scheint einfach nur arrogant zu sein." Ich lies mich nicht von meinem ersten Eindruck abbringen.
"Hat Dearing dir etwa nicht beigebracht, jemanden nicht nach dem ersten Eindruck zu beurteilen?" Auch er machte sich gut und gerne darüber lustig, dass er nicht in die Kirche gehen musste, da er bereits alleine wohnte. Ich warf ihm nur einen vernichtenden Blick zu, musste aber selber lachen.
"Na gut. Ich schaue ihn mir noch mal an.", lank ich ein.

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Little AlabamaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt