SIEBEN

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Charlie zog mit einem dunklen Lippenstift ihre Lippen nach und gab ihrem Make-Up somit den letzten Schliff. Nachdem sie sich und ihrem Outfit einen abschätzenden, finalen Blick zugeworfen hatte, drehte sie sich strahlend um.
"Fertig." Ihre Augen glänzten vor Vorfreude.
Ich stand gerade hinter Viv, während ich versuchte ihre Haare zu flechten, was sich aber schwieriger als erwartet herausstellte, aufgrund ihrer schieren Löwenmähne auf dem Kopf.
"Wir auch gleich.", nuschelte ich unverständlich, da ich zwei Klammern zwischen die Zähne geklemmt hatte.
Es war inzwischen Freitag und wir machten uns gerade, für die Party eines Jungen einer Stufe über uns fertig. Wir hatten bereits eine Sektflasche geleert und hatten dementsprechend gute Laune.
Charlie warf sich auf ihr Bett und schnappte sich ihr Handy.
"Connor hat mir grade geschrieben. Er kann nicht kommen.", nuschelte sie desinteressiert.
Ein kleiner Stich machte sich in meinem Herzen bemerkbar. Warum hatte er nicht mir geschrieben?
Auf einmal schüttelte ich den Kopf. War ich wirklich schon so verzweifelt, dass ich beleidigt war wenn er seiner besten Freundin statt mir schrieb?
Ich steckte die letzte Klammer in Viv's Haare und verlieh der Frisur damit einen letzten Schliff.
"Fertig.", seufzte ich zufrieden und drehte ihren Stuhl so, dass sie sich im Spiegel betrachten konnte.
"Es ist wunderschön. Danke Jay!" Viv drückte mir einen Kuss auf die Wange. Eins musste man ihr lassen: Mit ihren halb geflochtenen, dunklen Haaren und dem weißen Sommerkleid  ähnelte sie einer fernöstlichen Prinzessin.
Auch ich trug ein Kleid, allerdings ein schwarzes, eng anliegendes und zusammen mit Charlie, die ein knappes Top und Jeansshorts trug, sah man uns schon eher an das wir vorhatten die Nacht durchzufeiern.
Wir machten uns auf den Weg nach unten und ich rief nach meiner Schwester, die versprochen hatte uns heute zu fahren.
"Fertig?", fragte Sarah als sie nach ihren Schlüsseln griff.
"Fast.", antwortete ich, bevor ich im Zimmer meines älteren Bruders verschwand, der glücklicherweise immer einen Alkoholvorrat parat hatte. Als Sarah die Flaschen in meiner Hand entdeckte schmunzelte sie nur.
Obwohl wir uns äußerlich bis aufs letzte Haar glichen, so könnten wir doch innerlich unterschiedlicher kaum sein.
Während sie mit ihren Freundinnen ihre Abende mit Filmen verbrachte, jeden Samstagabend pünktlich zur Chorprobe in der Kirche erschien und unter der Woche stets nach Hause kam um für ihre bevorstehenden Prüfungen zu lernen, versuchte ich so gut es ging mein wahres Leben vor meinen Eltern zu verstecken. Und dennoch, Sarah unterstütze mich in allem was ich tat, so lange ich es nicht zu wild trieb.

"Jay Baker!", grölten irgendwelche betrunkenen Typen als ich mich als erste von uns dreien durch die große Eingangstür schob, die von Footballspielern die als Türsteher fungierten bewacht wurde. Ich bedachte die Typen nur mit einem abschätzigen Blick.
Es war grade mal neun Uhr und diese Typen waren schon so breit, dass man sie eigentlich nur ins Bett bringen müsste.
"Na, wen haben wir denn da.", schnurrte eine Stimme links von uns. Bryce Sawyer, Veranstalter dieser Party und Fuckboy schlechthin, tauchte, 3 Becher balancierend, neben uns auf. "Die waren eigentlich für Jess, Phoebe und Marry gedacht, aber die haben wahrscheinlich eh schon genug. Außerdem sind die nur halb so heiß wie ihr drei Perlen."
Er reichte uns die Getränke, während er uns vielsagende Blicke schenkte.
"Träum weiter.", murmelte Charlie kaum hörbar.
"Will, Mason und Cody spielen grade Bier-pong hinten im Garten. Ihr könnt euch aber auch gerne zu uns gesellen.", ließ sich Bryce nicht beirren.
Genervt von seinen ständigen Anmachen, liefen wir Richtung Garten um zu unseren Freunden zu gelangen. Wie Bryce prophezeit hatte lieferten die drei sich gerade ein erbittertes Stechen in Sachen Bier-Pong, auf beiden Seiten war nur noch ein Becher vorhanden. Auf Wills Seite stand noch ein weiter Kerl, der grade zum Wurf ansetzte, allerdings stand er mit dem Rücken zu uns. Gerade als der kleine Ball seine Fingerspitzen verließ, erreichten wir den Tisch und ich ließ fast meinen Becher fallen.
"Coleman, das ist mein Mann!", jubilierte Will während er Alex auf den Rücken haute, als der Ball im Becher versank. Alex jedoch schien nicht sonderlich begeistert, denn sein Blick hatte sich an mir fest gesaugt. Unglücklicherweise musste ich zugeben, dass es mir ein wenig Befriedigung verschaffte, dass ich doch seiner Arroganz dennoch in der Lage war ihn mit meinem äußerlichen sprachlos zu machen. Zugegeben, er sah auch nicht grade schlecht aus in seiner ausgewaschenen Jeans und dem schwarzen Hemd. Allerdings musste ich, als mein Blick wieder in sein Gesicht wanderte, feststellen, dass er seinen altbekannten Blick wieder aufgesetzt hatte.
"Überrascht mich hier zu sehen?", löste er mich aus meiner Trance.
"Ehrlich gesagt ja. Seit wann kennt ihr euch?" Ich runzelte meine Stirn.
"Eigentlich gar nicht. Will hat ihn irgendwoher aufgeschnappt.", antwortete Mason mir, bevor er ansetze um seinen Becher zu leeren.
"Ich hab ihn heute nach der Schule auf dem Parkplatz getroffen und eingeladen. Ich kannte sein Gesicht nicht und er hat auf deine Beschreibung gepasst, also nahm ich an es wäre Alex. Und siehe da, ich hatte Recht. Wie immer.", zwinkerte Will uns zu.
"Du hast ihnen von mir erzählt?", fragte Alex belustigt, woraufhin ich den beiden nur einen giftigen Blick zu warf.

Ein paar Stunden und einigen geleerten Becher später saßen Alex, Charlie und ich zusammen in der Garage, die uns von den anderen feierwütigen abschirmte. Ich lag mit dem Kopf auf Charlies Schoß und gemeinsam erzählten wir Alex den neusten Klatsch und Tratsch den er als frisch gebackener Schüler der Deront High wissen musste.
"Und seitdem reden Jess und Katy kein Wort mehr miteinander.", beendete Charlie grade ihre Geschichte.
"Ich hätte nicht gedacht, dass hier auf dem Land soviel los ist.", schüttelte Alex den Kopf.
"Vielleicht solltest du aufhören so viel zu denken, und lieber mal machen.", neckte ich ihn.
"Wenn du nur wüsstest...", zwinkerte er mir vielsagend zu. Ich wollte ihm gerade meinen Konter zu werfen, als sich plötzlich die Garagentür öffnete und Bryce und ein weiterer, mir irgendwie bekannt vorkommender Typ traten ein.
"Wir haben hier hinten noch ein Fass stehen.", murmelte Bryce bevor er uns sah. Plötzlich fing Charlie wie verrückt an zu husten, sie hatte sich offenbar verschluckt. Erschrocken setzte ich mich auf, doch Bryce und der Andere hatten uns schon erblickt.
"Charlie!", rief der Unbekannte überrascht aus.
Verwirrt blickte ich zwischen den beiden hin und her. Die beiden kannten sich?
Offenbar war dies auch für Bryce neu, denn er blickte nicht minder verwirrt.
"Zack...", seufzte Charlie als sie sich wieder beruhigt hatte.
"Ihr kennt euch?", stieß Bryce verstört aus. Charlie warf mir einen verzweifelten Blick zu.
"Wir haben uns letztens Wochenende auf der Party wo ich ausgeholfen habe kennengelernt. Aber irgendwie haben wir uns aus den Augen verloren, bevor wir weitere Details als nur unsere Vornamen austauschen konnten.", erklärte Zack. Plötzlich fiel es mir wieder ein. Zack war der Barkeeper den ich um eine Flasche Whiskey leichter gemacht hatte und Charlie ziemlich schöne Augen gemacht hatte.
"Was machst du hier?", fragte Charlie entgeistert. Zack lachte.
"Bryce ist mein Cousin! Normalerweise gehe ich ja nicht mehr auf irgendwelche Highschool-Partys, aber was man nicht alles für die Familie tut! Irgendwoher müsst ihr ja euren Alk bekommen." Er schien im Gegensatz zu Charlie sehr begeistert über das unfreiwillige Wiedersehen.
"Bryce ist dein Cousin.", wiederholte sie nüchtern.
"Ja, das ist doch unglaublich! Und Charlie ich hab nicht vergessen, dass du mir ein Date versprochen hast." Ich warf ihr einen fragenden Blick zu, doch sie zuckte nur mit den Schultern. Zacks Optimismus erinnerte mich irgendwie an Charlie, doch sie schien nicht das kleinste bisschen Interesse zu zeigen. Doch das hielt ihn nicht davon ab, Charlies Hand zu greifen und sie Richtung Ausgang zu zerren. Trotz ihres hilfesuchenden Blickes hatte Zack sie in Rekordzeit aus der Garage bucksiert und auch Bryce folgte den beiden ohne Umschweife, nicht ohne ein weiteres Bierfass hervorgezogen zu haben. Erst als die Tür hinter  ihm ins Schloss fiel, realisierte ich, dass ich jetzt mit Alex allein war. Normalerweise hatte ich nie Probleme damit ein Gesprächsthema aufzubringen und hatte immer eine schlagfertige Antwort parat, aber irgendwie fühlte es sich mit ihm unbehaglich an. Als ich mich umdrehte und ihm in die Augen sah, hatte er wieder diesen Blick drauf, den er mir schon letzte Woche nach der Kirche zugeworfen hatte. Als ob er durch meine Augen direkt in mein Gehirn blicken könnte und jeden meiner Gedanken bereits kannte, bevor ich es tat. Wütend blickte ich zur Seite.
Genau das war es, was ich nicht an ihm mochte. Die meisten Menschen waren in ihren Absichten viel zu leicht zu durchschauen, zumindest für mich. Sie so zu manipulieren, dass sie das taten was ich von ihnen wollte, war somit stets ein Leichtes für mich. Aber mit Alex war es anders. Nicht nur dass ich extreme Schwierigkeiten hatte ihn zu durchschauen, ich hatte zudem auch ständig das Gefühl, dass er mich manipulieren konnte, wenn er wollte. Und das war gefährlich. In den letzten Monaten war ich so glücklich gewesen wie noch nie zuvor, was nicht nur auf Connor zurück zuführen war. Gewiss, er hatte einen großen Einfluss darauf gehabt, aber auch sonst lief in meinem Leben zur Zeit alles so wie ich es haben wollte. Und wenn Alex mich mit diesem Blick ansah, bekam ich einfach nicht das Gefühl los, dass sich das alles bald ändern könnte. Mein Instinkt sagte mir, dass Alex Colemann nichts gutes für mein Leben verheißen sollte.
Ich schluckte. Gerade wollte ich den Mund öffnen und ihm irgendeine Ausrede auftischen, warum ich jetzt unbedingt gehen musste, als ich ihm abermals in die Augen schaute und bemerkte das sein Blick mich immer noch durchbohrte. Schon wieder war ich sprachlos.
"Na los, Shawty. Jetzt geht es an die richtig spannenden Geschichten.", schmunzelte er.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jul 24, 2017 ⏰

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