DREI

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Als wir in die große Halle traten, empfang uns ein lauter Schwall voller Gesprächen, Lautsprecheransagen und Wiehern der Tiere. Es war schon sehr voll, aber Connor führte uns zu einer Bank , die direkt vor dem Zaun war, der die Arena von den Zuschauerbänken trennte. Um dort hin zu gelangen, musste man an zwei gigantischen Türstehern vorbei, denen Connor aber nur kurz ins Ohr flüsterte und uns dann herein wunk.
Im inneren des abgeschirmten Bereich war es nicht ruhiger, was daran lag, dass er nur von einem roten Absperrband umzäunt wurde. Connor führte uns zu Plätzen in der ersten Reihe.
Als er sich verabschiedete, um sich auf den Wettkampf vor zu bereiten, legte er seine Hand kurz auf meine Schulter. Es war nur eine kleine Berührung, freundschaftlich, doch sie reichte dafür aus, dass mir ein Schauer über den Rücken fuhr. Als er wieder in der Menge verschwunden war, sah ich zu Mason, da er mich ebenfalls anschaute. Sein Gesichtsausdruck war undefinierbar, aber ich schenkte ihm einfach ein Lächeln und setzte mich hin.
Nun waren wir wieder zu sechst und ich konnte endlich wieder klar denken, so dass ich mich auch in das Gespräch meiner anderen Freunde integrieren könnte.
"Was machen wir denn jetzt heut Nacht. Filme oder die Party?", warf Cody in die Runde.
"Was? Ich dachte wir gehen zuerst auf die Party und gehen dann zu Connor!", fragte ich verwundert.
Viv lachte.
"Hast du uns eigentlich eben zu gehört? Will, Mason und ich glauben, es ist keine so gute Idee heut Nacht noch auf eine Party zu gehen. Immerhin haben wir morgen Schule."
"Oh sorry, da hab ich wohl grade geträumt.", erwiderte ich kleinlaut. Die anderen lachten.
"Aber Leute, dass ist die Eröffnungsparty! Die gibt es nur einmal im Jahr, Schule habt ihr jeden Tag. Und glaubt ihr wirklich wir werden früher ins Bett gehen, wenn wir heut die ganze Nacht bei Connor Filme gucken?", versuchte ich zu überzeugen.
"Da hast du allerdings Recht.", gab Will zu.
"Naja, ich weiß nicht...", murmelte Mason, während er die Stirn krauste.
"Ach komm gib dir einen Ruck man." Cody verpasste ihn einen einen kleinen Schulterklopfer. Mason schaute zweifelnd zu ihm rüber.
"Na gut, ihr habt mich überredet.", lenkte Mason ein.
Ich lächelte gewinnend.
Auf einmal ertönte eine laute Sirene und das Licht wurde verdunkelt. Das laute Summen der Gespräche verstummte langsam.
"Willkommen, willkommen, zur 23., alljährlichen Eröffnung der Bull-Riding Landesmeisterschaft im wunderschönen Mobile, Alabama!", ertönte eine laute Stimme durch die Lautsprecher. Die Menge jubelte.
"Heute ist der erste, von vielen weiteren Wettkämpfen, auf die ihr euch schon mal freuen könnt!", versuchte die Stimme weiter, die Menge anzuheizen.
Als ob das nötig wäre.
"Ja gut, ja gut, ihr wollt mich nicht länger quatschen hören. Hier sind sie die heutigen Teilnehmer!", schrie der Ansager in das Mikrofon.
Als die 20 Teilnehmer nacheinander in die Arena traten, rastete die Menge förmlich aus. Als Connor das Feld betrat, jubelten und klatschen ich und meine Freunde nicht minder begeistert. Er hob die Hand und winkte in unsere Richtung. Ein kurzes Zwinkern in meine Richtung, so dass ich lächeln musste.
Ich hing meine Hände in das Metallgitter vor uns ein.
Die Reiter stellten sich in einer Reihe auf, während der Ansager aus seiner Kabine raustrat, in der linken Hand einen schwarzen Cowboyhut, in der rechten ein Mikrofon.
"Wie immer, das Verteilen der Bullen.", sagte er diesmal ruhiger, während er zum ersten der Reihe marschierte. Ich sah wie Connor die Luft einzog.
Bull-Riding hatte sehr viel mit Können zu tun, allerdings genauso viel wie mit Glück. Vor jedem Wettkampf wurde per Los einer der Bullen zugeteilt, die für das Turnier, in diesem Fall die Landesmeisterschaft, ausgesucht wurden. Zog man einen ruhigen, langsamen Bullen war das Aufsteigen in der Rangliste so gut wie garantiert. Zog man allerdings einen schnellen, wilden Bullen, der alles daran setzte den Reiter herunter zu schmeißen, war im Ernstfall, sogar das Leben der Reiter in Gefahr.
Für die Landesmeisterschaft dieses Jahr wurden möglichst gleich starke Bullen ausgewählt, um das Turnier für jeden Teilnehmer fair zu gestalten. Trotzdem gab es einen Bullen, der dafür bekannt war, seine Reiter gnadenlos abzuwerfen und sie nicht nur leicht zu verletzten.
Sein Name war Ban.
Die Reihenfolge, in der die Reiter ziehen konnten, wurde ebenfalls ausgelost, allerdings meist vor dem Wettkampf. Connor war dieses Mal der vorletzte.
Bei jedem Los, das geöffnet wurde, grölte der Ansager den Namen des Bullen und dessen Erfolgsgeschichte ins Mikrofon woraufhin die Menge aufgekratzt jubelte.
Je näher er Connor kam, desto nervöser würde ich, den Ban wurde noch nicht gezogen.
Schließlich stand er vor ihm. Ich sah wie sich sein Unterkiefer anspannte, als er seine Hand in den Hut steckte, den ihm der Ansager hin hielt. Als er den Zettel öffnete, sah ich wie alle Luft aus seinem Körper entwich.
"Ohhhhh, da hat jemand aber nochmal Glück gehabt, es ist Don!", schrie der Ansager. In diesem Moment wich alle Farbe aus dem Gesicht seines Nachbarn. Er hatte Ban abbekommen.
"Don ist ein Lieber, die letzten 4 Ritte die er bestritt wurde er leider bezwungen, davor hatte er eine Reihe von nur 3 Siegen!", fuhr der Ansager fort.
Ich entspannte mich. Connor war sehr gut, er würde sicher gewinnen.
Danach zog Connors Nebenmann den letzten Zettel aus dem Hut. Seine Hand zitterte sichtlich.
Natürlich zog er Ban.
Ich hatte wirklich Mitleid mit dem Kerl, er war ein Neuling, zumindest hatte ich ihn noch nie bei einem Wettkampf gesehen, und gleich bekam er einen Bullen mit einer Siegesserie von 87, vor dem selbst die erfahrensten Reiter erschauderten.
Allerdings war ich heilfroh, dass Connor diesmal verschont geblieben war.
Nun verließen die Reiter die Manege, das Licht wurde wieder heller und auch die Lautstärke hob sich wieder.
"Connor hat diesmal richtig Glück gehabt.", sagte Will abwesend. Bei diesem Part des Bull-Ridings, an dem jeder normale Zuschauer komplett ausrastete, waren wir immer etwas angespannt.
"Ach was, ich bin sicher er hätte auch Ban besiegt. Er ist der beste!", sagte Charlie zuversichtlich. Ich warf ihr einen Blick zu, während ich lachte.
Charlie und Connor waren schon ewig beste Freunde. Schon seit der 8. Klasse, um genau zu sein. Wir alle, ich eingeschlossen, rieten ihr damals von dem 3 Jahre älteren Jungen ab, aber es stellte sich heraus, dass Charlie gar keine romantischen Gefühle für ihn hegte. Stattdessen wurden die beiden enge Freunde.
Ich muss zugeben, ich dachte damals, es würde nicht lange halten. Charlie hatte viele männliche Bekanntschaften, allerdings hielten ihre Beziehungen meist nicht einmal zwei Wochen. Immer mal wieder schleppte sie einen neuen Typen an, jedesmal unglaublich verliebt in ihn. Allerdings waren diese Typen meist immer nur an dem einen interessiert, doch Charlie schien das nicht zu stören. Im Gegenteil. Ihr letzter Freund war ein notgeiler, frühreifer Senior unserer Schule gewesen, der nicht mal besonders gut aussah, aber nach einigen Wochen das Interesse an ihr verlor. Als die beiden sich auf einen Milkshake im Rocky's trafen, bekam er plötzlich eine Nachricht von einem Mädchen aus seiner Stufe und natürlich lies er Charlie für sie sitzen. Charlie war so außer sich, dass sie ihren Milkshake über ihm ausleerte und ihm ihren Schuh an den Kopf warf, so dass natürlich jeder, der zu diesem Zeitpunkt im Rocky's war, die Szene mit ansehen durfte. Was unglücklicherweise sehr viele aus unserer Schule waren. Zum Glück hatte Charlies gutes Verhältnis zu Rebekkah sie vor einem Hausverbot bewahrt.
Aber bei Connor war es anders. Er blieb, Woche für Woche, in ihrem Leben, so dass wir uns irgendwann bereit erklärten, ihn mal kennenzulernen. Zum Glück. Denn aus dieser, anfänglich etwas schwierigen Beziehung entwickelte sich ein guter Freund für uns alle. Und für mich sogar ein bisschen mehr.
Plötzlich wurde ich von erneuten Sirenen aus meinen Gedanken gerissen. Der Wettkampf ging weiter.
In der Zwischenzeit, wurden die ersten fünf Bullen in die Startboxen gelassen. Die Reiter saßen auf einer Empore darüber und wurden von ihren Coachs massiert und mit Ratschlägen zugetextet.
Als der Ansager den ersten Bull plus Reiter nannte, stand letzteres auf. Er war ein Monster, so muskulös war er. Daniel Bane, der Favorit der Landesmeisterschaften.
Sein Bulle war ein schwarz-weiß getigertes Tier, das wild schnaubte und energisch mit den Füßen scharrte, als es das Geschirr angelegt bekam.
Bane sah nicht auf, als er sich auf dem Tier platzierte. Seine Muskeln waren angespannt, aber in seinem Gesicht thronte ein siegessicheres Lächeln.
Das Signal ertönte, die Tür zur Startbox schwang auf und der Bulle fing an zu buckeln. Die Menge pfiff und johlte, Bane hatte viele Anhänger. Mit Leichtigkeit überstand er die acht Sekunden, bevor er elegant von dem, immer noch buckelnden, Tier herunter sprang und somit den Rodeoclowns das Zeichen gab, den Bullen zurück in die Box zu treiben.
Zufrieden hob er die Hände und genoss den Applaus, den er bekam, als der Ansager anfing zu sprechen.
"Der erste Teilnehmer unseres Turniers, bezwingt gekonnt den Bullen Driller und holt sich damit 8,9 Punkte! Da er der erste Reiter für heute ist, ist er natürlich auf Platz 1 der Rangliste!", jubelte er.
Bane ging, zufrieden mit seiner Leistung, vom Platz. Die weiteren Ritte zogen sich in die Länge, ein paar wurden abgeworfen, ein paar meisterten ihren Ritt aber auch überraschend gut.
Schließlich war Connor an der Reihe. Er saß schon eine ganze Weile auf der Empore und beobachtete die drei Ritte vor ihm, die allesamt in einer Niederlage für die Reiter endeten. Sein Blick war emotionslos.
Als der Ansager seinen Namen ertönen lies, stand er auf und fuhr sich nervös durch die Haare. Auch wenn sein Bulle eigentlich relativ ruhig war, es war immer noch ein vor Kraft trotzender, wütender Bulle, der dir, wenn er wollte, jeden Knochen brechen konnte.
Connor stieg gekonnt auf den Rücken des Tieres, das nur ein wenig schnaubte, was mich beruhigte. Er sah auf.
Er sah zu uns rüber, schwenkte seinen Blick einmal von links nach rechts, bevor er an mir hängen blieb. Er biss sich auf die Unterlippe. Ich lächelte ihm aufmunternd zu.
In diesem Moment ertönte das Signal und die Tür zur Startbox öffnete sich.

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Little AlabamaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt