Kapitel13

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Zu verlockend wirkte das Kurzschwert mit seiner minimal gebogenen, blitzenden Klinge und dem prächtig verzierten Schaft. Seit Tagen lag Lucifer auf dem Bauch, das Gesicht von der Tür abgewendet, wie in einem Fiebertraum auf das Schwert an der Wand fixiert. Er wusste, er befand sich in Amons Räumlichkeiten, in die er vorher niemals Zutritt erhalten hätte. Aber inzwischen schien sein neuer Geliebter Schuldgefühle entwickelt zu haben.

Lucifer warf ihm nicht vor, für all das verantwortlich zu sein. Ein leises Seufzen kam über seine Lippen. Er hatte seine Chance zur Flucht gehabt und nicht ausreichend genutzt. Was war er nur für ein Engel...

Allmählich ließen die Schmerzmittel nach und das dumpfe Pochen und Stechen seiner Schulterblätter meldete sich mit unerbittlicher Härte zurück. Seine Sicht verschwamm ein wenig, klärte sich aber schnell wieder. Die Ohnmachtsanfälle wurden seltener. Sein Blick blieb jedoch auf das Schwert fokussiert, die tödliche Klinge aus Stahl, der in den Feuern der Hölle gebrannt worden war, wie Amon ihm erklärt hatte, nachdem er gemerkt hatte, wie fixiert Lucifer darauf war.

Eine Waffe, um einen Dämon zu töten... oder einen Engel.

Lucifer fühlte sich den Engeln nicht mehr zugehörig. Mit einem Gefühl der Leere war er erwacht und was er auch dagegen zu unternehmen versucht hatte, es wollte nicht weichen. Er war heimatlos, ohne Halt Satan ausgeliefert.

Manchmal hörte er Amon eintreten, doch der Dämon sprach nicht mehr mit ihm. Vielleicht hatte er Schuldgefühle, vielleicht verachtete er Lucifer auch einfach dafür, dass er nicht aufstand und weiterhin Widerstand leistete. Doch ohne seine Flügel fühlte er sich dazu nicht länger in der Lage. Sie waren das Einzige, was er Satan voraus gehabt hatte: fliegen zu können und sich als Engel des Herrn ausweisen zu können.

Ein Träne fand ihren Weg über Lucifers Wange und tropfte auf das Bett, das er seit einer gefühlten Ewigkeit nicht mehr verlassen hatte. Er war am Ende.

Ein einziger Gedanke beherrschte seine Wachträume: an das Schwert zu kommen und sich endlich aus dieser Situation zu befreien, doch seine Arme wollten ihm nicht gehorchen.

Leona kam und ging, verzweifelte bei dem Versuch, ihn zum Essen oder Schlafen bringen zu wollen. Schließlich beschränkte sie sich darauf, seine Schmerzen künstlich zu lindern. Lucifer wusste nicht einmal, ob er ihr dafür dankbar sein sollte, denn so hatte er nicht einmal das Gefühl, im Sterben zu liegen.

Anfangs hatte er sich gedanklich dafür gescholten, alles so zu dramatisieren, bis sämtlicher Lebenswille und -kraft aus ihm gewichen war, und er einsehen musste, dass Sterben ein langwieriger Prozess sein konnte. Innerlich war er tot, äußerlich nur noch eine langsam schwächer werdende Hülle.

Mühsam setzte er sich auf, den Blick weiterhin auf das Kurzschwert fixiert. Wie in Trance streckte er die Hand danach aus, schloss die Finger um den kühlen Schaft und hob es aus der Halterung. Es lag gut in der Hand und ließe sich sicher mit einer unglaublichen Geschwindigkeit führen, wenn man sich einmal daran gewöhnt hatte, mehr zu schlagen als zuzustechen.

Er setzte sich wieder auf die Bettkante, während sein Rücken sich in siedendes Öl zu verwandeln schien, so sehr brannten die beiden Wunden. Sein schief geheiltes Bein schmerzte von der Überanstrengung einige Tage zuvor auf der missglückten Flucht.

Behutsam setzte Lucifer die Schwertspitze an seine Brust, den Griff mit beiden Händen umfassend. Er spürte, wie sein Herzschlag sich beruhigte. Die einzige Freiheit, die er noch hatte, lag im Tod. Satan hatte gesagt, er würde ihn nicht ohne Erlaubnis sterben lassen. Das würden sie noch sehen!

Lucifer rammte die Klinge durch seine Brust.

Etwas berührte sein Bein, schmiegte sich kühl und doch wärmend zugleich an seine Haut und wand sich weiter hinauf, bis es seinen ganzen Körper umschloss. Lucifer konnte selbst mit weit aufgerissenen Augen nur Dunkelheit erkennen. Sein Körper befand sich in einer Starre, die er nicht durchbrechen konnte.

LUCIFER - HöllensturzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt