Kapitel 15

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Ohne Furcht trat Lucifer an diesem Tag vor Satan. Er wusste nicht, ob er den Abend erleben würde, oder ob er überhaupt eine Chance gegen den Höllenkönig hatte, doch er war wild entschlossen, es heute enden zu lassen. Alles oder nichts.

„O-ho, unser kleiner Engel probt den Aufstand", grinste Satan ihm entgegen und erhob sich aus seinem Thron, um mit lässig gezücktem Schwert auf Lucifer zuzuschlendern. Die beiden Männer blickten einander in die Augen, einer voller Hass, der andere voller Verachtung.

„Ein hübsches kleines Schwert hast du da. Wer hat es dir gegeben?"

Lucifer ließ sich nicht auf die Provokation ein. Er nahm eine gerade Haltung an, wie er es beim Militär gelernt hatte, und zwang sich, ein absolut unbewegtes Gesicht aufrechtzuerhalten. Satan hatte nicht mehr nach ihm geschickt, heute trat Lucifer ihm aus freien Stücken gegenüber. Den Dämon schien das nur noch mehr zu reizen.

„Hat es dir nicht gereicht, wie ein Suppenhuhn gerupft zu werden?", rief er hämisch. „Willst du lieber so aussehen wie Leona, unsere Einarmige? Vielleicht wirst du ja gefügiger, sobald dir ein paar Extremitäten fehlen."

Ganz langsam zog Lucifer das Schwert, wog es leicht in der Hand und nahm dann Haltung für ein Duell ein.

„Ich fordere Euch heraus!", verkündete er laut und klar, sodass es im Saal widerhallte. In den dunklen Ecken erklang unruhiges Geflüster, das ihn erst bewusst werden ließ, wie viele Dämonen seine Demütigungen tagtäglich miterlebt hatten.

Satan brach in schallendes Gelächter aus, klopfte sich demonstrativ auf die Schenkel vor Lachen und wischte sich dann eine imaginäre Träne aus dem Augenwinkel. Lucifers Wangen brannten vor Scham, wie sehr dieses Monster himmlische und engelhafte Traditionen verspottete.

„Du forderst mich also heraus, kleiner Engel. Und was soll ich jetzt tun?"

Kurzentschlossen entschied Lucifer, die hehren Regeln eines Duells zu missachten, machte einen schnellen Ausfallschritt und durchstieß mit der Schwertklinge Satans Gewand und den darunterliegenden Harnisch, sodass das Kurzschwert in den Bauch des Höllenkönigs drang. Einen Wutschrei ließ Lucifer zusammenfahren und im nächsten Moment sah er sich Auge in Auge mit einem rasenden Dämon, der ihn ohne Mühe hochhob und zu Boden schmetterte.

Hastig rollte Lucifer sich zur Seite, um dem Hieb des Gegners zu entgehen. Seine Finger umklammerten den Griff des Kurzschwertes, das vor dunkelrotem Blut glänzte. Er kam wieder auf die Beine, holte erneut aus und schlug eine Wunde in Satans Arm, der endlich zu begreifen schien, dass Lucifer für einen ernsthaften Kampf gekommen war.

Mit glühenden Augen wich er zurück, streckte die rechte Hand aus und rief: „Kasdeya Elathan, ich rufe dich zum Kampf!"

Aus dem Nichts formte sich ein Kurzschwert in seiner Hand mit einer schwarzen, reich verzierten Klinge. Wie von selbst schien sie sich zu bewegen, wobei sie Satans Hand lediglich mitzog. Ein Schauer von gezielten Hieben prasselte auf Lucifer ein, denen er nur mit knapper Not entgehen konnte. Sein Handgelenk schmerzte von der Wucht der Schläge, die er hatte abfangen müssen.

Kasdeya Elathan – Amons Schwertform, wie er von Leona erfahren hatte.

Lucifer tänzelte rückwärts und spürte, wie seine frühere Behändigkeit zurückkehrte. Ob er diesen Erfolg Liliths Beistand oder seinen jahrelang antrainierten Fähigkeiten im Zweikampf zu verdanken hatte, wusste er nicht, aber es spielte in diesem Moment auch keine Rolle.

Er ließ das Schwert nicht aus den Augen, um auf jeden Angriff vorbereitet zu sein. Als es nur locker in Satans Hand hing, wagte Lucifer einen Ausfall, der jedoch sofort geblockt und mit einem Konter, der den gefallenen Engel beinahe den Arm kostete, geahndet wurde. Schweißtropfen liefen ihm vor Anstrengung und Konzentration über die Stirn, seine Schläfe hinab, von wo aus sie zu Boden tropften.

Erneut erklang Satans dröhnendes Lachen, doch diesmal wurde es von einem Laut überdeckt, der erst unterschwellig Lucifers Bewusstsein streifte, dann jedoch das gesamte Anwesen auszufüllen schien: Vanths Schreie.

Während der Dunkelfolter hatte Lucifer sie völlig vergessen, da sie sich still verhalten hatte, doch nun brüllte die hohe Mädchenstimme mit aller Kraft, bis der gefallene Engel fürchtete, die Wände könnten zu schwanken beginnen. Satan stieß ein ärgerliches Knurren aus, dann ging er erneut auf Lucifer los, der in die Defensive gedrängt wurde.

Seine Muskeln brannten von der Anstrengung nach der Zwangspause, sodass jeder Hieb zur Qual wurde. Schwer atmend ließ Lucifer sich rückwärts drängen. Seine Ausbildung hatte ihn gelehrt, selbst in schwierigen Situationen nicht in Panik zu geraten, doch angesichts seiner so deutlichen Unterlegenheit kämpfte er mit blanker Todesangst.

Vanths Schreie überlagerten sein Keuchen und das Klirren der Waffen, wenn Stahl auf Stahl traf. Immer weiter entfernten sich die Kämpfenden von dem Thron, wo ihr Duell begonnen hatte, bis Lucifer rückwärts gegen die Wand stieß. Augenblicklich fuhr ein stechender Schmerz durch die beiden Flügelwunden und raubte ihm mehrere Sekunden lang die Sicht.

Kasdeya Elathan durchbrach erstmals seine Abwehr und grub sich in Lucifers Schulter, wo es stecken blieb. Satan grinste triumphierend, als er mit der anderen, klauenbewehrten Hand ausholte.

Amon hatte den Kampf schweigend aus einer Ecke des Saals beobachtet, während sein Blut vor Kampfeslust zu kochen schien. Jeden Hieb Satans Schwertes spürte er im eigenen Körper und der wilde Kampfestanz versetzte ihn in Trance. Er musste sich an Leona festhalten, um ihm Rausch des Kampfes nicht zu stürzen.

Sein Blick trübte sich zunehmend, während er tiefer im Kampfgeschehen versank. Ein atemberaubendes Gefühl!

Ohne hinsehen zu müssen verstand Amon, was in dem Duell vor sich ging, der verzweifelte Kampf auf Leben und Tod. Seine Klauen gruben sich in seine Handballen, als er versuchte, nicht abzudriften, doch der Kampf hielt ihn gefangen. In einem ekstatischen Stöhnen sank er zu Boden, während die Schwerter aufeinanderprallten.

Nur am Rande nahm er wahr, wie Leona ihn festhielt und mit ihrer verbliebenen Hand sanft streichelte. Sie war noch immer die Mutter eines Sohnes, dessen Körper Amon ungefragt besetzte. Solange er in dieser Gestalt verblieb, gehörte seine Macht und auch er selbst uneingeschränkt Satan.

Als die Klinge in Lucifers Schulter drang, breitete sich in Amons Mund der Geschmack von Blut aus. Keuchend riss er die Augen auf und versuchte, sich an der Wirklichkeit festzuhalten.

„L-leona!", brachte er keuchend hervor. „Lucifer schafft es nicht."

Besorgt beobachtete die Dämonin den Lauf des Kampfes.

„Nein... Satan wird den Lichtbringer töten und er wird unterliegen wie so viele vor ihm..."

Mit aller Kraft kämpfte sich Amon in eine sitzende Position. Sein Blut wallte noch immer vom Rausch des Kampfes, doch viel mehr spürte er die Angst um diesen tapferen kleinen Engel, der sich niemals unterkriegen ließ. Er war ein Opfer wert.

„Leona." Er legte eine Hand an ihre Wange und drehte ihr Gesicht zu sich. „Ich danke dir für alles, was du als Mutter für diesen Körper und für mich getan hast. Du verdienst ein besseres Dasein als dieses hier."

Er nahm sich nicht die Zeit, das Entsetzen in ihren Augen zu beobachten, als ihr klar wurde, was Amon im Sinn hatte. Der Dämon sprang auf, rannte so schnell er konnte durch den Saal und warf sich von hinten gegen Satan, der dadurch aus dem Gleichgewicht geriet und stolperte.

Noch einmal fing Amon Lucifers Blick auf, bevor er dessen Klinge ergriff und sie sich selbst ohne zu zögern durch den Hals rammte. Er hörte den Engel seinen Namen schreien, dann spürte er, wie sein Geist sich löste und den sterbenden Körper verließ.


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LUCIFER - HöllensturzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt