8. Ivana

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Stocksteif stand ich vor ihm.

Leider musste ich zugeben, dass Ikarus nicht gelogen hatte. Er meinte zwar, dass sein Zwillingsbruder der jenige war, der gut aussah. Aber dieser Bruder hier, sah vermutlich in jedermanns Augen aus wie ein Gott. Mich wunderte es bloß, dass seine Mutter ihn nicht gleich Adonis genannt hatte.

Der junge Mann vor mir war groß, stämmig gebaut und hatte einen schön geformten Oberkörper. Sein Sickpack war ausgeprägt und deutlich zu sehen, genau wie alle anderen Muskeln auch. Ich würde meinen, dass er schon Jahre lang in einem Fitnesscenter Mitglied war. Er hatte wie Ikarus dunkelbraune Haare, jedoch nicht wie er braune Augen. Seine Augen glänzten im Sonnenlicht und es sah aus, als wären sie bernsteinfarben. Hohe Wangenknochen machten sein Gesicht perfekt. Von diesem Blickwinkel aus könnte man meinen, dass der Junge vor mir die wahre Perfektion war. Vermutlich hatte er nicht einmal einen Knick am Ohr oder eine Narbe am Körper.

Ich wendete meinen Blick ab, da ich merkte wie ich in anstarrte. Aus den Augenwinkeln erkannte ich Ikarus trauriges Gesicht. Jetzt wusste ich, was er vorhin meinte, als er dachte, dass er im Gegensatz zu seinen Brüdern ein Loser sei.

"Ivana", sagte ich irgendwann. "Entschuldige für das Anstarren gerade eben, ich war recht erschrocken, als du plötzlich hinter mir aufgetaucht bist."

"Keine Sorge. Viele Mädchen kommen aus dem Starren nicht mehr heraus." Er lachte kurz und leider Gottes hatte er das schönste männliche Lachen, dass ich je gehört hatte. War alles an diesem Typen perfekt?

"Das will ich wohl hoffen, bei deinem Körper", rutschte es mir heraus und kurz darauf schlug ich mir meine Hand vor den Mund. Mein Gegenüber lachte.

"Es muss dir nicht peinlich sein", meinte er und schüttelte, wie es Ikarus vorhin getan hatte, seine nassen Haare aus.

"Wie es aussieht bist du dann wohl die feste Freundin meines Bruders."

"Eine Freundin", verbesserten Ilarus und ich gleichzeitig.

"Das klingt natürlich noch viel besser in meinen Ohren", schmunzelte er und legte sich auf sein Handtuch. "Ivana, würdest du mir vielleicht meinen Rücken eincremen?"

Wie in Trance wollte ich nicken, als mir Ikarus wieder in den Sinn kam.

Ich schüttelte den Kopf. "Nein danke. Ich gehe jetzt lieber mit meiner Schwester und deinem Bruder ins Schwimmbecken."

Ich lächelte Ikarus leicht an.

"Hört hört, mein Bruder schnappt sich das Mädchen, trotzdessen sie die Chance hatte mich zu berühren." Ares wirkte vergnügt, als es es sagte. Bevor er sich auf den Bauch drehte, zwinkerte er allerdings noch seinem Bruder zu.

"Wollen wir?", riss mich Ikarus aus meinen Gedanken und ich nickte. Rebekah, die bis eben Wassermelone gegessen hatte, klappte den Deckel der Dose zu und rannte sofort auf das Becken zu.

"Renn nicht so schnell! Sonst rutschst du noch aus", schrie ich ihr hinterher, doch sie sprang schon in das Wasserbecken. Sorgen musste ich mir gerade keine machen, da sie ausgezeichnet schwimmen konnte. Dean und ich hatten es ihr schon beigebracht, bevor sie richtig laufen konnte.

Bevor jedoch auch Ikarus und ich ins Wasser gingen, hielt ich ihn auf.

"Warte."

"Was ist?"

"Ich wollte mich entschuldigen, wegen gerade eben."

"Ich weiß, was für eine Wirkung er auf Mädchen hat. Du kannst nichts dafür."

"Doch kann ich. Ja, zugegeben. Dein Bruder sieht einfach göttlich aus, aber ich könnte niemals mit jemandem zusammen sein, geschweigedenn lieben, der einfach perfekt ist. Ich würde mich niemals wohlfühlen können. Ich würde immer wissen, dass ich nie so perfekt sein könnte wie er. Also mach dir keine Sorgen. Bei deinem Bruder ist also Grenzzone bei mir." Ich lächelte ihn an und konnte ihm glücklicherweise ein kleines Lächeln entlocken. Ich erwischte mich dabei, wie ich ihn und seinen Bruder dabei verglich. Jedoch wollte ich viel lieber sein Lächeln öfter sehen, als das von Ares. Es war einfach ehrlicher, freundlicher und normaler.

"Irgendwie freut es mich sogar, dass zu hören."

"Das sollte es auch. Ich habe dir immerhin gerade versprochen, dass ich mich niemals in deinen äußerst gutaussehenden großen Bruder verlieben werde, da ich lieber dich als guten Freund behalten möchte."

Jetzt fing er an zu grinsen. "Danke. Du weißt gar nicht, wie viel es mir bedeutet, dass jemand einmal mich meinen Brüdern vorzieht."

"Ikarus! Ikarus! Da bist du ja wieder. Wo warst du so lange? Wir wollten doch zusammen vom Einser-Turm springen." Ein kleiner Junge unterbrach uns und packte Ikarus an der Badehose.

"Eros, lass los. Du ziehst mir noch die Badehose runter."

Er ließ los. "Dann geh mit mir springen. Kreon ist weg gegangen."

"Was meinst du mit weg gegangen?"

Eros drehte sich um und streckte seine kleinen Finger aus. "Dahinten."

Mein Blick folgte seinen kleinen Fingern und ich entdeckte einen großen Jungen, flirtend mit einer blonden Schönheit.

"Das ist ja mal wieder typisch", seufzte Ikarus. "Ach, bevor ich es vergesse. Eros, das hier ist eine gute Freundin von mir. Sie heißt Ivana."

"Hallo Ivana", begrüßte mich der kleine Junge. "Ich bin Eros."

"Freut mich dich kennen zulernen."

"Mich auch." Er lächelte mich an. Er hatte leichte Ähnlichkeiten mit Ikarus, jedoch viel mehr mit seinem ältesten Bruder.

"Ikarus, wie wäre es, wenn du dich ein bisschen um deinen kleinen Bruder kümmerst, dann kann ich ein bisschen nach Rebekah ausschau halten. Wir treffen uns dann einfach gleich wieder", schlug ich vor und sofort nickte er.

Mit Eros lief er davon, während ich meine Schwester suchte. Ich fand sie tauchend am Beckenrand.

Nach gefühlten Ewigkeiten gingen Rebekah und ich aus dem Wasser, da sie anfing zu frieren. Bei den Handtüchern angekommen, stellte ich fest, dass Ikarus noch nicht da war, jedoch seine zwei anderen Brüder.

Als sie mich sahen, blickten sie sofort nach oben. Meine Wangen erhitzten sich, da ich mich irgendwie nackt unter ihren Blicken fühlte. Schnell schnappte ich mir ein Handtuch und band es um meinen Körper.

"Kreon, das ist Ivana. Die Freundin unseres Bruders."

"Eine Freundin", verbesserte ich schnell.

Beide lachten sofort. Ich setzte mich hin und schnappte mir ein Stück Wassermelone. Ich versuchte die beiden nicht anzuschauen, aber ihre Blicke brannten förmlich auf meiner Haut.

"Was ist?", fragte ich also und drehte ausschließlich meinen Kopf in beider Richtungen.

Kreon und Ares schauten mich gespannt an. "Was?"

"Dürfen wir dich nicht anschauen?"

Ich schüttelte meinen Kopf. "Nein, weil ich mich dadurch unwohl fühle."

Beide lachten. "Ich denke ich spreche für uns beide, wenn ich sage, dass es uns leid tut, ein hübsches Mädchen wie dich, anzuschauen."

Ich drehte mich wieder zu meinen Wassermelonenstückchen um.

"Und wer ist deine hübsche Begleitung neben dir?"

Bevor ich irgendetwas machen konnte, sprang Rebekah schon auf und lief zu ihnen. Jedem von beiden streckte sie eine Hand hin. "Ich bin Rebekah. Deinen Namen habe ich vergessen." Sie zeigte auf Ares. "Und wer bist du?", fragte sie danach Kreon.

Die beiden Jungen mussten lachen und Ares zwinkerte mir zu. "Rebekah, komm wieder her und nerv die beiden nicht."

"Ach was, sie stört doch nicht. Also ich bin Ares und mein Bruder hier ist Kreon."

"Ihr habt aber auch wirklich seltsame Namen. Genau wie der Freund von Ivana", stellte sie fest und ich musste die Augen verdrehen. Ich hatte zwar nichts dagegen einzuweden, als die Freundin von Ikarus abgestempelt zu werden, zumal er wirklich gut aussah, aber falsche Tatsachen machten mir dann doch etwas aus.

"Das stimmt", meinte Kreon und zum ersten Mal heute, sah ich ihm ganz ins Gesicht.

■28.08.16■

Die Tochter des Bodyguards Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt