II. Ein ganz normaler Morgen

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Michael Jackson dröhnte aus dem Radio meines Fords. Greg Lestrade, DI des Londoner Yards, hatte mich schon um sechs Uhr früh geweckt. Eine Leiche, sie war vermutlich nicht der Durchschnitts- Mordfall, den man auf den Straßen Londons vorfand, er war ziemlich verstört gewesen. Ein leichtes Prickeln war von meiner Kopfhaut aus über meinen gesamten Körper gezogen, als ich seine Stimme gehört hatte.

Der Anblick, als ich am Tatort ankam, war derselbe wie immer. Ein paar Schaulustige, die an den Absperrbändern standen und versuchten, einen Blick auf die Leiche zu erhaschen. Meist handelte es sich um junge Leute, oder um ältere, die dann bei Gelegenheit die schönsten Geschichten daraus formten und sie fröhlich in der Menge verstreuten, und natürlich die Polizei, die mit Spurensuche begonnen hatte.

„Anderson, weg von der Leiche, die gehört mir.", knurrte ich und Philipp machte nicht den Fehler, stehen zu bleiben.

„Dir auch einen guten Morgen, da ist der Freak einmal nicht da und dann kommst du.", murrte er und zog ab.

Ich gebe zu, es war nicht besonders schön anzusehen. Vor mir lag eine Leiche, männlich, von gut zwanzig Jahren. Er war nackt und auf seinem Körper waren Muster eingeritzt, an seinem Hinterhaupt war eine Wunde, die auf Einwirkung durch einen stumpfen Gegenstad hindeutete.

„Was denkst du?", Greg war zu mir gekommen, seine Augen waren auf mich gerichtet und sein Gesicht war deutlich blasser als sonst.

„Er wurde erst mit etwas bewusstlos geschlagen, gestorben ist er aber an den Schnitten. Gibt es eine Tatwaffe?", routinemäßige Fragen, die mich fast langweilten, aber sie gehörten eben dazu.

„Nein, wir arbeiten dran", sagte Greg.

„Dann sollen sie nach einem Stein oder so suchen.", sagte ich.

„Oder so?", hinter mir hörte ich den Tenor meines Lieblingsdetektivs. Ich verzog das Gesicht.

„Morgen.", knurrte ich und wandte mich wieder dem Toten zu, John versuchte sich an einem Lächeln, doch mein Blick ließ es ihm auf den Lippen gefrieren. Es war nicht so, dass ich ihn nicht mochte, aber Sherlock machte mich eben wütend.

„Er wurde mit einem stumpfen Gegenstand niedergestreckt und dann langsam getötet.", Sherlock sprach mit Greg und scannte nebenbei die Umgebung: Fußabdrücke, Schleifspuren, Blut. Ihm schien nichts zu entgehen.

„Er wurde nicht hier getötet.", sagte ich zu John, der versuchte die Schnitte zu ordnen und ein Muster zu erkennen.

„Ja, sonst wäre hier wohl überall Blut und bestimmt hätte ihn jemand gehört.", gab ich zurück.

„Wie lange ist er tot?", Greg sah uns wieder an.

Ich sah John an und sagte dann, dass es nicht mehr als vier Stunden sein konnten. Der ehemalige Soldat stimmte mir zu.

„Was ist das?", John zeigte auf eine bestimmte Wunde und ich schreckte zurück. Ich kannte dieses Zeichen, aber es war unmöglich. Kreidebleich stand ich auf und steckte mir eine Zigarette an.

John folgte mir auf meinen Wink und ich begann flüsternd zu erklären.

„Hören Sie John, diese Wunde hat nichts zu bedeuten, Sie werden sie also nicht vor Sherlock oder Greg erwähnen, verstanden?", ich sah ihn eindringlich an und versuchte gefährlich zu klingen.

„Warum?" Typisch, er wollte natürlich wissen, worum es ging, und sein Blick suchte nach einer Antwort, aber ich würde sie ihm nicht geben. Doch sein Blick wurde immer drängender, also entschied ich mich für eine Halbwahrheit.

„Also gut, was wissen sie über den Voltar-Clan?" John sah mich fragend an.

„Sie sind gefährlich und mehr müssen Sie nicht wissen, ich werde in den Bericht einen Ritualmord schreiben und Sie werden Sherlock unter allen Umständen davon fernhalten, außer Sie wollen ihn bald genauso zugerichtet sehen, wie diese Leiche hier." John sah mich schockiert an, dann nickte er vorsichtig.

Als die Leiche vor mir lag, sah ich sie lange an, er war kein Mitglied des inneren Kreises gewesen, er hatte auch kein Tattoo, er konnte höchstens eine kleine Leuchte gewesen sein, ein Handlanger. Vielleicht einer, der seine Finger nicht von gut gehüteten Geheimnissen lassen konnte.

Scotland Yard ermittelte gegen einen kranken Massenmörder. Während ich die Leiche untersuchte, die Narbe ließ ich großzügig aus. Lieber wurde ich meinen Job los, als dass es noch mehr Leichen gab, und ich verspürte keinen Wunsch Greg, Sherlock oder gar John als Leiche im Park zu finden.

Über Wochen ging der Fall und es gab auch keinen weiteren. Langsam, wurden die Ermittler unruhig und die Massenmördertheorie geriet immer mehr ins Unglaubliche. Dann wurde ich wieder gerufen, wieder dasselbe Spiel. Als ich ankam hatte ich Sherlocks Blick gesehen. Einmal war es mir gelungen diese Narbe zu verstecken, ein zweites Mal würde es nicht klappen. Er hatte sie schon gesehen.

„Was ist das?", fragte er und kam näher. Ich musste meine Mauern festigen, wenn ich nicht wollte, dass er meine Gedanken ‚las'.

„Das Geritze eines Verrückten.", sagte ich trocken.

„Seien sie nicht albern, das wurde mit Absicht so gemacht, gab es das auch auf der anderen?", er sah mich durchdringend an. Jeder andere wäre unter diesem Blick gebrochen, ich ließ mir nichts anmerken, kontrollierte meine Mauern noch einmal, ehe ich ihm sagte, dass ich nichts gesehen hätte, John bestätigte, dass sie so etwas nicht gehabt hätte.

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The IcequeenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt