Die Vergangenheit besuchen

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Durch die Nacht schlich ich zu einem Anwesen mitten in der Stadt. Heute war Samstag, ich wusste, dass dort jemand sein würde, wenn auch nur ein paar Handlanger, aber sie würden meine Fragen beantworten. Ich ging den bekannten Weg, ab und zu hörte ich einen Wagen an mir vorbeirauschen. Ich zog den Mantel enger um meinen Körper, ich zog es vor, unerkannt zu bleiben und die vorweihnachtlichen Temperaturen, die schon von Schnee erzählten, ließen mich frösteln. Ich hatte nächtelang über nichts anderes als diese verdammten Morde nachgedacht. Nur zu gerne hätte ich die Male einfach entfernt, aber Sherlock ließ nicht locker und er würde es auch nicht tun, bis er eine Antwort bekam. Vielleicht war es Mitleid, vielleicht, aber auch Angst um meinen eigenen Kopf. Ich konnte nicht wissen, was passiert, wenn man erfährt, wer der Voltar- Clan war, ich wollte es auch nicht wissen und trotzdem wollte ich Antworten.

Das Haus war groß, mit der Zeit war aus der kleinen Bruchbude eine große Villa geworden, ganz in weiß gestrichen, erhob sie sich vor mir. Entschlossen klopfte ich und ein junger Mann Mitte zwanzig in schickem und sicher auch teurem Anzug öffnete mir.

„Guten Abend.", sagte ich höflich, aber trotzdem kalt und distanziert.

„Sie wünschen?", fragte er.

„Ich will die Sänger sehen.", sagte ich trocken.

„Und wen darf ich melden?"; ich konnte sehen wie eine seiner Hände an das Halfter mit der Pistole ging, jederzeit bereit mich zu töten, wenn ich noch einen falschen Schritt mache.

„Lionel, wer ist da?", die melodische Stimme eines Mannes erklang, die ich nur zu gut kannte.

„Ein junge Dame.", antwortete er. Der andere kam näher und schließlich trat er auch in den hell erleuchteten Eingangsbereich. Vor mir stand Emil Voltar, der Kopf des Clans.

„Gracia, dich zu sehen ist eine Ehre für mich. Lionel lass unseren Gast herein und bring ihn in den Salon.", sagte er und lächelte mich direkt an. Er hatte Angst. Sie alle hatten Angst vor mir, auch Lionel hatte den Kopf noch mehr eingezogen und brachte mich, kriechend wie ein Wurm, in den Salon.

Der Raum hatte sich nicht verändert. Die Möbel waren immer noch dieselben, sie waren alt, teilweise fast antik, die Sitzgruppe aus der Klassik war nicht einmal bewegt worden. Ich musste lächeln, selbst der Kronleuchter war noch genauso schön wie damals. Dieser Raum war meine Idee gewesen. Am Anfang, als das Haus noch nicht mehr als eine Bruchbude war, hatten wir diesen einen Raum so prunkvoll eingerichtet, dass man meinen könnte, wir wären der reichste Verein des Landes, auch wenn wir nicht ein Pfund hatten. Ein geschickter Trick um unsere Gäste zu empfangen.

Eine Weile blieb ich alleine, dann wurde die Türe wieder geöffnet und dieses Mal waren es drei Männer. Igor, Emil und Marcus Voltar. Sie verneigten sich kurz, ehe wir uns auf die teure Sitzgruppe setzten.

„Was wünscht Ihr, Gracia?", fragte Emil. Ich mochte die Unterwürfigkeit in seiner Stimme.

Ich beschloss, die Sache direkt auf den Punkt zu bringen. „Was bedeuten diese Morde?"

„Ihr meint die zwei Männer?", Marcus sah mich an.

„Wen sollte ich sonst meinen, oder gibt es noch mehr Leichen. die im Park versteckt sind?", knurrte ich. Marcus und Emil zuckten unter meinem scharfen Ton.

„Sie drohten uns zu verraten, wir mussten sie töten.", sagte Viktor und versuchte trotzig zu klingen.

„Und es war notwendig sie zu foltern? Und sie in den Park zu legen?", fragte ich kalt und sah einen nach dem anderen an.

„Es sollte eine Warnung sein, aber es wird aufhören. Señora Gracia." Die Stimme des Mannes zitterte vor Angst, ich verzog spöttisch den Mund. Wie Würmer.

„Was nützt mir das, wenn euch Scotland Yard auf den Fersen ist?"

„Aber Ihr wisst doch, wie lange die für solche Fälle brauchen.", meinte Marcus altklug.

„Sherlock Holmes braucht dafür, aber nicht lange, und wenn er etwas davon erfährt, wenn jemand erfährt, wie ich in diese Geschichte verwickelt bin, dann bin ich tot.". schrie ich, und ich konnte hören wie in der Küche ein Tablett fallen gelassen wurde.

„Dann schaffen wir ihn eben aus dem Weg.", meinte Viktor mit einer solchen Kälte, die mir trotz allem das Blut in den Adern gefrieren ließ.

„Bist du nicht mehr bei Trost? Keiner von ihnen wird angefasst, das ist ein Befehl und wehe, ich erfahre etwas anderes." Meine Stimme war gefährlich leise geworden.

„Gut, wir werden Sherlock Holmes und diesen Arzt in Frieden lassen.", meinte Marcus.

„Und Greg Lestrade.", sagte ich scharf, „keiner von Scotland Yard, habt ihr das verstanden?", synchrones Nicken.

Ich ging nach Hause, dort wusch ich erst einmal den Gestank von meiner Haut. Ich wusste, dass ich nicht mehr schlafen können würde, jetzt war die Erinnerung wieder da. Ich will ehrlich sein, ich bin keine Verbrecherin, aber ich habe gesündigt. Auch wenn ich mich nicht vor dem Recht fürchten musste, so durfte unter keinen Umständen jemand etwas erfahren. In diesen Momenten war ich froh, dass ich dem Clan nicht mehr angehörte.

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The IcequeenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt