John - Kapitel 5

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Das gefühlt einzige Hormon, dass sich in diesem Moment in meinem Körper tummelte war Adrenalin, als ich heute Abend, kurz vor meinem ersten Auftritt hier in Norwegen, in einer kleinen Bar stand.
Ich hatte jetzt nicht unbedingt Lampenfieber, aber etwas Aufregung gehörte wohl oder übel dazu. In den letzten Wochen, die ich hier verbracht hatte, war so einiges passiert. Die Studien hatten begonnen, die Möbel und alle meine Gitarren waren gekommen, sodass ich und Skylar inzwischen in einer komplett möblierten Wohnung leben konnten. So einige Abende hatte ich zwar nicht unbedingt zuhause verbracht, aber andere wiederum mit Besuch, nachdem ich irgendwo einen oder mehrere trinken war. Oslo hat echt gute Bars, vor allem in der Innenstadt, und diese Möglichkeit habe ich so ein paar Mal ausgenutzt. Meine Vorlesungen fanden großteils nachmittags statt, was mir nur zugutekam, falls ich Damenbesuch hatte.
Jedenfalls war jetzt mein erster „großer Moment" gekommen und ich stand kurz davor mein erstes Konzert zu geben. Hinter der Bühne war es stickig und alles war in schummriges Licht einer Glühbirne, die von ihrem Schirm allein gelassen von der Decke baumelte.
Ich atmete noch einmal tief durch und begann erst mich und danach meine Gitarre einzustimmen. Ich würde heute Abend nur unplugged spielen, da es in so einer mickrigen Bar nicht viele andere Möglichkeiten gab, und vor allem nichts Anderes in das Setting passte. Draußen begann eine Stimme zu sprechen und mich für diesen Abend anzukündigen, ich atmete noch einmal tief durch und versuchte so viel Anspannung wie möglich von mir abstreifen zu können. Da war auch schon mein Applaus, der mich anleiten sollte mir endlich meinen Weg auf die Bühne zu bahnen, und genau das tat ich auch. Ich schnappte mir meine Gitarre und ging hinaus. Alles, was ich wahrnahm, als ich meinen Blick zum ersten Mal durch das Lokal schweifen ließ, war, dass es doch eine Spur mehr Leute waren, als ich eigentlich erwartet hatte. Immer wenn meine Band und ich in Amerika aufgetreten waren, waren die Pubs nicht einmal halb voll gewesen, da eine neue Indie Band einfach keinen Menschen interessierte. Hier war anscheinend alles anders. Meine erste Show in Oslo war nämlich direkt größer als alle anderen, die ich bis jetzt gespielt hatte.
Als ich zum zweiten Mal meinen Blick über das Publikum schweifen ließ, bemerkte ich einen absolut unerwarteten Gast. Skylar war hier. Was zur Hölle machte Sky hier? Sie ist alles andere als ein Mädchen, das man spätabends in einer Bar erwarten würde. Meine Mitbewohnerin sah ziemlich fertig und unbeholfen aus, das Mädchen neben ihr dagegen schien definitiv mehr Spaß zu haben, mit Alkohol und Allem was dazugehört. Am liebsten würde ich im Moment einfach kleinbei geben und das Konzert abblasen, aber dafür war es jetzt zu spät. Also begann ich einfach mal munter drauf los zu sprechen und stellte mich erstmal vor, wünschte den Leuten einen schönen Abend und nannte dann das erste Lied, ehe ich begann zu spielen. Nachdem die ersten Takte verklungen waren, spürte ich förmlich wie immer mehr von meiner Anspannung meinen Körper verlies. Die Musik entspannte mich schon immer, und gab mir Halt. Meine Stimme zitterte immer weniger und weniger und ich kam immer mehr zur Ruhe. Musik ist schon etwas Schönes. Meine Rettung in dunklen Zeiten. So sollte ich also den Abend verbringen, ein Lied nach dem anderen spielen und dazwischen hin und wieder einen Schwank aus meiner vergangenen Zeit in Amerika erzählen. Als ich jedoch ungefähr zwei Drittel meines Auftritts durch hatte, war es mit Skylars Freundin komplett vorbei. Sie war total am Durchdrehen, auf den ersten Blick sturzbetrunken und machte sich gerade an drei Jungs gleichzeitig heran. Sky sah ganz schön überfordert aus. Irgendwie war es amüsant den beiden so zuzusehen, aber als ich den Gesichtsausdruck meiner Mitbewohnerin genauer unter die Lupe nahm, war sie ziemlich verzweifelt. Ich konnte sie doch nicht einfach so alleine lassen, Sky hat doch bestimmt in ihrem Leben noch nicht einmal Alkohol gerochen, geschweige denn mit Betrunkenen zu tun gehabt. Ich konnte sie doch nicht einfach so alleine lassen. Eine andere Wahl ließ mir mein Gewissen nicht, also kündigte ich kurzerhand eine Pause an und verschwand hinter die Bühne, lief durch das Nebenzimmer zurück in das eigentliche Lokal und zu Skylar, ehe ich sie ein Stück beiseite zog. „Sky, zwei Fragen hätte ich. Erstens: Was zur Hölle machst du hier? Und zweitens: Kann es sein, dass du leicht überfordert mit dieser Lady hier bist?" Sie sah mich ziemlich entgeistert an, ich denke nicht, dass sie erwartet hatte, dass ich ihr zu Hilfe kommen würde.
„John! Ich ähm, naja, das ist so: Matilda hier wollte irgendwo entspannt den Abend verbringen und ich hatte keine Ahnung, dass sie eine Bar im Sinn hat. Ich meine, sie ist in meinem Studiengang. Jedenfalls hätte ich nie erwartet, dass dieser Abend so ausartet und jetzt hab ich eine besoffene Matilda an der Backe, mit der ich nicht umzugehen weiß." Sky sprach ziemlich schnell und mit leicht hysterischer Stimme, weshalb ich nur die Hälfte davon was sie sagte auch wirklich verstand. Aber ich konnte mir ohnehin ausmalen, was passiert war und so beschloss ich ihr zu Hilfe zu kommen.
„Also pass auf, weißt du wo sie wohnt?" meine Frage wurde von Sky mit einem Nicken beantwortet. „Na dann ist ja alles gut, Wir müssen sie nur hier raus bekommen, zur Not trage ich sie auch. Wir bringen sie nach Hause und ins Bett, wie ein Kleinkind. Du weißt nicht, wie oft ich das schon mit meinen Kumpels aus Amerika durchziehen musste. Also los, du hältst mir die Tür auf und ich nehme sie mit." Als ich einen ziemlich verunsicherten, misstrauischen Blick von Sky kassierte, hängte ich noch ein Augenzwinkern mit den Worten „Vertrau' mir." an und machte mich auf den Weg zu Matilda, die sichtlich ihren Spaß hatte. Nach einem kurzen Gespräch mit ihr, hatte ich sie so weit, dass sie mich gut genug kannte, um keine Panik zu bekommen, also schnappte ich sie mir und trug sie über die Schulter aus der Bar, anstelle zu zappeln kicherte Matilda aber nur.

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