John Kapitel 6

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Tja, das war ein äußerst interessanter Abend gewesen, das musste ich wohl oder übel zugeben. Ich

hatte ein Konzert gegeben, und abgeblasen, eine Betrunkene nachhause getragen und beinahe

meine Mitbewohnerin geküsst. Wichtig war hierbei das beinahe.

Jedenfalls war alles was ich noch wollte, als ich zuhause ankam unter die Dusche und ins Bett. Meine

Gitarre würde ich dann morgen holen, ich hatte im Moment alles andere als Lust darauf zurück zu

der Bar zu gehen und all mein Zeug dort abzuholen, und mich dann auch noch rechtfertigen zu

müssen, weil ich dort abgehauen bin.

Also ging ich ins Bad, zog mir meine Sachen aus und stellte mich unter die Dusche. Erleichterung. Das

warme Wasser rann über meine Haut und entspannte mich.

Was zur Hölle war heute alles passiert? Ich weiß nicht, ob Sky etwas von mir will. Ich meine, es hat

sich schon so angefühlt, aber man kann sich nie sicher sein. Ich seufzte tief und machte mich dann an

Haarshampoo und Duschgel.

Nach einer knappen halben Stunde war ich dann auch schon wieder aus der Dusche draußen und

trocknete mich ab, ehe ich mir ein Handtuch um die Hüfte wickelte und mir eines um den Hals

hängte. Als ich mich dann umdrehen wollte um zurück in mein Zimmer zu gehen, stieß ich mit Sky

zusammen, die sofort erschrocken aufquitschte, zurückhüfte, sich gefühlte zehn Mal in einer

Sekunde entschuldigte und dann schneller als ich schauen konnte zurück in ihr Zimmer

verschwunden war.

Wow, ich musste schon echt abschreckend wirken. Ich blieb noch einen Moment stutzig im

Badezimmer zurück und zuckte darauf die Schultern, ehe ich den Raum verließ und in mein Zimmer

zurücktrottete.

Ich zog mir wieder meine Sachen an und tappte dann erstmal zu Skys Zimmer, um nach ihr zu sehen.

Vor der Tür hielt ich nochmal kurz an, atmete tief ein und aus und klopfte vorsichtig an das Holz, ehe

ich die alte Klinge herunterdrückte und die Tür vorsichtig aufdrückte. Ich lugte über die Türkante

vorbei indem ich meinen Kopf durch die Spalte schob. „Darf ich reinkommen?" fragte ich dann mit

möglichst sanfter Stimme, als Antwort bekam ich nur ein grummeln, das unter ihrer Bettdecke

hervorklang, also nahm ich das Mal als ein Ja.

Ich trat in das Zimmer meiner Mitbewohnerin ein, ging bis zu ihr durch und setzte mich neben sie auf

die Bettkante, weil sie sich dort unter der Decke verschanzt hatte.

„Alles klar bei dir?" fragte ich sie und wartete geduldig auf eine Antwort von ihr.

„Naja. Ich hab mich heute schon in allen möglichen Wegen blamiert, aber ja, alles ist bestens."

antwortete mir Sky.

„Ach was, du hast dich doch nicht blamiert."

„Wenn das nicht blamiert war, dann weiß ich auch nicht."

„Quatsch. Das war ein amüsanter und schöner Abend, glaub mir." versuchte ich sie wieder

aufzumuntern und erreichte damit ein Aufklappen der Decke, und ein zum Vorschein kommen ihres

Gesichts.

„Weißt du", begann ich wieder zu sprechen, „Ich hatte bis jetzt eine echt schöne Zeit hier in Oslo.

Wusstest du, dass ich gar nicht zum ersten Mal hier bin? Als kleiner Junge war ich hier, ein

Waisenkind. Bis ich gehen musste und somit meine beste Freundin von damals verlassen. Sie ist dir

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echt ähnlich gewesen, sie hieß auch Skylar und hatte genauso erdbeerblonde Haare wie du, nur hat

sie sie immer in zwei geflochtenen Zöpfen getragen. Ich hab sie genau wie dich jetzt immer Sky

genannt, weil für mich wenn sie lächelte die Sonne aufging." Während ich sprach schlich sich ein

Lächeln auf meine Lippen, die Erinnerungen an diese Zeit waren wirklich schön.

„W...Warte was? Das ist jetzt nicht dein Ernst. Du willst mich doch zum Narren halten oder nicht?",

Sky sah plötzlich ziemlich aufgebracht aus und als ich ihre Fragen mit verwirrtem Blick verneinte,

sprang sie auf und rannte mit einem „Ich muss weg" aus dem Zimmer.

Was war gerade passiert? Hab ich irgendwas Falsches gesagt? Sollte ich ihr nachgehen? Ich sollte ihr

nachgehen.

Ich sprang also auf und lief ihr nach, die Treppe runter wo ich sie fand, auf dem Aufgang vor dem

Haus sitzend. Mit einem leisen Seufzen ließ ich mich neben sie sinken „Hab ich irgendwas Falsches

gesagt? Ich meine, ich wollte wirklich nicht-" doch ich wurde von ihr unterbrochen

„Warum hast du mich damals verlassen, John? Ich hab tagelang nur geweint, wegen dir. Von einen

Tag auf den anderen warst du einfach verschwunden. Weg. Was hast du dir dabei gedacht? Ich hab

mir solche Sorgen gemacht."

Und erst jetzt fing an sich alles in meinem Kopf zusammenzusetzen. Sie war Sky. Sie war meine Sky.

Meine allerbeste Freundin Sky, in die ich schon immer irgendwie verknallt gewesen bin. Verdammt.

Sie wusste anscheinend nicht, dass ich unfreiwillig gegangen bin.

In ihren Augen, die sonst so strahlen spiegelten sich gerade so viele Emotionen. Schmerz,

Verzweiflung, Trauer und irgendwo auch Angst. Ich konnte sie nicht so sehen, es ging einfach nicht.

Schon damals hatte ich es nie ertragen, wenn sie traurig war, meistens habe ich ihr dann einen

kleinen Blumenstrauß oder ein paar Kirschen mitgenommen.

Genauso ging es mir jetzt. Ich konnte sie nicht mit so viel Kummer in den Augen und brüchiger

Stimme sehen, also versuchte ich alles zu erklären.

„Ich wollte dich nie verlassen Sky! Ehrlich, entfernte Verwandte haben mich adoptiert, ich wollte nie

nach Amerika gehen! Sky, du bist alles was ich jemals hatte, ich würde dich nie, NIE in meinem Leben

freiwillig verlassen."

Und während ich sprach wandelte sich ihr Gesichtsausdruck wieder und sie schien irgendwie von

Erleichterung erfüllt. Als ich dann fertig war, sah sie mir einen kurzen Moment einfach nur tief in die

Augen und fiel mir dann in die Arme. Es war ein schönes Gefühl seine beste Freundin zurückzuhaben,

vielleicht sogar etwas mehr als das.

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