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Biggest Slut!
Jeden Tag dasselbe. Können sie sich nichts einfallsreicheres einfallen lassen? Allmählich wird dieses Getue ziemlich langweilig? Zumindest könnten sie sich neue Beleidigungen zulegen, aber dafür sind sie wahrscheinlich auch zu unfähig.

Mit dem noch ziemlich feuchten Lappen in meiner Hand, der mir mittlerweile fast aus der Hand zerfiel, wischte ich über den verdreckten Spiegel, mit der Hoffnung den roten Lippenstift wegzubekommen. Ich verstand es einfach nicht. Würde ich meinen Freund, Verlobten, Ehemann oder sonst was hier bei uns erwischen, würde ich es ihm heimzahlen wollen. Was hatten sie davon, die Spiegel zu verstecken? Und mal ganz ehrlich Biggest Slut? Das ist doch lächerlich.
Nach dem ich mit viel Geduld und Kraft, die Schrift abbekommen hatte, wusch ich mir gründlich die Hände und schmiss den Lappen in den leeren Eimer.
"Avery? Bis du hier drin?", hörte ich aus dem Flur. Den Eimer stellte ich in die Ecke und machte die Tür auf. "Bin hier", gab ich von mir und unterdrücke ein Gähnen. Der Tag war heute ziemlich anstrengend gewesen...alles was ich wollte, war auf mein Zimmer zu gehen und zu schlafen. "Oh...hey. Na? Dakota möchte dich sehen", sagte Betti und lehnte sich gegen die Wand. Ich sah ihr dabei zu, wie sie aus ihrem Dekolte die Zigarette entnahm und anzündete. "Endlich", seufzte sie und pustete den Rauch aus. "Ich frag mich warum die Kunden heute so anhänglich waren. Mega anstrengend". Auch dies war nichts Neues für mich.

Auch ich lehnte mich gegen die Wand und schloss die Augen. "Was will Dakota?", fragte ich ermüdet und schaute zur Seite. Ich hatte kaum die Kraft die Hand zu heben, ein Gespräch mit Dakota würde ich nicht überstehen können. "Keine Ahnung. Aber hey...heute hat schon wieder einer nach dir gefragt". Schon wieder? Dabei hatten wir doch viel talentiertere Mitarbeiterinnen als mich. "Also meinem Respekt hast du". Betti zündete ihre zweite Zigarette an und bot mir diesmal auch eine an. "Wie meinst du das?", fragte ich nach und lehnte dankend ab. "Du bist für diese Berufung geschaffen. Und wenn du mich fragst war es ein Fehler, eine Pause eingelegt zu haben".

Ein Fehler? War es nicht eher ein Fehler erst damit angefangen zu haben? Anderseits hatte ich überhaupt eine andere Change gehabt im Leben? Ich seufzte auf und schüttelte den Kopf. Nein. Mir blieb einfach nichts anderes übrig als mich meinem Schicksal hinzustellen. "Ich wollte nicht...", kaum konnte ich meinen Satz beenden, schon drängte sich ihre Stimme in meinen Kopf. "Was? Nicht so tief sinken? Schau dich doch mal bitte um. Du lebst hier, du isst und schläft hier. Du hörst und sieht als die widerlichen Dinge. Denkst du es macht einen Unterschied ob du auf der Bühne nur in Unterwäsche tanzt oder nicht, Avery?". So sehr ich es auch verleugnen wollte, hatte Betti indem was sie sagte recht. Schließlich war ich hier. Egal ob Tänzerin oder Kellnerin. Mein ganzes verdammtes Leben habe ich in dieser kleinen Hölle verbracht und brenne seid dem jeden verdammten Tag....das traurige ist aber, dass es mein einziges zu Hause war und jemals sein wird. "Du hast nicht unrecht". Ich stütze mich von der Wand ab. Die plötzliche Welle an Traurigkeit machte mir nur noch mehr zu schaffen. "Zu Dakota?", hörte ich Betti hinter mir her rufen.

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"So einen brauchen wir auch", sagte Ally und zeigte mit dem Finger auf Edward Lewis von Pretty Woman. Betti und ich lachten gleichzeitig auf und schauten zu ihr. "Natürlich Ally...irgendwann wird ein edler Prinz kommen und dich von hier rausholen". Ich wollte nicht gemein sein, aber eine Sache konnte ich mir nicht verkneifen. "Pass allerdings nur auf, dass es nicht der eklige Paul mit dem Bierbauch ist", sagte ich uns gab Betti eine Base. Anerkennend nickte sie mir zu. "Nicht schlecht". Mit meiner freien Hand strich ich ihr über die Schulter und lächelte ihr zu. So war Ally einfach...seit dem ich die kenne, ist das süße, naive Mädchen mit der rosaroten Brille. Betti und ich hingegen waren am Boden der Tatsachen angekommen und wussten wie schmerzlos das Leben war. Die Dinge von denen Ally träumte, waren nichts für das Leben, denn solche Wunder gab es nur in Filmen. "Was denn? Darf ich nicht träumen? Würde euch beiden auch mal gut tuen", hörte ich sie sagen. "Mal abgesehen davon, habt ihr die neuen Kostüme gesehen? Ah und Avery, für dich ist auch eins dabei". Während Ally Betti die neuen Outfitts beschrieb,musste ich über das Gespräch mit Dakota nachdenken. Gestern ist mir ein weiteres Mal aufgefallen, dass ich mit ihr über alles reden konnte und sie wirklich eine zweite Mutter für mich war. Diese Frau hat so vieles für mich getan, dass ich es ihr niemals zurückgeben könnte. Dank ihr habe ich ein Leben...in keinsterweise Perfekt, nicht einmal ansatzweise, aber dennoch ein Leben. Mir kam in den Sinnen, wie ich als kleines Kind heimlich meiner Mutter aus unserem Zimmer gefolgt war, und bewundert hatte wie gut sie auf der Bühne tanzen konnte. Damals konnte ich nicht verstehen was sie wirklich machte und wieso sie so viele Männer kannten, aber ich hatte sie bewundert. Ihre Schönheit, ihre Zierlichkeit und ihre Bewegungen...meine Mutter war mein Vorbild, auch wenn das was sie tat nichts zu bewundern war. Nachdem sie mit jungen Jahren gestorben war, wuchs in an der Seite von Dakota auf, der Besitzerin dieses Strippclubs. Dank ihr wurden mir die Augen geöffnet und ich konnte miterleben wie knallhart die Geschäfte hier abliefen. Die Mädels tanzen  sich hier die Seele aus dem Leib, nur um von den Männern die herkommen gebucht zu werden, und innerhalb von wenigen Stunden eine Menge Geld zu verdienen. Ich hingegen habe auf der Bühne getanzt und einige private Tanzeinlagen abliefern müssen.
"Avery?". Ich merkte garnicht, wie tief ich in meinen Gedanken versunken war, als ich von Betti ins hier und jetzt versetzt wurde. "Wie bitte?".
"Wir haben grad nur darüber geredet, wie toll wir es finden, dass du wieder mit an Bord bist. Das wird so toll!".

"Habt ihr das auch gehört?", ich hüpfte aus dem Bett und lief zur Tür. Da hatte jemand geschrien, ganz sicher. Das konnte ich mir nicht eingebildet haben. Definitiv nicht. "Da war nichts. Geh wieder ins Bett", murmelte Ally und drehte sich auf den Bauch. Wie konnten sich das überhört haben? "Leute, da hat-". "Nein!". Rückartig drehte ich mich mit aufgerissenen Augen zur Tür. Ohne zu zögern riss ich sie auf und stürmte auf den Flur. "Nein, bitte!". Gott, was ging hier vor. Aus dem Augenwinkel nahm ich Dakota wahr, die in ihrem rosafarbendem Morgenmantel auf mich zu kam. Nur wenige Schritte hinter ihr stand Mason, der "Wachhund".

"Was ist hier los? Wer schreit hier so?". Erneue schaute ich mich um und erkannte, dass sich nun fast alle im Flur versammelt hatten. Fast. Wir waren nicht viele Mädchen hier...und eine..."Die Neue!", kreischte ich. "Die Stimme, Dakota sie kommt von der neuen!". Mason und Dakota schauten sich an  rannten in den untersten Stockwerk. Wir anderen verteilten uns und suchten alle Räume nach ihr ab. Seit ungefähr zwei Monaten waren wir nicht mehr so sicher wie früher hier. "Ich glaub ich muss mich gleich übergeben", murmelte eine andere und zeigte auf links stehende Tür. "Was stehst du da so rum, hilf ihr?", schrie ich und rannte zu ihr. Vor der Tür blieb ich stehen und traute meinen Augen nicht. "Ruft...Dak...Da".

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