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Mein gesamtes Leben hatte in diesem Club stattgefunden. Meine ersten entscheidende Schritte hatte ich hier erlebt. Hier hatte ich getrauert und gefeiert. Alles, meine ganze Existenz basierte auf die gesamten Ereignisse und Erinnerungen die sich hier abgespielt hatten. Noch nie hatte ich diese Türen mit einem gebrochenen und leeren Herzen verlassen und noch nie hatte ich es so verlassen erlebt.

Ich kehrte meinem zu Hause den Rücken zu, ohne mich zum letzten Mal umzuschauen. Ohne dieses Kapitel abzuschließen, denn ich  schwor mir, dass es kein endgültiger Abschied war. Das konnte es einfach nicht gewesen sein. Nicht so. Nicht mit mir. Nicht mit uns.

Ich war vollkommen mit meinen Nerven am Ende und am Boden zerstört. Doch am schlimmsten war die Tatsache, dass sich alles wieder in meinem Kopf abspielte, sobald ich die Augenlider schloss. Es war wie ein schlechter Film, in der ich die Hauptrolle spielte. Allys Blicke...der Anblick von Betti...die hilflosen Schreie und Blicke der anderen Mädchen, alles war in meinem Kopf noch präsent und trafen mich jedes Mal aufs Neue. Als ich vor wenigen Stunden den Hauptausgang betreten hatte, kamen mir zwei Polizisten entgegen, die mich weggeführt und ins Auto gesetzt hatten. Das alles...was ich durchmachte...was wir durchmachten, kam mir unfassbar surreal vor. Ich schaute nun aus dem Fenster des Streifenwagens und konnte meine verzweifelten Tränen sind nicht mehr länger halten und sie fielen auf den Boden...genauso wie mein Leben. „Miss uns wurde verboten Ihnen zu nahe zu treten, deshalb muss ich Sie umgehend darum Bitten Ihren Sicherheitsgurt anzulegen". Der glatzköpfige Polizist warf mir von dem Vorderspiegel aus grimmige Blicke zu und hob auffordernd die Augenbrauen an. „Passen sie auf, dass Sie keine Löcher in den Spiegel starren", fuhr ich ihn an und zog am Gurt. Völlig aufgebracht fuhr ich mir über die Haare und neigte den Kopf nach unten. „Es...es tut mir leid wirklich", sagte ich während ich den Kopf schüttelte und aus dem Fenster schaute. Dieser Mann hatte doch keine Schuld...alles was er tat war seine Arbeit richtig zu machen. Ich war nicht mehr ich selbst...in dem Chaos hatte ich mich verloren und fand nicht mehr zu mir selbst. So war ich nicht...Wut und Hass, das waren deine Emotionen die mich und meine Handlungen leiteten.

„Miss wir haben soeben unser Ziel erreicht. Ich bitte Sie aus dem Auto zu steigen". Ohne Widerrede ging ich seiner Bitte nach und setzte meine Hand auf den Türgriff, um sie zu öffnen. Ruhig bleiben Avery...egal was dich erwartet bleib stark. Ich wusste zwar nicht welchen, aber es hatte einen bestimmten Grund, dass ich hier war...alleine. Ich musst für uns alle Stark bleiben. Seufzend setzte ich meine Füße auf den Boden und erhob mich von dem schwarzen Ledersitz. Nie im Leben hätte ich gedacht, dass hier einmal landen würde. Völlig verloren bleib ich vor dem Polizeirevier stehen und schaute hoch hinaus in den Himmel. Die Sonne lächelte mir zwar zu, doch mein Glück hatte mir den Rücken zugekehrt und würde auch bald die dunklen Wolken nach mir schicken. Dessen war ich mir ziemlich sicher. Sobald ich die Türschwelle erreicht hatte fiel mein Blick auf zwei weitere Beamte die eine bläuliche Uniform trugen. Um so näher ich ihnen kam, desto nervöser wurde ich. Die hochgewachsene brünette Schönheit lächelte mir zu, während ich sie fragend anschaute und dann den Blick von ihr nahm. Vor ihnen blieb ich stehen und sie schauten mich eindringlich an. „Sind Sie Avery Clambert?", fragte mich die Beamtin. Ich nickte ihr zu und verschränkte die Arme vor der Brust. Ob sie wohl auch die anderen so empfangen hatte wie mich gerade? „Ich bin Clarissa Halley. Bitte folgen Sie uns. Sie werden erwartet", sagte sie und deutete mit ihrer rechten Hand in welche Richtung ich gehen sollte. Erneut nickte ich ihnen zu und merkte nach wenigen Schritten, dass sie sich dicht hinter mir aufhielten blieb. Würde ich nun endlich die anderen sehen? Das Bedürfnis mit ihnen zu sprechen und zu wissen, dass es ihnen gut ging, stieg ins Unermessliche. Doch an erster Stelle stellte sich mir die Frage von wem ich erwartet wurde. Während ich durch die Flure ging sah ich mich im Revier um und musste feststellen, dass nichts zu hören und niemand zu sehen war. Ich war noch nie zuvor festgenommen wurden, durch sicherlich war es nicht jeden Tag so verlassen. Obwohl ich von den Handschellen verschont wurde, fühlte ich mich dennoch wie eine Schwerverbrecherin. Erneut drehte ich mein Gesicht zu ihnen und sah, dass sie von mir erwarteten stehen zu bleiben, als sie noch weiter vortraten und die Tür aufmachten. Dabei schauten sie mich erwartungsvoll an und deuteten mir mit der Hand das Zimmer zu betreten. Egal was mich dort erwartete, ich würde stark bleiben. Zögerlich ging ich ihrem Befehl nach und sobald ich die Türschwelle betreten hatte, setzte sich ein älterer Mann auf, der von seinen Beschützern umringt war. Abrupt blieb ich stehen und suchte Augenkontakt zu der Beamtin. Hilfe. Ich fühlte mich sehr unwohl und dieses Gefühl wurde verstärkt, als ich die Tür hinter mir zugemacht wurde. Als ich meinen Blick von der Tür zu dem Männern schweifen ließ, merkte ich, dass sie mich alle anschauten. Der ältere Mann lächelte mich an. Dachte er wirklich, dass wurde meine Sympathie ihnen gegenüber, wer auch immer er war, steigern würde? „Setz dich doch, bitte", sagte er und tat das was er mir befohlen hatte. Ich schüttelte nur den Kopf und starrte ihn Misstrauisch an. Seufzend setzte er sich auf und kam um den Tisch, sodass er nur wenige Meter vor mir stand. Er lehnte sich gegen den breiten Tisch und verschrenkte seine Arme vor der Brust. „Könntet ihr uns bitte für einen kurzen Augenblick allein lassen?". Er drehte nicht den Kopf, sondern schaute mich weiterhin eindringlich an, während seine Aufpasser den Raum verließen. „Schön dich hier zu haben, Avery. Ich bin Mike West. Ich kann mir vorstellen, dass diese Situation in die du geraten bist nicht einfach ist". In die ich geraten bin? War dies alles etwa mein Verdienst? „Wo sind sie?", fragte ich scharf und sammelte all meinen Mut zusammen, um nicht in Tränen auszubrechen. Es war mir auch ziemlich gleichgültig woher er meinen Namen kannte und wieso er so vertraut mit mir sprach. Wie viele Menschen musste ich noch kennenlernen, die alles zerstört hatten? „Ich bin bereit all deine Fragen zu beantworten, Avery". Der Mann richtete sich auf und kam auf mich zu. „Aber du musst mir erst zu hören. Wir haben einiges zu klären". Panisch schüttelte ich den Kopf. Nein. „Nein...ich möchte nichts hören. Ich will sie sehen.", zischte ich und trat zurück. „Bringen Sie mich zu ihnen. Dringend. Das...das ist mein Recht". Ich riss weit meine Augen auf, als ich sah wie er den Kopf zu einem klaren leicht schüttelte. „Das geht nicht. Es tut mir leid".

„Es tut Ihnen leid? Sparen Sie sich bitte ihre Lügen. Sie verlieren an Glaubwürdigkeit". Hektisch fuhr ich mir über die Haare und massierte meine Schläfen. „Es steht mir zu sie zu sehen. Ist das Ihnen bewusst?", fragte ich und vermied den Augenkontakt. Er sollte nicht meine aufsteigenden Tränen sehen. „Das geht nicht". Ich konnte es einfach nicht fassen. „Das geht nicht? Ist Ihnen bewusst, dass ich eine von denen bin? Warum bin ich überhaupt hier? Ich gehöre auch hinter Gitter! Verdammt ich sollte bei ihnen sein? Egal wofür sie zu unrecht beschuldigt werden, es betrifft mich auch. Bringen Sie mich zu ihnen. Sofort!", zischte ich und löcherte ihm Blicke in den Bauch. „Avery, ich...wir sind auf deiner Seite. Wir wollen nichts böses". Verzweifelt lachte ich auf.

„Sie haben mir das kostbarste weggenommen, was ich in meinem erbärmlichen Leben hatte. Ist Ihnen den nicht bewusst, dass sie mir schon längst böses getan haben? Ich will nicht von Ihnen wissen. Weder wer Sie sind oder was Sie von mir...von uns wollen. Ich. Will. Zu. Meiner. Familie?". Es war mir unmöglich meinen Zorn in mir zu halten. Mir war auch völlig egal, dass ich schrie und kreischte und mich jeder hier hören konnte...sie hatten nichts anderes verdient. Mit der Höflichkeit war es vorbei. Alles hatte seine Grenzen. „Wissen Sie was...ich gehe!". Voller Wut riss ich die Tür auf und trat raus. Mich konnte er mit seinen Worten nicht aufhalten. „Miss, bleiben Sie sofort stehen". Ich blickte zu meiner rechten und sah, wie der Polizist von eben auf mich zusteuerte. Ich zuckte mit der Schulter und ließ mich nicht von meinem Weg abkommen...auch wenn ich nicht wusste wo lang ich gehen musste. „Ich bitte Sie ein letztes Mal, Miss", hörte ich ihn rufen. „Was wollen Sie tun, wenn nicht? Mich festnehmen? Hier" ich schreckte ihm meine Handgelenken aus und blieb vor ihm stehen. „Genau aus diesem Grund bin ich doch hier. Oder etwa nicht? Los, binden Sie mich fest oder ketten Sie mich an. Bringen Sie mich dahin, wo ich hingehöre!". Der Polizist starrte mich überrascht an und drehte sich um. Angenervt folgte ich seinen Blicken und traute meinen Augen nicht. Es wurde immer schlimmer und noch länger würde ich das nicht mehr mitmachen. Ich war völlig an Ende mit den Nerven. „Aus diesem Grund sind wir hier". Mein Körper war schlicht und einfach ein mieser Verräter. „Du...", seufzte ich und spürte wie der ganze Stress mich einholte. Mein Körper und meine Seele konnte dem nicht mehr länger standhalten. „Ich werde nicht zulassen, dass dir irgendjemand zu nahe tritt", sagte er und blieb neben dem Polizisten stehen. „Wenn du ruhig bleibst und zuhören wirst", fügte er hinzu und schaute mich kurz an bevor den Augenkontakt abbrach. Warum? Warum traten die Bilder in meinen Kopf? Was? Was machte er hier? „Avery, es gibt wirklich vieles was ich dir erzählen muss. Ich verspreche dir deiner Bitte nachzugehen, wenn du mir zuhörst. Ich bitte dich", sagte der ältere Mann, dessen Namen ich mir zurecht nicht gemerkt hatte. Verwirrt schaute ich von einem Fremden zum nächsten und gab auf. Ich fühlte mich so als hätte man mich in eine Sackgasse getrieben. Es gab in meinen Augen keinen Ausweg.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Sep 05, 2016 ⏰

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