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Besonders viel von seinem sonst so dämlichen Grinsen und seiner ständigen ich-hab-Hunger-Miene zeigte er nicht. Er lag nur ruhig da, ließ sich von seiner Schwester zuquatschen und starrte aus dem Fenster.

Nach einer halben Stunde verabschiedete ich mich - und hatte Tränen in den Augen. Was war nur passiert? Ich war echt froh, wenn ich wüsste, dass er diese OP überleben würde, denn so sah er gerade nicht aus.

Der Arzt sagte, erzählte mir seine Schwester, dass er geschwächt sei, da der Tumor wieder schlimmer geworden sei und durch den Aufprall einen kleinen Teil seiner Gehirnfunktionen abschaltete. Ich meine - wie unrealistisch klingt das denn bitte? Zu allem war es der Teil für Bewegung, das heißt, dass jetzt auch sein Oberkörper gelähmt war.

,,Nach der OP würde sich alles geben", versuchte Helena mich immer aufzumuntern. Ich schüttelte den Kopf. Hätten wir früher von seinem Tumor gewusst, dann hätten wir früher einschreiten können.

Zuhause angekommen wurde ich mir meiner untrainierten Ausdauer und meinem großen Problem, genannt Eltern, wieder bewusst. Meine Ma stand die Hände inn die Hüften gestemmt auf der Terasse, ihren wütenden Blick aufgesetzt. ,,Wo warst du?", bellte sie mir schon aus zwanzig Meter Entfernung entgegen.

Beinahe war ich eingeschüchtert, doch ich reckte das Kinn nach vorne und setzte meine rebellische Art auf. ,,Einen Freund besuchen", antwortete ich mindestens genauso scharf.

Ich wollte mich an ihr vorbeidrängen, doch sie hielt mich zurück. ,,Solltest du dich noch einmal unseren Verboten wiedersetzen, weißt du was dir blüht." Ohja, und wie ich das wusste. Ich war nämlich schonmal nicht nach ihrer Reihe getanzt und musste mir dann bei ihnen eine Predigt und die Drohung auf ein Internat anhören.

Ich verschwand in meinem Zimmer und holte meinen Laptop heraus. Ich gab in meine Suchmaschine "Gehirntumor" ein. Die Ergebnisse rieben mir mal wieder Julians schlimme Situation unter die Nase. Man sollte ja nicht alles glauben, was im Internet steht, doch ich tat das seltsamerweise.

Der Tag war furchtbar - ein Montag - und dank den schlechten Wetterverhältnissen (die meiner Meinung nach gar nicht so schlecht waren) fiel der Markt wieder einmal aus.

Ich konnte Mas Flüche gegenüber ihrer Tochter bis hier oben hören, ich brachte auch Verständnis dafür auf, ich würde auch so reagieren, verhielte sich meine Tochter so, aber wusste sie in was für eine Notlage ich - eigentlich eher Julian und Helena - mich befand?

Ich hatte auch keine Lust, ihr das zu erklären.

Am nächsten Morgen war ich aufgeregt und besorgt - es war ein Dienstag. Ich versuchte mich aus meiner Schulpflicht herauszureden, doch kein Argument sprach gegen das Gesagte meiner Eltern.

Die letzte Stunde ließ ich dann ausfallen und rannte in meiner schnellsten Geschwindigkeit ins Krankenhaus. Ich liebte Julian wirklich - das wusste ich und es wurde mir schon länger bewusst, nur akzeptiert habe ich es nie.

Ich ignorierte das Pochen und das gleichmäßige Stechen in meiner Lungenregion. Ich musste Julian sehen! Sofort. Lina war den Tag über nicht in die Schule gegangen und hatte mir zehn Nachrichten geschickt, die ich ich ignorierte.

Ja, ich weiß, dass es etwas unverschämt war, meine beste Freundin zu ignorieren, aber ich musste diesen einen Idioten sehen!

Die Krankenhaustür kam mir wie Erlösung vor, alle Leute sahen mich schief an - und ich stand da, mit einem Schulrucksack, jeder Menge Verwirrung und einem unwissenden Blick. Schwer schnaufend wie ein Mops kam ich an der Rezeption an. ,,Ja?", fragte die streng wirkende Dame nur. ,,Ich will zu... Julian. Äh, Julian Kremmer."

Sou erster Teil. Der nächste um 20:00 Uhr.
Liebe Grüße
Eure Annabella

Thøught - #wattys2019Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt