Kapitel 2

3.7K 88 41
                                    

Es war so vollkommen schmerzlos, sich in Dean zu verlieben.

Es hatte etwas gedankenloses Alltägliches an sich, als ob Dean nur eine weitere Befestigung war, nur ein weiteres Glas in seinem Schrank, welches er zu nutzen begonnen hatte. Er war nicht da, am nächsten Tag war er es, und Cas konnte sich nicht an die Stunden vor ihm erinnern. Bevor seine Hände oder sein Mund oder seine Augen, bevor all diese Dinge über seinen Körper geglitten und ihn berührt und ihn verehrt hatten. Dean hielt oft inne und starrte ihn mit großen, staunenden Augen an, als sähe er Cas von neuem zum ersten Mal. Als ob er ihn plötzlich wiederentdecken würde, was sein Gesicht in einen Ausdruck purer Freude verwandelte. Dean hörte nie auf, Cas zu fragen, wo er gewesen war, bevor sie sich getroffen hatten. In welchem Winkel der Erde er sich so lange versteckt hatte, und Cas fand es immer einfacher, ihn zu küssen, anstatt es zu sagen. Die Wahrheit war, dass Cas niemals antworten konnte, weil er es vergessen hatte; vor Dean schien alles so unwirklich. Egal, welche Zeit es war, sie hatte keine Bedeutung mehr und sein Gehirn hatte es verworfen.

Die Sommerhitze war jetzt über sie hereingebrochen; Cas schlief auf der Matratze, das Laken um seine Füße gewickelt – die April-Party war eine ferne Erinnerung. Ein glitzerndes Licht in einem Fenster. Seither war jeder Tag so grell und strahlend wie die Sonne. Als die Hitze einsetzte, tat es auch Dean. Cas' Haut war klebrig von den Küssen, und die kleinen Blutergüsse unter seinem Kragen begannen ein Schmerz zu werden, den man vertuschte. Jedes Mal, wenn er in der Klasse sein Hemd richtete, spürte er das Flüstern von Deans Händen auf seinen Seiten und er musste sein Gewicht verlagern, während er sich umblickte. Er war verblüfft, dass ihn niemand auf Dean angesprochen hatte; es gab Zeiten, wo er sich selbst so durchschaubar vorkam und sich sicher war, dass jeder Bescheid wissen musste: Über das Bett, in dem er letzte Nacht gewesen war, über die Dinge, die er gesagt hatte, über die Geständnisse, die er abgelegt hatte und über das Lachen, dass er Dean entlockt hatte. Warum sonst sollte irgendjemand so viel lächeln? Besonders dann.

Der Krieg braute sich über ihnen allen zusammen. Er war wie eine Guillotine, deren Klinge an einem schwachen Seil schwang und darauf wartete, jederzeit auf irgendeinen von ihnen herabzufallen. Cas hatte es geschafft, sich mithilfe der Schule rauszuhalten, aber die Gefahr, dass Dean eingezogen werden könnte, trübte in einsamen Nächten seine Gedanken, wenn Dean Nachtschicht hatte. Dieser war entschlossen, Sam auf eine juristische Fakultät zu schicken, und wenn er keine Motorradrennen fuhr, arbeitete er: Er betrieb Tauschhandel am Eishaus an der Interstate, und manchmal, wenn ihn der Besitzer ließ, kellnerte er oder räumte die Tische ab, um extra Trinkgeld zu verdienen. Wenn er nicht arbeitete, konnte sich Cas glücklich genug schätzen, ihn in seinem Bett zu haben.

Cas saß mit laufendem Radio an seinem beengten Tisch und versuchte, den Verkehr draußen lange genug zu ignorieren, um das Nerven- oder Kreislaufsystem zu lernen. Manchmal hatte er die Todesanzeigen überflogen, aber schon seit einer ganzen Weile stand dort keiner, den er wiedererkannt hätte. Es starben immer noch Typen, aber wenigstens kannte er sie nicht. Stattdessen füllte er seinen Kopf mit Dean und verlor sich selbst darin, auf sein nächstes Auftauchen zu warten, darauf, dass sein Telefon klingelte und Dean am anderen Ende sein würde.

Oft fühlte es sich für ihn grausam an, zur Schule zu gehen – in der Lage zu sein, der Wehrpflicht zu entgehen – aber Deans Gesicht drückte so viel Stolz aus, wenn er ihm von seinen Tests und Arbeiten erzählte, und er schaffte es immer, wegen der Prüfungen und Abgabeterminen flexibel zu sein. Für ihn stand Cas an erster Stelle.

Noch nie hatte irgendjemand das für ihn getan.

,,Du bist schlau", hatte er gesagt. ,,Du bist so schlau, Cas. Es ist besser, wenn du hier bist. Du wirst lernen, wie man Leuten das Leben rettet, weißt du? Genau wie Sammy lernen wird, wie man sie verteidigt. Ich würde sterben, wenn sie dich mit rüber nehmen und abschießen würden."

Twist and Shout (deutsch)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt