Zeugenschutzprogramm [WIRD ÜBERARBEITET]

3. Kapitel |:WARUM?:| ✔️

Lied: Hold On - The Rescues

,,Du hast was?". Scott blickt mich dezent überrascht an, als wir vor der Haustür unseres Bungalows stehen bleiben. Die ganze Fahrt über habe ich verzweifelt versucht diesem Thema aus dem Weg zu gehen. Seit Luke's kleinem Zwinkern nimmt er jedoch an, dass da etwas gewesen sein muss.

,,Es ist halb so wild."

,,Du hast dich mit diesem Typen angelegt?", bohrt er weiter nach. Ich lege den Kopf in den Nacken und lasse meine Schultern hängen. ,,Das war kein "anlegen" mehr eine kleine Konfrontation. Du solltest lieber stolz auf mich sein, immerhin habe ich dafür gesorgt, dass der Gerechtigkeit genüge getan wird. Mehr oder weniger."

,,Mensch Hannah, du weißt, dass du vorsichtig sein musst. Du kannst es dir nicht leisten großartig Aufsehen zu erregen", murmelt er mahnend und kramt einen Schlüssel aus seiner Hosentasche hervor. Mein Magen zieht sich unweigerlich zusammen und das hat rein gar nichts mit seiner Aussage zu tun. Er nennt mich Hannah, als gehöre dieser Name seit meiner Geburt zu mir, dabei sind es gerade einmal zwei Wochen. Zwei verdammte Wochen. Für mich fühlt er sich mehr an, wie ein Fremdkörper.

Eine Last, die man mir auferlegt hat. Es liegt an mir, wie meine Mitmenschen die Hannah in Erinnerung behalten werden, die ich vorgebe zu sein, bevor ich erneut untertauchen muss. Das Traurige daran ist;
Ich habe mittlerweile so viele unterschiedliche Personen gespielt, dass ich meine richtige Identität -meinen Geburtsnamen- beinahe am vergessen bin.

,,Ich weiß".
Ein wenig beleidigt nehme ich ihm den Schlüsselbund aus der Hand, schließe die Tür zum Bungalow auf und schmeiße meine Tasche in die nächste Ecke des Flurs.

,,Der Kerl kommt mir sogar bekannt vor, ich weiß ihn gerade nur nicht so genau einzuordnen."
Na super. Scott ist ein absoluter Football-Fanatiker. Selbstverständlich wird er ihm bekannt vorkommen.

,,Natürlich, jetzt fällt es mir wieder ein. Luke Parker!" Ein triumphierendes Grinsen schleicht sich auf seine Lippen. Das bekommt er immer dann wenn ihm etwas eingefallen ist, was ihm keine Ruhe gelassen hat. ,,Der Kandidat hat die 1000$ Frage geknackt", sage ich sarkastisch und husche um die nächste Ecke herum in die Küche.

,,Hannah, was will Luke Parker von dir?", so abfällig, wie er seinen Namen ausspricht, scheint das nichts Gutes zu bedeuten. Abrupt bleibe ich stehen. Ich beiße mir auf die Unterlippe. Ja, was will er von mir? Meine Ansage war doch deutlich genug, dass er in Zukunft lieber einen großen Bogen um mich machen sollte.

,,Er ist in seinem Stolz gekränkt, nichts weiter. Vermutlich macht ihm nicht jeden Tag ein Mädchen vor Publikum eine Ansage", erwidere ich Schulter zuckend, krame ein Glas aus dem Küchenschrank und fülle mir Wasser ein. Scott neben mir fängt plötzlich an zu lachen. Er lacht tatsächlich.

,,Ja, wirklich sehr lustig." Genervt verdrehe ich die Augen. ,,Das war leichtsinnig von dir, aber ich hätte es gerne gesehen", stößt er hervor und unterdrückt ein weiteres Lachen.
,,Sonderlich witzig finde ich das jetzt nicht. Er hat etwas unheimliches, unberechenbares an sich." Eine Gänsehaut bildet sich auf meinen Armen. Sofort taucht das Bild seiner blauen Augen vor mir auf. Sie haben so viel Kälte ausgestrahlt, man könnte meinen in seinem Leben ist noch nie etwas positives geschehen.

,,Hey, komm her", Scott zieht mich in eine feste Umarmung. Sein vertrauter Duft steigt mir in die Nase. Eine Mischung aus Waschpulver und Hugo Boss Parfum. Sofort fällt alle Anspannung von mir ab. ,,Hast du dich beruhigt?", nuschele ich an sein Hemd und vernehme seinen Herzschlag, der in einem leisen bumbum an meine Ohren dringt.

,,Tut mir leid, aber du hast mich gerade sehr an Sie erinnert", gibt er zu und atmet einmal tief ein und wieder aus.

,,Wenn Sie eines nicht konnte, dann war es ihre Klappe zu halten. Das hat Sie meistens in ähnliche Situationen gebracht." Kurz schließe ich meine Augen. Es ist schon eine Weile her, doch jedes mal wenn Scott auf seine Schwester zu sprechen kommt, versetzt es mir ein Stechen im Herzen.

Wahrscheinlich verstehe ich mich auch deshalb so gut mit ihm. Uns verbindet etwas. Wir haben beide einen geliebten Menschen auf tragische Art und Weise verloren.
,,Ich hätte Taylor wirklich gerne mal kennengelernt", hauche ich und löse mich aus der Umarmung.

,,Ihr hättet euch bestimmt gut verstanden." Auf seiner Stirn bildet sich diese Falte, die er immer bekommt, wenn ihn irgendetwas beschäftigt. Ich räuspere mich kurz, um das Thema zu wechseln.
,,Ich weiß zwar nicht wie es mit dir steht, aber ich habe hunger." Nach einem kurzen Blick in die Vorratskammer stelle ich fest, dass es wirklich dringend mal wieder Zeit wird einkaufen zu gehen.

,,Du kannst wählen zwischen Spaghetti mit Tomatensauce oder-"

,,Tomatensauce mit Spaghetti", beendet Scott meinen Satz und wir beide fangen an zu lachen. Ich bin wirklich froh darüber, ihn vor sechs Jahren kennengelernt zu haben. Ein Leben ohne ihn, wäre für mich gar nicht mehr vorstellbar.
Nachdem wir uns beruhigt haben sieht er mich wieder mit diesem Blick an, der mehr sagt, als tausend Worte.

,,Deine Eltern wären stolz auf dich, vergiss das nicht."

Vermutlich wären sie das. Doch sie sind tot. Sie starben, als ich neun Jahre alt war. Der Mörder läuft noch frei herum und was habe ich mit der ganzen Sache zu tun?

Nun, deshalb bin ich erst im Zeugenschutzprogramm gelandet;

Ich bin die einzige Zeugin im Mordfall meiner Eltern.

,,Wir brauchen noch Parmesankäse." Auf Scotts Äußerung gehe ich erst gar nicht weiter ein, da es mir unangenehm ist über meine Eltern zu sprechen. Diesen Teil meiner Vergangenheit würde ich am liebsten vergessen.
Niemand, besonders kein kleines Kind hat es verdient etwas derartiges durchmachen zu müssen.

Meine Hand wandert zu der Stelle, direkt neben meinem Herzen. Ich wurde gebrandmarkt für mein Leben. Nur eine kleine Narbe erinnert noch an das Grauen, was sich vor elf Jahren in einem kleinen Dorf in Kanada ereignet hat.

,,Dann werde ich mal welchen besorgen. Und vielleicht noch ein paar andere Dinge. Kommst du solange alleine klar?", ich sehe es Scott deutlich an, dass es ihm widerstrebt mich allein zu lassen.

,,Ja, keine Sorge, mir wird schon nichts passieren", beruhige ich ihn und deute auf die Spaghetti. ,,Ich bereite in der Zeit das Essen vor."
Er nickt nur kurz und schnappt sich die Autoschlüssel. Hinter ihm schließe ich die Tür mehrmals ab, nur um auf Nummer Sicher zu gehen. Im Schrank krame ich nach zwei Töpfen und bereite die Tomatensauce vor.

In meinem Leben war ich nicht oft alleine und jedes Mal, wenn ich es bin, fühlt es sich beinahe befreiend an. Diese völlige Ruhe und Isolation. Kein FBI-Agent, der ständig ein Auge auf dich hat, auch wenn ich mir gut vorstellen kann, dass Scott hier irgendwo Kameras installiert hat.

Mit der Spaghetti Packung in der einen Hand, schalte ich meinen aktuellen Lieblingssong auf dem Handy an. Policeman von Eva Simons geht mir seit Wochen nicht aus dem Kopf. Wie gerne würde ich wieder eine richtige Party besuchen. Alkohol trinken und mich der völligen Ekstase hingeben.

Kopfschüttelnd verfrachte ich den Gedanken zu allen anderen mit der Überschrift 'Erlaubt Scott sowieso nicht' und setze die Spaghetti auf. ,,Wo bleibt der denn?" stöhne ich nach circa einer Dreiviertelstunde. Normalerweise braucht er nie so lange zum einkaufen, selbst wenn wir zusammen unterwegs sind.

Ob ihm etwas zugestoßen ist?

Quatsch. Du machst dir zu viele Gedanken. Beruhig dich.

Nervös tippe ich mit den Fingernägeln auf dem Ceranfeld herum und starre dabei mein Handy an, welches mittlerweile Scared von Zendaya abspielt.

,,Ach verdammt", fluche ich nervös und greife danach um Scott zu fragen, wie lange es noch dauert. Gerade als ich die Nummer wählen möchte, zerschellt ein Fenster im Zimmer nebenan. Erschrocken lasse ich das Handy fallen. Die Zeit scheint still zu stehen. Instinktiv greife ich nach der Pistole, die unter der Küchenplatte deponiert wurde. Die Alarmanlage des Hauses übertönt derweil alle weiteren Geräusche, während mir nur ein Gedanke durch den Kopf schießt:

Er hat mich gefunden.