4. Kapitel |:HIRNGESPINSTE:| ✔️

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Lied: Recovery - James Arthur

Du kannst dich nicht vor mir verstecken...

Eine gewaltige Welle der Übelkeit überkommt mich. Es vergehen Sekunden in denen ich regungslos mitten in der Küche stehe, ohne mich auch nur einen Zentimeter von der Stelle zu bewegen. Wie gelähmt führe ich meinen Zeigefinger an den Auslöser der 38 Kaliber Pistole, die mir Scott zur Sicherheit immer dalässt.

Schon bedauerlich von mir geglaubt zu haben, sie in nächster Zeit erst einmal nicht benutzen zu müssen.

In meinem Kopf baut sich ein stetig größer werdender Druck auf. Ich spüre wie mein Puls in die Höhe schießt. Ich fühle mich in mein früheres Ich zurückversetzt. Das Ich, was getrieben von der blanken Angst durch die dunkelsten Gassen rennt, nur um dem Monster entkommen zu können, das sie verfolgt.

Vergeblich versuche ich mich zu beruhigen. Einen kühlen Kopf zu bewahren. Alles Mögliche schießt mir durch die Gedanken. War es das jetzt? Ist heute der Tag an dem ich sterben werde? Werde ich Scott nie wieder sehen? Ist ihm vielleicht auch etwas zugestoßen?

Minuten verstreichen, doch nichts passiert. Das ist jetzt die Stelle in Filmen, wo ich meistens die Augen zumache und der Person, die gerade einen Fehler macht zuschreie, dass sie sich bloß nicht von der Stelle bewegen soll. Lieber abwartet, bis Hilfe kommt.

Leider ist das kein Film, sondern die pure Realität. Nennt es absolute  Verzweiflung oder Wahnsinn, aber etwas treibt mich dazu, meiner Panik nachzugeben und vorsichtig einen Fuß vor den anderen zusetzen.
Schwer wie Blei fühlen sich meine Beine an. Die Hand, in der ich die Waffe halte zittert. Schweiß rinnt mir die Stirn herab. Nur das laute Dröhnen der Alarmanlage verrät mich nicht.

Allerdings verrät es auch nicht jede weitere Person, die sich in diesem Moment wohlmöglich im Bungalow aufhält. Und genau diese Ungewissheit lässt jeden weiteren Schritt zur reinsten Qual für mich werden.

Etwas kommt mir jetzt jedoch schon komisch vor. Der Psycho würde keine einzige Sekunde verschwenden, um mich nicht endgültig aus dem Weg zu schaffen. Er würde es leise machen, ohne großes Aufsehen zu erregen und gleich wieder verschwinden. Schließlich muss seine Identität geheim bleiben.

Ein Schauer läuft mir über den Rücken. Irgendetwas stimmt hier ganz und gar nicht.
Ich nehme all meinen Mut zusammen und luge vorsichtig um die Ecke der Küchentür herum. Für mich besteht kein Zweifel daran, dass das Geräusch aus Scotts' Zimmer kam.

Du bist echt lebensmüde, versteck dich lieber!

Meine innere Stimme hat vermutlich recht, doch ich muss wissen was dahinter steckt. Mit jeder weiteren Minute die vergeht wird es unwahrscheinlicher, dass es tatsächlich der Psycho ist.

Der recht schmale Gang vor meinen Augen teilt sich am Ende noch einmal. Dort gibt es rechts ein Gäste-WC und links ist mein Zimmer. Davor das von Scott. Mein Blick richtet sich auf den Fußboden.

Feine Glassplitter glitzern gefährlich in der Sonne und bestätigen meinen Verdacht nur noch einmal mehr.
Ich sollte es nicht tun. Wir reden oft über solche Situationen. Ich kann mich gewiss selbst verteidigen, aber in einem solchen Fall hat mich Scott angewiesen mich im Keller zu verstecken und darauf zu warten, bis das FBI eintrifft.

Etwas kaltes, nasses hinterlässt einen dünnen Film auf meinen Wangen. Mit meinem freien Arm wische ich mir die Tränen weg. Der Griff um die Waffe verstärkt sich. Egal, wer sich mir gleich in den Weg stellt, ich werde sofort abdrücken.

Kurz vor der Tür zu Scotts' Zimmer bleibe ich stehen und atme noch einmal tief ein und aus.

Ich schaffe das.

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