Kapitel 11

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Geschockt starrte ich das Loch in der Wand an. Stopp. Auszeit. Das... hatte er gerade nicht wirklich gemacht, oder? Hat er mich gerade allen Ernstes dem sicheren Tod überlassen?
Ich schloss kurz die Augen und atmete tief durch. Dann starrte ich die Löcher in der Wand an, die ich in meinem Zorn dort hineingeschlagen hatte. Möglicherweise würden noch mehr dazu kommen.
"Ganz ruhig, Lilith, alles wird gut. Du brauchst Luzifer nicht, um hier wieder rauszukommen. Das schaffst du schon irgendwie...", redete ich leise auf mich ein. Allerdings beschlich mich das ganz miese Gefühl, ihn doch zu brauchen- beziehungsweise die Schlüssel, die er ans andere Ende des Ganges geworfen hatte.
Ich spürte Tränen in meine Augen steigen und blinzelte sie schnell weg. Heulen würde mir jetzt auch nichts nützen, ich brauchte einen klaren Kopf zum Nachdenken. Er wird seine Gründe haben, mich hier zu lassen. Hoffentlich wirklich verdammt gute, ich hatte nämlich eigentlich noch nicht vor zu sterben. Und erst recht nicht so... unspektakulär.
Ich versuchte noch einmal ganz ruhig meine Umgebung zu analysieren, gab es aber wieder auf und setzte mich kopfschüttelnd auf die Pritsche. Ich könnte es noch einmal mit dem selben Trick wie bei El Auria versuchen. Allerdings war hier momentan niemand außer Uriel und der saß ebenfalls hinter Gittern. Was mir ziemliche Genugtuung verschaffte, nebenbei bemerkt.
"Gib es auf, du kommst hier nicht raus. Deinen Gedanken-Kontroll-Trick wirst du nicht nochmal anwenden können und Luzifer kommt nicht wieder. Ich bin auch nicht gerade erfreut darüber, mit dir in die Hölle geschickt zu werden", bemerkte mein Mitinsasse nüchtern.
"Erstens,", fauchte ich ihn wütend an, "wird er auf jeden Fall zurückkommen und zweitens werde ich nicht zurückgeschickt, sondern ausgelöscht, als hätte es mich nie gegeben!"
"Na dann. Viel Spaß beim Sterben", murmelte er. Ich hätte ihm wirklich gerne den Hals umgedreht. Aber ich saß ja hier fest. Doch mein Freund würde auf jeden Fall wiederkommen und mich hier rausholen, er hatte mich doch viel zu sehr lieb. Ich musste bei diesem Gedanken lächeln. Doch mein Lächeln erstarb bald wieder. Was, wenn ich hier tatsächlich nicht mehr rauskam? Daran wollte ich gar nicht erst denken, aber der Gedanke schlich sich immer wieder zurück. Dann wäre ich wohl ziemlich... tot. Und das wäre allein meine Schuld! Hätte ich die Schlüssel selbst genutzt, wäre ich schon längst über alle Berge. Dann hätte er mich nicht zurücklassen können. Ja, ja. Hätte, hätte.

Stundenlang geschah einfach nichts, nur ein einziges Mal kam eine Wache, unterhielt sich mit Uriel über 'den Geflüchteten' und ging wieder, nachdem er mir einen bitterbösen Blick zugeworfen hatte. Sonst saß ich einfach nur da und ärgerte mich über mich selbst. Dann beschloss ich allerdings, meinen Ärger auf Luzifer zu lenken. Dieser...! Sollte ich hier jemals wieder rauskommen, dann hätte er ein ganz gewaltiges Problem. Außer er holt mich selber hier raus. Tat er aber nicht.
Ich saß also mit immer schlechter werdender Laune in meiner Zelle und wartete darauf, dass endlich irgendwas passierte. Und das tat es dann überraschenderweise auch.
Schritte waren das erste, was ich hörte. Danach eine männliche Stimme:
"Dann woll'n wir doch mal die werte Lilith aus ihrem Gefängnis holen."
Die Person lachte leise, während sie näher kam. Ich bereitete mir meinen Fluchtplan vor. So leicht würde ich nicht sterben, diesen Gefallen würde ich Jahwe nicht tun.
"Schlüssel, Schlüssel... Man, wo sind die denn?", fragte er sich leise und flitzte an meinem Gefängnis vorbei, ohne mich eines Blickes zu würdigen.
"Hab ich euch."
Die Schritte kamen wieder zurück, von Klimpern begleitet.
"Hey, Lil. Lange nicht gesehen."
Ich konnte die Erleichterung, die ich in diesem Moment verspürte, nicht in Worte fassen.
"Stimmt, ist lange her, Satan", antwortete ich grinsend. Er schloss die Tür flink auf und winkte mich heraus.
"Wie bist du hergekommen?", fragte ich ihn. Satan zog verwundert eine Augenbraue hoch.
"Hast du deinen kleinen sadistischen Freund vergessen? Wie hieß der noch gleich?"
"Finnian! Er ist ja doch zu was zu gebrauchen!"
Wenn er da gewesen wäre, wäre ich ihm um den Hals gefallen, so viel stand fest.
"Hast du Luzifer gesehen?", fragte ich ihn hoffnungsvoll. Satan nickte während wir zu dem Loch in der Wand traten und hinausschauten.
"Der hat sich 'nen Kampf mit Michael geliefert."
Er grinste.
"Hat natürlich geführt. Der ach so tolle Obererzengel sah ziemlich fertig aus."
Wahrscheinlich hat er mich deswegen hiergelassen, es wäre zu gefährlich. Süß, aber überflüssig, ich konnte auf mich selbst aufpassen.
"Wo sind eigentlich Naamah und die anderen beiden?", wechselte ich das Thema,"Hat Finnian sie nicht hergeholt?"
Satan grinste dreckig.
"Doch, doch. Sie sind hier. Sie... lenken die Wachen ab. War übrigens Naamahs Idee."
Er lachte leise und auch ich musste schmunzeln. Typisch Naamah.
Ich wollte gerade vorschlagen abzuheben und dem Kampf beizuwohnen, als mir etwas einfiel. Grinsend drehte ich mich zu Uriel um, der mich mit kaltem Blick musterte.
"Man sieht sich, Uriel! Wir können los, Satan."
Er nickte und spannte die schwarzen Flügel auf, bereit abzuheben.

"Wen hat Finni noch hergeholt?", fragte ich Satan, der neben mir herflog und uns zum Ort des Geschehens führte. Den Himmel hatten wir schnellstmöglich wieder verlassen.
"Beelzebub, Pluto und Astarot. Und Belial glaube ich auch."
Ich musste zugeben, dass mich das ein wenig beeindruckte. Er hatte also alle Gubernatores und auch noch den Vizekönig beschworen. Dazu kamen noch Luzifer und ich.
Ein lauter Knall ließ mich zusammenzucken. Weiter vor uns ragte eine Flammensäule aus einem steinigen Tal heraus.
"Wir sind da, oder?", fragte ich meinen Begleiter. Er nickte nur und setzte zum Landeanflug an. Ich tat es ihm gleich und wir landeten nahe dem Abhang. Dort unten konnte man kaum etwas erkennen, Rauch, Flammen, höllische und himmlische Magie verdeckten die Sicht. Nur selten sah man etwas von den Kämpfern.
"Sollen wir Luzifer helfen?", fragte Satan mich besorgt. Ich überlegte eine Zeit lang und schüttelte dann den Kopf:
"Besser nicht, das ist sein Kampf. Er wäre ziemlich sauer, sollten wir eingreifen."
Der Gubernator hockte sich an den Abgrund, die Flügel angelegt.
"Na schön", setzte er an,"Ich werde allerdings nicht zulassen, dass Michael ihn umbringt. Da kannst du sagen was du willst."
Ich nickte zustimmend und verschränkte die Arme. In diesem Fall würde ich auch eingreifen. Wir standen, beziehungsweise hockten dort oben und beobachten den wogenden Kampf. Doch dann mussten natürlich die anderen Erzengel auftauchen.

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