Kapitel 14

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Dummerweise blieb sie nicht stehen. Nun ja, wäre sie so dumm gewesen stehen zu bleiben, hätte ich sie wohl nicht töten wollen. Wäre sie so dumm gewesen, hätte ich keinerlei Gefahr für meine Herrschaft in ihr gesehen.
"Du... du musst mich töten, stimmt's? Deshalb wurdest du wiederbelebt."
Sie sah mich vom Fuß des Hügels fassungslos an und ich konnte mir ein dünnes Lächeln nicht verkneifen.
"Ich bitte dich, Lilith. Als hätte ich keinen eigenen Antrieb."
Ich hätte zu ihr teleportieren und überraschen können. Aber... das wäre langweilig.
"Aber... warum? Ich... ich meine..."
Süß. In ihren Augen glitzerten kurzzeitig Tränen, ehe diese aufgrund der Hitze verdampften. Mir schoss durch den Kopf, dass ich sie bisher noch nie hatte weinen sehen. Ich verdrängte den Gedanken schnell wieder.
"Das tut doch nichts zur Sache", erwiderte ich, "Bist du jetzt ein braves Mädchen und kommst hier hin, oder muss ich zu dir kommen?"
Ihre Verzweiflung wurde urplötzlich von Wut ersetzt.
"Na los, dann komm doch! Ich gebe nicht auf. Ich bin vieles, aber ganz bestimmt nicht brav."
Ich zuckte gleichgültig mit den Schultern und teleportierte. Den Schwerthieben wich sie geschickt aus und griff urplötzlich mit einem Feuerball an. Ich wurde gegen die dunkle Schloßmauer geschleudert und begann Wände wirklich zu hassen.
"Wolltest du mich nicht eigentlich töten, mein bester?", fragte sie beim Näherkommen zuckersüß und lächelte ihr ironisches Lächeln. Ich musste einfach grinsen. Überheblichkeit war schon immer eine ihrer Eigenschaften gewesen. Diese gehörte zu ihr, wie ihre Kritikintoleranz. Da hatten wir dann schon was gemeinsam. Ist es nicht schön, etwas mit jemandem gemeinsam zu haben?
"Das werde ich, verlass dich drauf."
Ich teleportierte erneut und stand hinter ihr. Nur leider kannte sie mich schon zu gut. Blitzschnell feuerte sie eine Salve Feuer auf mich ab, doch ganz so blöd war ich ja nun nicht. Ich wich zur Seite aus und rammte ihr das Schwert zwischen die Rippen. Ein kurzer Schmerzensschrei entwich ihr und ich grinste triumphierend. Keuchend wich sie vor mir zurück und ich schlenderte ihr gemächlich nach.
"Wo ist denn dein ganzer Mut hin, hm?"
"Wo sind denn deine Federn hin, hm?", feixte sie zurück und Rang sich ein Grinsen ab. Ich warf kurz einen Blick auf meinen Flügel. Sehr witzig, Lil. Wie originell, etwas in Flammen aufgehen zu lassen. Mit einer ungeduldigen Handbewegung löschte ich das Feuerchen und umhüllte meine freie Hand mit Flammen.
"Witzig."
Die erste Salve traf und schleuderte sie gegen einen Felsen. Die zweite pulverisierte das Gestein und die dritte lenkte sie zurück. Ein Schritt zur Seite genügte, um dieser auszuweichen.
"Es wird langweilig. Wenn du nichts besseres zu bieten hast, dann ist es wohl gleich vorbei. Also?"
Tatsächlich erhob Lilith sich schwankend und blitzte mich entschlossen an.
"Mein Ableben wird auf jeden Fall spektakulärer als deines", fauchte sie. Nun stellte sich mir dir Frage, ob ich gereizt oder überheblich reagieren sollte. Gereizt, weil sie meinen Tod (überaus schmerzhaft, nicht zu empfehlen) als unspektakulär bezeichnet hatte, oder überheblich, weil sie ihren Tod offensichtlich bereits hingenommen hatte. Ich entschied mich für letzteres und lächelte.
"Ich könnte dir theoretisch einfach die Kehle aufschlitzen und deinen Körper dann einfach in das brodelnde Magma werfen. Niemand würde es je erfahren."
Sie wurde sichtlich blass und starrte mich aus großen Augen an.
"Das würdest du nicht wagen."
Mein Lächeln wurde breiter.
"Nein? Das hat Michael auch gesagt, ehe ich den Großangriff anleitete."
"Und sieh was aus dir geworden ist", fauchte sie zurück. Ich lachte auf.
"Der König der Hölle, meine Liebe."
Feuersäulen schossen aus dem Boden und bildeten einen Kreis um sie. Dahinter sah ich ihre flimmernde Umrisse, wie sie sich erhob. Die Säulen nahmen ebenfalls Konturen an und sahen aus wie Menschen. Ich ließ sie näherkommen, ehe ich sie mit einer Handbewegung zurückschickte, zum Angriff. Geschockt sah sie mich an und ließ ihre kleine Armee verpuffen.
"Genug gespielt."
Ein Hagel aus feurigen Splittern prasselte auf meine Gegnerin nieder und zwang sie zu Boden. Ich trat vor sie und hielt ihr das Schwert unters Kinn.
"Noch etwas zu sagen?"
Sie blitzte mich wütend an und presste die Lippen aufeinander. Sie war sogar so kurz vor ihrem Tod noch hübsch.
"Du bist das allerletzte."
"Du weißt nicht, wie oft ich das schon in meinem Leben gehört habe. Und ich lebe schon lange."
Das letzte Bisschen Anstand (oder Zuneigung?) hielt mich kurzzeitig davon ab, das Schwert zu nutzen und es zu beenden. Deshalb hatte ich den Schlüssel nicht genutzt, um sie zu befreien. Bisher hatte ich noch nie jemanden selber getötet. Das hatten immer andere für mich erledigt. Zumindest zitterte meine Hand nicht und meine Maske aus grimmiger Entschlossenheit hielt stand.
Ein widerliches Gurgeln und Röcheln erfüllte die stickige Luft, als das dunkelrote, fast schwarze Blut ihren Hals hinunterlief, das rote Kleid durchtränkte und dunkler färbte. Ihr Blick wurde glasig und sie sank in sich zusammen. Das Blut verdampfte und war nur noch auf dem Kleid. Das Schwert in meiner Hand wog schwerer als sonst. Es war so einfach. Die roten Flügel zogen sich zurück und ihre Augen nahmen wieder ihren früheren Blauton an. Ganz kurz fragte ich mich, ob ihre Seele wohl in den Himmel oder in die Hölle kommen würde. Beides wäre überaus paradox. Dann konzentrierte ich mich wieder und hob den leblosen Körper hoch, brachte diesen zum nächstgelegenen Magmastrom und ließ sie hineinfallen. Einen Herzschlag lang trieb sie darauf, ehe das flüssige Gestein sie unter sich begrub. Weg. Aus und vorbei. Raus aus meinem Leben, nach all den vielen Tausend Jahren. Endlich.

LilithWo Geschichten leben. Entdecke jetzt