Kapitel 15

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 Die Nacht war einer der grausamsten seit langem. Max stand völlig gerädert vor dem Spiegel in seinem Schlafzimmer, das Gesicht, welches ihm daraus entgegen blickte war das gleiche, was ihn bereits vor Wochen schon anstarrte, bevor Florian in sein Leben getreten war.

 Er musste sich beeilen, es war bereits nachmittags und Florian würde gleich zu seiner Arbeit gehen, wie er es nannte, doch sprach er nie darüber. Max musste sich eingestehen, dass er Angst hatte. Ja, er hatte Angst vor dem, was er vielleicht gleich erfahren würde. Das schlimmste Szenario, das sich Max vorstellen konnte war, dass Florian ihn mit einem anderen, oder sogar einer anderen betrügen würde, aber irgend etwas sagte Max, dass es nicht so war.

 Seufzend richtete er sich seine Kleidung, zog sich Schuhe und Jacke an und verließ die Wohnung. Jedoch hatte Max vergessen, den Schlüssel einzustecken, doch er beachtete es nicht weiter, sondern machte sich auf den Weg zu der Wohnung von Florian.

 Das Wetter in Berlin war um diese Jahreszeit immer grauenhaft. Max hasste dieses nasse und kalte Wetter, selbst die Sonne ging bereits langsam unter. Inzwischen war es Max aber auch egal, denn das Einzige, was er endlich wissen wollte, war die Wahrheit, die ganze Wahrheit über Florian Mundt, welcher ihn angeblich so sehr liebte.

 Nach wenigen Minuten, er war bereits an der Wohnung seines Freundes angekommen, doch hielt sich etwas versteckt, kam dieser endlich aus dem Mehrfamilienhaus. Doch er ging nicht den Weg nach rechts, der zu der Wohnung von Marie Meimberg und ihrem Mann führte, nein, Florian nahm den entgegen gesetzten Weg, welcher, wenn man ihn eine kleine Weile lief, zur Kurfürstenstraße führte, eines der bekanntesten Orte für Prostitution in Berlin.

 So folgte Max dem braunhaarigen mit einem gewissen Sicherheitsabstand, und mit jedem Meter mehr, den sie liefen, verstärkte sich Max' Vorahnung, dass sie genau auf diesen Bezirk zu gingen. Irgendwann endlich, sie waren bereits seit über einer dreiviertel Stunde unterwegs, die Sonne war bereits vollkommen unter gegangen, erreichte Florian sein Ziel und stellte sich zwischen zwei spärlich bekleideten Frauen auf den Gehweg nahe der Straße.

 Max, welcher seine Kapuze über den kopf gezogen hatte, um nicht erkannt zu werden, beobachtete den Platz, auf dem Florian stand. Hin und wieder fuhr ein Auto vorbei, mal stieg eine Frau ein, eine andere stieg wieder aus einem anderen Auto aus. Das ganze ging ungefähr zwanzig Minuten so, ehe ein Auto plötzlich vor Florian hielt. Dieser lief langsam auf den silbergrauen Ford zu, beugte sich hinunter, ehe er letzten Endes einstieg und das Auto langsam auf einen Parkplatz in der Nähe zu steuerte.

 Sofort folgte Max dem Auto, in dem Florian saß und hatte es in kürzester Zeit sogleich wieder eingeholt. Das Auto stand auf einem verwaisten Parkplatz eines baufälligen Gebäudes. Langsam ging Max auf das Fahrzeug zu und versuchte, etwas durch die Fensterscheibe zu erkennen. Da dies jedoch nicht wirklich funktionierte, weil das Licht der Straßenlaterne reflektiert wurde, ging er um das Auto herum und öffnete einfach die Beifahrertür, ohne darüber nach zu denken.

 Doch was Max da sah, verschlug ihm den Atem. Florian, welcher sich über einen alten Mann, der ungefähr im Alter zwischen Fünfzig und Sechzig sein musste, beugte und dessen Penis im Mund hatte. Der Mann stöhnte, doch als er bemerkte, dass die Tür aufgerissen wurde, schob er Florian von sich und warf diesen praktisch aus dem Auto. Florian fiel dabei zu Boden, der Mann schloss die Beifahrertür und fuhr so schnell er konnte davon.

 Der braunhaarige, der auf dem Boden lag, sah ungläubig zu Max, versuchte Worte zu finden, die alles erklären konnten, beziehungsweise sollten. Aber Max starrte ihn nur fassungslos an. "Du sagtest, du hättest keine Geheimnisse vor mir.", sagte Max in einer gefährlich ruhigen Tonlage. "Florian Mundt, du bist wohl das größte Arschloch, was auf der ganzen Welt existiert. Wenn du noch etwas zu beichten hast, dann mach es jetzt. Wieso bist du eine verdammte Hure?", schrie er Florian an.

 "Max, es ist nicht so, wie es aussieht. Ach, scheiße. Doch, es ist so, wie es aussieht. Ich bin ein Prostituierter, ja. Damit versuche ich, mir meine, meine... Damit versuche ich mir meine Sucht nach Heroin zu finanzieren. Als ich in der Schule war, bin ich an ein paar ziemlich dumme Typen geraten und die haben mich da-".

 "Sei einfach Ruhig, Florian. Du bist also nicht nur eine kleine dreckige Hure, sondern auch noch ein beschissener Junkie? Florian, du hast mich also die ganze Zeit angelogen, hast mit mir gespielt? Dann hast du mich anscheinend ja wirklich nicht geliebt, sondern hast mich nur als ein billiges Opfer gesehen, mit dem du ab und zu mal Ficken kannst, wenn es dir deine freier nicht richtig besorgen, hm? Wenn du mich wirklich lieben würdest, dann hättest du mich nicht so belogen. Ich will dich niemals wieder sehen, du verdammter Wichser. Komm mir niemals wieder zu Nahe. Solltest du mir jemals wieder begegnen, werde ich dich verletzen.".

 Die Worte, die über Max seine Lippen kamen, ließen Florian das Blut in den Adern gefrieren. Ohne ihn auch nur eines weiteren Blickes zu würdigen, drehte sich Max um und rannte einfach davon. Bereits nach wenigen Augenblicken war Max aus Florians Blickfeld verschwunden und er brach auf dem kalten und nassen Boden zusammen. Die Tränen liefen unaufhörlich über dessen Gesicht, so wie sie auch zur selben Zeit über Max' Gesicht liefen.

 "Ich habe dich wirklich geliebt, Max. Ich liebe dich immer noch. Es tut mir so leid.", sprach Florian die Worte zittrig in die Nacht, doch niemand konnte ihn hören. Er war alleine, so wie auch Max nun alleine war. So lag Florian da, verzweifelt, ängstlich und, im wahrsten Sinne des Wortes, am Boden zerstört. Doch am meisten hatte er Angst um Max, dass dieser sich etwas antun könnte.

 Max, welcher zu dieser Zeit bereits in einen Späti gegangen war und mit verquollenen Augen zwei Flaschen Vodka kaufte, war bereits dabei, die erste Flasche mit der brennenden Flüssigkeit zu leeren. Da Max noch nichts gegessen hatte, zeigte der Alkohol schnell Wirkung und Max fühlte sich mit jedem Schluck mehr wie in Watte gepackt. Die Tränen wollten längst nicht mehr laufen und schnell war die erste Flasche geleert.

 Florian konnte sich nach einiger Zeit dazu auf raffen, aufzustehen und Max suchen zu gehen. Sein Verhalten tat ihm unfassbar leid und er schämte sich, dass er nicht sofort die Wahrheit gesagt hatte. Er folgte der Richtung, in die Max gerannt war, rief immer wieder seinen Namen, doch ohne Erfolg.

 Er wusste nicht, wie lange er bereits suchte, doch irgendwann fiel er erschöpft auf eine Bank in irgend einem Park. Wo er war, wusste Florian schon lange nicht mehr, immer wieder kreisten seine Gedanken um Max, welcher sturz betrunken durch die Straßen Berlins taumelte.

 Irgendwann, es waren bereits einige Stunden seit dieser Situation vergangen, war Florian auf der Parkbank eingeschlafen. Max hingegen wanderte immer noch durch die Straßen, die zweite Flasche des hochprozentigen Alkohols war ebenfalls geleert und ein Bier befand sich in der Hand des blauäugigen. Schon lange wusste er nicht mehr, wo er war, doch seine Gedanken wurden immer negativer. Alles, was Max noch hatte, war das Auslandssemester in Amerika, doch mehr hatte er nicht. Für ihn gab es keinen Sinn mehr, sein Leben weiter zu führen. Er hatte keine Familie mehr und jetzt hatte er auch noch seine einzige Liebe verloren.

 Die Gedanken wurden immer dunkler und wenig später fand Max sich auf den Gleisen wieder, die aus dem Tunnel des Hauptbahnhofs hinaus führten. Er hörte und spürte, wie sich anscheinend ein Zug in Bewegung setzte. Ohne auch nur daran zu denken, von den Gleisen zu gehen, setzte er sich vor den Tunneleingang und erwartete sein Schicksal.

 "Glück, Freude und Liebe gibt es nur für die Dummen, denn sie erkennen die Welt vor ihnen nicht.".


Ende?


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