Kapitel 3

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Es war wieder dieser Traum. Dieser Traum, der Max einfach nicht in Ruhe lassen wollte. Er zeigte ihm, was passiert war, wo er doch unschuldig war, ein kleiner Junge war.


 Jedes Mal, wenn Max diesen Traum hatte, wollte er einfach nicht in den Tag starten. Der Rückschlag, der schon am Anfang des Tages kam. Max wollte nicht aus dem Haus, er wollte nicht in die Universität, wollte nicht den langweiligen Stoff hören, den er auch aus seinen Büchern oder Notizen nachlesen konnte, vor allem wollte er nicht dieses Treffen mit Florian.

 Natürlich schien Florian ein netter Mann zu sein, und Max war etwas aufgetaut, während sie miteinander schrieben, allerdings war Max nicht begeistert davon, ihm zugestimmt zu haben, er wollte nur höflich sein.

 Wie jeden Morgen machte sich Max für die Universität bereit. Duschen und danach anziehen, dann seine Bücher und Schreibutensilien in seine Tasche packen und die Wohnung verlassen. Die kalte Morgenluft begrüßte ihn mit grauen Wolken am Himmel und einem leichten Nieselregen. Max mochte diese Jahreszeit nicht, viel lieber war ihm die Sonne, zumindest, war das bis vor ein paar Jahren noch so. Mittlerweile war Max das Wetter und die Jahreszeit egal, er lebte nur noch vor sich hin.

 Zu sehr wünschte er sich, wieder unbeschwert leben zu können, er sehnte sich nach der Zeit, als er noch ein unschuldiges kleines Kind mit Träumen war, der gerne Musik machte und gerne mit Freunden unterwegs war oder zockte. Doch das war schon lange nur noch Vergangenheit. Seit er 17 war, ging es mit seiner Psyche mehr als nur bergab. Die Scheidung seiner Eltern sollte eine Erleichterung für seine geschundene Seele sein, doch machte es ihn nur noch mehr kaputt. Max wollte doch niemals mehr als eine unbeschwerte Kindheit mit Liebe von beiden Elternteilen, doch das war ihm nicht vergönnt. Das Leben war grausam, vor allem zu Max.

 Auch, wenn er sich manchmal nichts sehnlicher wünschte, als einfach wieder richtig leben zu können, so wünschte er sich es doch auch nicht anders. Niemand hatte so ein Leben verdient, niemand sollte von seiner Vergangenheit und seiner Psyche zerstört werden.

 Der Weg zur Universität verlief, bis auf das Verpassen seiner zweiten Bahn, ziemlich ruhig. Ein Kommilitone schrieb ihm, dass seine erste Vorlesung entfallen würde, also brauchte Max sich nicht zu beeilen.

 Da er diesmal in der Bahn Florian nicht über den Weg lief, fiel es ihm etwas leichter, sich auf das bevorstehende Treffen mit eben diesem zu konzentrieren. Max wusste nicht, was ihn erwarten würde, und er wusste nicht, wie er das mit dem Essen machen wollte. Seufzend legte er eine Hand auf seinen viel zu flachen Bauch. Er musste etwas ändern, aber er konnte es nicht. Alleine würde Max es niemals schaffen, allerdings konnte er auch nicht nach Hilfe fragen, das wäre einem gesellschaftlichem Suizid gleich.

 Bevor Max direkt zur Universität ging, machte er einen kleinen Umweg zu einer nahe gelegenen Bäckerei, um sich einen Tee zu holen. Gerade, als er zahlen wollte, drang ihm eine bekannte Stimme mit den Worten "Halt, ich mach das schon." ans Ohr. Bevor er auch nur aus den Augenwinkeln erkannte, wem die Hand gehörte, wusste er, dass es Florian war.

 Dankend nahm Max den Kaffee von der Theke und drehte sich zu den lächelnden braunen Augen um. Nochmals bedankte er sich direkt bei Florian damit, dass dies nicht Nötig gewesen sei, und drehte sich um, um die kleine, warme Bäckerei zu verlassen.

 Als Max draußen war, versuchte Florian ihn schnell einzuholen, um neben ihm gehen zu können. "Das nächste Mal gibst du mir 'nen Kaffee aus, Deal?" scherzte Florian woraufhin Max nur mit einem einfachen "Klar." antwortete.

 "Ey, alles ok, Dude? Du siehst ja noch blasser aus, als gestern bei dem eh schon beschissenen Toilettenlicht. Sicher, dass das nur ein Infekt ist?", fragte Florian. "Ja, mir geht es schon besser, hatte nur eine miese Nacht, du kennst das ja."

 Florian antwortete mit einem einfachen Ja, da er das selbst von sich kannte. Max war an diesem Morgen, wie auch sonst nicht wirklich , kein bisschen Redebedürftig, weswegen er es Florian überließ, dass dieser ihn über die neusten Spiele und Filme zutextete, als wären sie schon seit Jahren die besten Freunde. Max mochte diesen Mitteilungsdrang an Florian, allgemein fühte er sich in seiner Nähe, trotz dass sie sich nicht einmal seit 24 Stunden kannten.

 Es faszinierte Max auf einer Ebene, die er so noch nicht kannte, und um ehrlich zu sein wusste Max nicht, was das war und was das bedeutete. Dieses Gefühl, neben Florian zu laufen und beinahe die Wärme des Größeren zu spüren, ließ sein rationales Denken bröckeln.

 Max war froh, dass der Weg von der Bäckerei bis zur Universität nur ein kurzer Fußmarsch war, allerdings würde ihm das Gefühl, von Florian neben sich, während den Vorlesungen fehlen.

 Sanft drückte Florian Max' Schulter mit seinen schlanken und filigranen Fingern, ehe er sich mit den Worten, dass man sich nach der Uni am Haupteingang treffen würde, verabschiedete. Der Druck von Florians Hand auf Max seiner Schulter ließ eine Art elektrischen Impuls durch Max fahren, welcher dafür sorgte, dass diesem die Haare an seinem Nacken zu Berge standen.

 Kopfschüttelnd und mit seinem mittlerweile lauwarmen und halb ausgetrunkenem Tee machte sch Max auf den Weg zu seinem Hörsaal. Er hatte nicht mehr wirklich die Zeit, um weiterhin an diese, aus Max' Sicht, bizarre Situation zu denken, da er sofort von seinem Dozenten mit dem neusten Lehrstoff zu getextet wurde. Max' Gedanken schalteten auf seinen rationalen Lernmodus um, welchen er bis zum Ende der letzten Vorlesung auch bei behielt.

 Nach nicht enden wollenden Vorlesungen über Wirtschaftsrecht und Englisch war Max für den heutigen Tag von der Universität befreit. Bevor er gleich zum Haupteingang ging, besuchte er noch einmal die Männertoilette, wusch sein Gesicht mit kaltem Wasser und sah in den Spiegel. Verstrubbelte Haare und blasse Haut, dunkle Augenringe und eingefallene Wangen, dazu noch die Augen, die nicht strahlten und der ungepflegte Drei-Tage-Bart. Es machte Max fertig, sich selbst so zu sehen, wie sein psychischer Gesundheitszustand dafür sorgte, wie er sich hatte gehen lassen.

 Seufzend trocknete er sich die Hände und begab sich nun doch zum Haupteingang, wo ihn Florian schon lächelnd erwartete.

 "Hey, wie waren deine Vorlesungen. Meine waren ausnahmsweise mal richtig interessant und informativ. Bei dir?" fragte Florian sofort, woraufhin Max mit mit einem einfachen "Langweilg." antwortete. "Du Florian, wo gehen wir eigentlich hin?"

 "Wir zwei, gehen jetzt erst einmal was richtiges Essen. Keine Angst, ich schlepp dich schon nicht in eine dunkle Ecke, um dich zu vergewaltigen, ich bin eher so der Massochist. Also, wenn du mal Lust hättest, will ich damit sagen. Aber nicht auf Vergewaltigung, sondern, du weißt schon."

 Damit hatte Max nicht gerechnet. Halb verstört, halb belustigt sah er Florian an. "Einfach nur das Essen, das reicht mir bei dir. Über das andere reden wir am besten nicht.", antwortete Max und folgte Florian, welcher sein Hyänenartiges Lachen lachte, was Max so ansteckte und begann, zu mögen.

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