2. Kapitel

177 15 4
                                    

Regel Nummer 6: Verlasse Nachts niemals das dir zugeteilte Haus.

Regel Nummer 7: Empfange Nachts keinen Besuch.

In dieser Nacht schlief ich unruhiger als sonst. Immerwieder wachte ich auf und immerwieder dachte ich darüber nach, was ich tun konnte um diese blöde neue Regel aufzuheben aber noch bevor mir etwas einfallen konnte, übermannte mich die Müdigkeit und ich schlief sofort wieder ein. Was die Sache aber nicht besser machte.

Hin und wieder sah ich in meinen Träumen die ausdruckslosen Gesichter der Herrscher. Ihre schneeweiße Haut spannte sich glatt über ihre schlanken Körper, als wären sie aus Porzellan. Ihre pupillenlosen, blauen Augen leuchteten unnatürlich während sie mich kalt, ohne jegliches Gefühl anstarrten. Jedes Mal, wachte ich auf und spürte wie sich kalter Schweiß auf meiner Stirn bildete aber einer dieser Träume, war besonders grauenvoll.

Ein Herrscher, in weißem Gewandt, mit golbesticktem Muster und einem großen Zepter in der Hand, stand auf einem Haufen Menschenskeletten. Ich hörte Schreie im Hintergrund, als er von seinem schrecklichen Podest hinunter stieg und genau auf mich zukam, das Zepter auf meine Brust gerichtet...

Ich schrie. So laut, dass ich selbst von meinem Schrei geweckt wurde und setzte mich mit laut pochendem Herzen auf. Zitternd schnappte ich nach Luft, versuchte diese furchterregenden Bilder aus meinem Kopf zu bekommen, aber sie hatten sich in mein Hirn eingebrannt, wie heißes Eisen auf Haut. Würde es so enden?

Die Herrscher, die auf unseren verotteten Knochen standen und die letzten Menschen, die noch übrig waren töteten. Ich durfte nicht zulassen, dass es so endete. Ich konnte nicht...

Ein dumpfes Geräusch ließ mich abermals aufschrecken und sofort wanderte mein Blick zur Tür.

In unserem Sektor hatte jeder sein eigenes Haus, dass jedoch nur aus einem Zimmer und einem Badezimmer bestand, sodass sich die Haustür keine fünf Meter vom Bett entfernt befand. Keiner von uns musste Angst haben ausgeraubt oder überfallen zu werden, denn wenn man nichts besitzt, kann einem auch niemand etwas wegnehmen. Außerdem war es verboten zu stehlen oder sich Nachts überhaupt noch außerhalb seines Hauses aufzuhalten, deshalb war ich um so überraschter, als sich das Geräusch als Klopfen heraus stellte.

,,Meddy", flüsterte eine nervöse und aufgeregte Stimme von draußen und für einen kurzen Moment dachte ich, micht verhört zu haben. Diese Stimme klang genau wie Kessy nur wusste ich, dass Kessy niemals etwas so gefährlich machen würde, wie mitten in der Nacht ihr Haus zu verlassen und mich aufzusuchen... ,,Medyson, bist du wach?"

Wollten sie mich vielleicht rein legen? Mich testen, ob ich die Tür öffnete, weil sie vielleicht doch gehört hatten, was ich am Abend über sie gesagt hatte. Aber das war doch unsinnig. Ich hatte mich schlecht über sie geäußert. Ich hatte bereits gegen Regal vier verstoßen, also mussten sie mich nicht weiter testen, um mich verschwinden zu lassen. Vielleicht, waren sie es ja. Vielleicht konnten sie ihre Stimmen so verändern, dass sie ganz genau wie Kessy klangen oder wie jeder andere. Möglich wäre es, denn es gab nicht viel, dass wir Menschen über sie wussten.

,,Meddy, jetzt mach endlich die Tür auf. Ich bekomme langsam Angst", zichelte Kessys Stimme aufgebracht.

Ich hatte keine Wahl. Wenn sie es waren, dann würden sie sicherlich einen anderen Weg finden um mich zu verschleppen und wenn es wirklich Kessy war, die da vor meiner Tür stand, dann musste ich sie rein lassen, sonst lief sie Gefahr, entdeckt zu werden.

Leise schlich ich über den eiskalten Betonboden und drückte langsam, mit rasendem Herzen und beschleunigter Atmung die Türklinke hinunter.

Für einen Moment sah ich nichts als Dunkelheit und ich rechnete schon beinahe damit, irgendwo in dem undurchdringlichen Schwarz zwei leuchtend blaue Augen zu entdecken. Aber dann drängte sich Kessy, zum Glück die Echte, an mir vorbei ins Haus und schloss kaum hörbar die Tür.

Graue Welt - Falle niemals aufWo Geschichten leben. Entdecke jetzt