8. Kapitel

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Dieses Mal träumte ich weder von den Herrschern, noch von Kessy. Was mich wunderte, denn ich hatte an nichts anderes als an sie gedacht.

Ich träumte von Sektor sieben aber irgendwie war es nicht wirklich der Sektor, aus dem ich geflohen war.

Die Felder waren kaputt, der Mais platt getrampelt und das Gras schien welk zu sein, als wäre es vertrocknet.

Ich stand mitten auf dem Feld, auf dem ich gestern Abend das letzte Mal gearbeitet hatte aber ansonsten, war keiner da.

Es war Tag und die Sonne stand hoch über mir an dem wolkenlosen blauen Himmel, als ich plötzlich eine Sternschnuppe sah. Ich kniff die Augen zusammen und sah genauer hin. Eine Sternschnuppe am helligsten Tag?

Dann kam die Sternschnuppe näher, so nah, dass sie sich plötzlich in einen riesigen, roten Feuerball verwandelte. Ich schnappte nach Luft und wollte zu den Häusern hinüber laufen um die Leute, die vielleicht noch dort drin waren zu warnen aber ich konnte mich weder bewegen, noch schreien.

Als die Feuerkugel schon fast auf der Erde aufschlug, schloss ich die Augen. Ich dachte, ich würde sterben aber meine Augen öffneten sich wie von selbst wieder und was ich sah, ließ mich auf die Knie gehen.

Der Himmel war pechschwarz, die Felder und die Häuser brannten, während Rauch hinauf stieg. Ich sah nur noch Feuer. Es schien, als würde die ganze Welt brennen und ich spürte, wie ich zitterte. Ein Kloß bildete sich in meinem Hals, erstickte den Schrei, den ich ausstoßen wollte und ließ haltlos Tränen über mein Gesicht laufen. Das war meine Schuld...

,,Meddy? Hey Meddy!"

Ich riss die Augen auf und setzte mich keuchend auf, so schnell, dass ich mit dem Kopf gegen die niedrige Decke stieß. Ein pochender Schmerz breitete sich auf meinem Schädel aus aber ich ignorierte ihn und sah mich hektisch um.

,,Wer...", murrte ich verwirrt, rieb mir den Kopf und sah mich um. Ich war immernoch in Hauptquartier der Rebellen und Joanna stand, leicht erschrocken in der Tür und starrte zu mir hinauf.

,,Ich wollte gerade zur Toilette und...", meinte sie und runzelte die Stirn. ,,Ich habe gehört wie du schreist also habe ich gedacht, du bist vom Bett gefallen oder so was..."

,,Ähm...Nein...", erwiderte ich und versuchte nicht rot zu werden. Wahrscheinlich dachte Joanna jetzt, ich sei völlig durchgeknallt. Wundern würde es mich nicht...

,,Du hattest also einen Albtraum", sagte sie. Es war keine Frage, sondern eine Feststellung und für einen Moment fragte ich mich, woher sie das wusste aber dann wurde mir klar, dass es der einzige, sinnvolle Schluss war.

,,Es war nichts schlimmes", log ich nüchtern obwohl ich immernoch zitterte, wenn ich an den Anblick des verbrannten Sektors dachte. Was war mit den Menschen geschehen, die dort lebten?

Es war nur ein Traum, versuchte ich mich zu beruhigen aber trotzdem wollten diese grauenhaften Bilder nicht aus meinem Kopf verschwinden. Was, wenn es wirklich passieren würde?

,,Hör zu, wenn du jemanden zum reden brauchst-", fing Joanna an aber ich unterbrach sie kopfschüttelnd.

,,Nein" erwiderte ich schnell. ,,Nein schon gut. Ich habe oft Albträume wenn irgendetwas neues passiert. Das ist normal."

Das stimmte. Jedes Mal, wenn die Herrscher neue Regeln eingeführt hatten, hatte mich ein Albtraum nach dem anderen verfolgt und nun war ich hier. Neue Umgebung, neue Leute, neue Aufgaben...Mein Gehin kam da wahrscheinlich nicht mit oder sowas...

,,Na schön", meinte sie aber ihr besorgter Blick änderte sich nicht und sie musterte mich noch eine ganze Weile, bevor sie mir sagte, ich solle in einer halben Stunde zum Essen kommen, und endlich ging.

Seufzend ließ ich mich wieder auf mein Kissen sinken und starrte zu der grauen Decke hoch. Ich hätte Joanna sagen sollen, dass diese ganzen Grautöne so deprimierend waren, dass es kein Wunder war, wenn ich Albträume bekam. Ich fragte mich, ob einer von den Leuten hier schon einmal auf die Idee gekommen war, wenigstens die Wände zu streichen. Das hier waren die Rebellen und nur, weil die Herrscher einheitliches Grau bevorzugten, mussten sie es ihnen nicht gleich tun. Vielleicht konnte ich mit Elijah darüber reden, dann hätte ich wenigstens etwas zu dem ganzen hier beigetragen, als nur über seine Fahrkünste zu meckern...

✴✴✴

,,Hey, Meddylein", schnurrte Dean, als ich in die Cantina eintrat und zu dem Tisch ging, an dem ich am Morgen gefrühstückt hatte. ,,Ich habe dir schon dein Essen gebracht."

Er zeigte zwinkernd auf einen Teller mit Hühnchen und Kartoffelpüree. Verdammt, dass letzte Mal, als ich Hühnchen gegessen hatte, war ich sieben Jahre alt gewesen und mein Vater hatte eines von einem der Wächter geklaut. Meine Mutter hatte beinahe einen Anfall bekommen, als sie das erfahren hat aber mein Vater hatte ihr versichert, dass es nicht auffallen würde und so war es dann auch gewesen...

Ich hielt inne. Wieso dachte ich plötzlich über meine Eltern nach? Ich hatte seit Jahren nicht mehr an sie gedacht. Wieso gerade jetzt...?

,,Meddy?", wisperte Elijah. Er stand genau hinter mir und ich erschrak für einen Moment, als er mich aus meinen Gedanken riss.

,,Ja schon gut", erwiderte ich, lief um den Tisch herum und ließ mich neben Dean vor meinen Teller auf den Stuhl fallen.

,,Wenn du mich noch einmal Meddylein nennst", zichte ich trocken in Deans Richtung, als ich merkte, dass er mich angrinste. ,,Dann-"

,,Küsst du mich?", fragte er und fuhr sich mit der Hand durch die Haare.

,,Nein", erwiderte ich. ,,Ich hatte eher an sowas wie aufspießen oder erhängen gedacht..."

,,Ich mag deine Fantasie", flüsterte Dean und augenrollend stopfte ich mir eine Gabel mit Kartoffelpüree in den Mund. Ich hatte wirklich keine Lust mit ihm zu reden.

,,Elijah!", schrie plötzlich eine Stimme, vom anderen Ende des Raumes. Alle in der Cantina drehten sich schlagartig um und Elijah, der mir gegenüber saß, sprang sofort von seinem Stuhl auf.

Lis stand in der Tür zum Trainingssaal, die Augen weit aufgerissen und das Gesicht zu einer Maske aus Angst verzerrt. Ich spürte, wie mein Herz einen Schlag aussetzte und Panik den Raum durchflutete, wie eine Welle aus Gift. Es war still im Raum, obwohl hier mindestens fünfzig Leute saßen.

,,Sie haben Louis", sagte Lis. Sie musste nicht schreien damit sie jemand verstand. ,,Und ich glaube, er wird ihnen alles erzählen..."

,,Wer ist Louis?", flüsterte ich Elijah zu, als der ganze Raum plötzlich anfing zu tuscheln aber Elijah warf mir nur einen bitteren Blick zu, murmelte: ,,Entschuldige." Und lief zu Lis hinüber, die ziemlich aufgelöst wirkte.

Alle Augen in der Cantina waren auf die beiden gerichtet aber offensichtlich wussten sie das, denn sie redeten nun so leise, dass man sie unmöglich hören konnte.

Ich sah eine Weile zu, wie Lis sich zitternd durch die Haare fuhr und zichelnd mit Elijah sprach, dann wandte ich mich an Dean.

,,Was ist mit diesem Louis?", erkundigte ich mich und ließ meine Gabel auf den Teller sinken. Mir war der Appetit redlich vergangen. ,,Und was wird er wem sagen?"

,,Louis ist einer unserer Spione", antwortete Dean und sein ernster Tonfall machte mir Sorgen. Er lächelte nichteinmal mehr und sein Blick war besorgt auf Lis und Elijah gerichtet. ,,Er ist gestern los gezogen, um die Leute aus Sektor fünf zu beobachten. Er hätte schon heute Morgen zurück sein sollen. Joanna hat Elijah gesagt, dass er immernoch weg ist und er hat Leute los geschickt, um Louis zu finden aber...Scheinbar haben sie ihn nicht gefunden."

Ich erinnerte mich daran, dass Joanna Elijah aufgehalten und gesagt hatte, dass ein Louis noch nicht da sei, kurz bevor er mir mein Zimmer zeigen konnte aber ich hatte nicht wirklich gewusst, um was es ging...

,,Also haben die Herrscher ihn?", fragte ich und fürchtete mich etwas vor der Antwort. Dean nickte.

,,Sieht so aus", meinte er. ,,Und wenn sie ihn haben, dann wissen sie ganz genau, was sie machen müssen um an Informationen über uns zu kommen."

Mein Blick glitt wieder zu Lis und Elijah, die nun im Trainingssaal verschwanden und ich wusste, dass der Ausbruch aus Sektor sieben jetzt mein kleinstes Problem war.

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