3. Kapitel

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Regel Nummer 2: Verlasse niemals deinen Sektor.

Panik kroch durch meine Venen, als ich über die Türschwelle in die frische Nachtluft trat. Aber die Angst war nicht das einzige, dass ich spürte.

Da war ein gewisser Reiz und die Furcht erwischt zu werden, schickte Adrenalin durch meinen gesamten Körper, ließ mich wacher werden, vorsichtiger aber irgendwie auch...Glücklicher. Ich fühlte mich wie ein Vogel, der seinen Käfig aufgebrochen hatte und in die Freiheit hinaus flog, obwohl ich den Sektor noch nichteinmal verlassen hatte. Irgendwie fand ich gefallen an dem Verbotenem...

,,Oh, na super", murrte Kessy. Wir hatten hinter einer Sammeltonne für Mais Deckung gesucht, als wir die beiden Wächter vor dem Eingang des Sektors bemerkten. Sie trugen beide jewals schwarze ganzkörper Kostüme, mit leuchtenden, dunkelblauen Mustern. Ihre Gesichter wurden von dunklen Helmen verdeckt und ich sah Laserpistolen und andere Waffen, die sehr dünnen Messern ähnelten, an ihren Gürteln.

,,An denen kommen wir niemals vorbei", stöhnte ich leise und war versucht, wütend gegen die Tonne zu schlagen aber ich hielt mich zurück. Wenn ich schon sterben musste, dann nicht weil ich vor Wut gegen Sachen schlug.

,,Vielleicht gibt es einen anderen Ausgang", murmelte Kessy und ließ den Blick über die Felder gleiten aber alles in einem Umkreis von fünf Kilometern war von einem elektrischen Zaun umgeben und nirgendwo war auch nur eine kleine Öffnung zu sehen. Wir saßen fest.

Nicht, dass ich mit etwas anderem gerechnet hätte. Wenn es ein Kinderspiel wäre aus dem Sektor zu fliehen, dann wäre mehr als die Hälfte der Leute schon längst weg. Aber dennoch war ich frustriert so kurz vor dem Ziel aufgehalten zu werden. Das Glücksgefühl von vorhin verschwand augenblicklich und wich Enttäuschung.

,,Das hat keinen Sinn", murrte ich und ließ mich mit dem Rücken gegen die Tonne gepresst zu Boden gleiten. ,,Die werden uns umbringen noch bevor wir den Ausgang überhaupt erreichen."

,,Es muss einen Weg geben", erwiderte Kessy flüsternd. Ihre braunen Augen glänzten in der Dunkelheit. Vielleicht vor Angst? Ich wusste es nicht aber eines wusste ich ganz sicher. Ich würde heute Nacht sterben.

,,Jedes System hat eine Schwachstelle", fuhr Kessy fort und setzte sich neben mich auf den kieselbedeckten Boden.

,,Jedes menschliche System", verbesserte ich sie. ,,Bei ihnen habe ich noch nie irgendeine Schwachstelle gesehen..."

Das stimmte. Jede ihrer Bewegungen war perfekt, ihre Präzision, fehlerfrei. Selbst ihre Mimik blieb immer die selbe, kalte Maske egal in welcher Lage sie sich befanden. Es war schwer zu glauben das wir sie irgendwie überlisten oder austricksen konnten. Sie hatten unseren gesamten Planeten eingenommen. Es war lächerlich zu hoffen, dass sie einen einfachen Sektor nicht richtig bewachten.

Während ich darüber nachdachte, wie ich Kessy überreden konnte die ganze Sache zu vergessen und schlafen zu gehen, stand sie wieder auf. Vielleicht wollte sie nachsehen ob die Wächter immernoch vor dem Eingang standen. Vielleicht war ihr auch etwas eingefallen und sie wollte überprüfen, ob es machbar war. Jedenfalls erfuhr ich es nicht mehr, denn gerade, als sie sich an dem Deckel der Tonne hochziehen wollte, fiel dieser mit einem lauten Knall zu Boden und ich wusste, dass das unser Todesurteil war.

Fast Augenblicklich schalteten sich die riesigen Scheinwerfer an den Ecken des Zaunes ein und blendeten mich so stark, dass ich mir die Hand vor die Augen pressen musste, damit ich überhaupt etwas sah. Eine ohrenbetäubende Sirene dröhnte aus allen Richtungen und ich spürte, wie Kessy mich am Arm packte und zu Boden warf, als die ersten Schüsse fielen.

Blaue Laserstrahlen flogen über meinen Kopf hinweg und in all dem Chaos, merkte ich kaum wie Kessy abermals nach meinem Arm Griff und mich wie der auf die Beine zog.

Wir rannten in Richtung des Feldes, dass uns vielleicht Deckung geben würde aber gerade als wir den Rand erreichten, wusste ich das es hoffnungslos war. Sie würden uns jagen, bis wir tot und blutend zu ihren Füßen lagen. Es gab kein entkommen...

,,Fangt!", rief plötzlich eine männliche Stimme zu meiner Rechten und wie auf Kommando streckte ich die Arme aus und spürte sogleich etwas schweres und kaltes in meiner Hand. Eine Laserpistole.

Ohne weiter nachzudenken, wirbelte ich herum und drückte den Abzug. Zu meiner Überraschung traf ich einen der Wächter am Bein und sofort ging er keuchend zu Boden aber der andere war schwerer zu treffen. Er wich meinen Schüssen gekonnt aus und selbst die, die Kessy und der Unbekannte neben mir abfeuerten, konnten ihm nichts anhaben und dann, plötzlich und ohne das ich es überhaupt realisierte, traf einer. Aber es war nicht einer von uns.

Für einen Moment erstatten die Laute der Sirenen. Das Scheinwerferlicht schien plötzlich gedämpft und ich erstarrte, die Hand immernoch am Abzug aber ich drücke nicht ab. Ich war wie versteinert.

Wie in Zeitlupe sah ich, dass Kessy neben mir auf die Knie fiel. Die Waffe, die noch Sekunden zuvor in ihrer Hand gewesen war, lag in einer Lache von Blut genau vor ihr und dann schlug sie mit dem Kopf auf dem Boden auf. Regungslos.

,,Nein!", kreischte ich und dann, als wäre ich unter Wasser gewesen und plötzlich aufgetaucht, hörte ich die Laute der Sirene wieder, die Schüsse, die der Fremde und der Wächter aufeinander abfeuerten und sah das grelle Licht der Scheinwerfer aber dieses Mal verhinderten meine Tränen, dass es mich blenden konnte. Ich fiel neben ihr auf die Knie.

,,Nein, Kessy...Bitte", schluchzte ich verzweifelt, während die Tränen mir haltlos über das Gesicht liefen. ,,Bitte lass mich nicht alleine. Bitte, Kessy..."
Sie antwortete nicht.

,,Wir müssen hier weg", sagte der Fremde plötzlich über mir.E r musste den anderen Wächter überwältigt haben, denn die Schüsse waren verstummt. Ich spürte eine Hand auf meiner Schulter aber ich ignorierte ihn und beugte mich weinend zu Kessy hinunter, strich ihr die schönen, roten Haare aus dem Gesicht und blickte verheult in ihre nun ausdruckslosen Augen.

,,Sie werden Verstärkung holen."
Er klang ruhig und doch lag eine gewisse Trauer in seiner Stimme als würde Kessys Tod ihm wirklich leid tun. Er hatte sie doch nichteinmal gekannt. Er hatte überhaupt keine Ahnung wie ich mich fühlte...

,,Wenn wir hier bleiben, bringen sie uns um", redete er weiter auf mich ein aber ich achtete nicht auf ihn, sondern starrte immernoch schluchzend auf Kessys leblosen Körper.

Er beugte sich etwas vor, schloss mit Daumen und Zeigefinger vorsichtig Kessys Augen und zog mich sanft am Handgelenk auf die Beine. Ich war zu gelähmt um mich zu wehren und ließ es zu, dass er mich hinter sich auf ein weißes Motorrad zog.

,,Halt dich fest", sagte er. Ich tat es und Schlag die Arme um seinen Bauch.

Ich hatte keine Ahnung wo er mich hin brachte oder wer er überhaupt war aber das alles interessierte mich nicht. Kessy war tot, der Rest spielte keine Rolle.

Graue Welt - Falle niemals aufWo Geschichten leben. Entdecke jetzt