Hellwach schlage ich meine Augen auf. Heute ist endlich Samstag. Voller Vorfreude richte ich mich in meinem Bett auf. Heute würde ich von Safu endlich mehr über Nezumi und seinen Verbleib erfahren. Unserem Wiedersehen komme ich somit hoffentlich einen Schritt näher. Obwohl ich eigentlich ausschlafen sollte und könnte, bin ich bereits sehr früh munter. Da es noch dunkel ist und kein Geräusch zu vernehmen ist, bleibe ich ruhig liegen. Doch ich kann nicht mehr einschlafen. Ein unmögliches Unterfangen. Dafür bin ich viel zu aufgeregt und aufgedreht. Meine Gedanken spielen Fangen und wirbeln nur so in meinem Kopf herum, ebenso wie mein Körper aufgekratzt ist. Er will mich einfach nicht schlafen lassen. Zu groß ist die Vorfreude.
Später – nach gefühlten Ewigkeiten – stehe ich um sieben Uhr auf. Vielleicht sollte ich Kā-san helfen, bis ich Safu treffe. Hoffentlich kann ich so zur Ruhe kommen. Das soll mich daran hindern, vor lauter Freude total durchzudrehen. Diese Ruhe, die einen beim Kneten des Teiges und dem Zusammenmischen der Zutaten immer überkommt... Also mache ich mich schnell fertig und laufe in die Backstube, wo ich Kā-san bereits in Schürze vorfinde.
Um zehn Uhr ist es endlich so weit. Als ich gerade den Teig am Kneten bin, ruft Kā-san mich. „Shion! Dein Handy. Geh schnell ran." Eilig befreie ich meine Hände vom Teig und wasche diesen ab, aber bevor ich mein Telefon erreichen kann, verstummt der Rufton schon. Ein verpasster Anruf von Safu. Nur einen Augenblick später blinkt eine Nachricht auf dem Bildschirm auf.
'Hey Shion!' Sofort antworte ich ihr. 'Hallo Safu :)' 'Hast du Zeit?' 'Klar! Du hast ja gesagt, dass wir uns heute treffen ^^' 'Ok. Ich komme zu dir. Bis gleich.'
„Du, Kā-san. Ich werde mich jetzt fertig machen und dir später weiterhelfen."
Ohne eine Antwort abzuwarten, renne ich eilig auf mein Zimmer. Dort angekommen ziehe ich mir schnell frische saubere Sachen an.Jetzt – wo der Augenblick gekommen ist – beginnt mein Herz zu rasen. Es donnert nur so gegen meine Brust, dass ich Angst habe, es könnte herausspringen. Noch nie im Leben bin ich so aufgeregt gewesen wie in diesem Moment. Heute würde ein entscheidender Tag in meinem Leben sein, ein Einschnitt, der alles verändern könnte. Entweder zum Guten oder zum Schlechten. Welches, vermag ich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht zu sagen.
Gerade als ich einen letzten prüfenden Blick in den Spiegel werfe, ertönt die helle Türklingel. Es schallt durch das ganze Haus, als ob es Tote aufzuwecken gilt. Der Ton schmerzt in meinen Ohren. Schnaufend öffne ich Safu die Tür. „Hallo Safu!" „Hallo, Shion!" Da sie keine Anstalten macht hereinzukommen, fordere ich sie auf einzutreten. Doch zu meiner Überraschung lehnt sie ab. „Shion, wollen wir nicht in ein Café gehen, dort etwas trinken und uns währenddessen ungestört unterhalten? So wie wir es früher häufig gemacht haben." Seufzend hole ich meine Jacke und stehe keine fünf Minuten später wieder vor ihr. „Von mir aus kann's losgehen."
Die Zeit, die wir brauchen, um dorthin zu laufen und uns Kaffee zu bestellen, erscheint mir wie Stunden. Als Safu dann endlich zu reden beginnt, hat sie natürlich meine volle Aufmerksamkeit. Aber sie enttäuscht mich. Anstatt mir die heiß ersehnten Antworten auf meine Fragen zu liefern, spricht sie von uns beiden. Von der Vergangenheit. Wahrscheinlich spürt sie, dass ich mit dem jetzigen Gesprächsthema nicht zufrieden bin. Aber sie lässt es sich nicht anmerken und fährt unbeirrt fort.
Ihr Hauptaugenmerk liegt auf damals – vor ein bis zwei Jahren. Sie beschwört alte Bilder und Erinnerungen wieder zum Leben. Wir zwei, wie wir nebeneinander in einem Café sitzen, uns unterhalten. Sie war in mich verliebt. Auf unbeholfene Art haben wir miteinander geflirtet. Ihre fehlgeschlagenen Versuche, mich zu verführen. Als sie sich endlich getraut hat, mir klipp und klar zu sagen, was sie will, ist Nezumi dazwischengefunkt. Er ist einfach aufgetaucht. Er ist zwischen uns beide getreten. Verständlich, dass er - nach den vier Jahren Wartezeit – sofort meine volle Aufmerksamkeit hatte. Vor Safu. Wie lange hatte ich nichts von ihm gehört und auf einmal war er wieder da. Aus heiterem Himmel war er plötzlich wieder da, nachdem ich so lange auf ihn gewartet hatte. Euphorisch war ich dieser Maus hinterhergerannt und hatte Safu einfach so stehen lassen. Die Tatsache ignorierend, dass sie mich kurz zuvor noch um Sex gebeten hatte.
„Weißt du, Shion, das war der Moment, in welchem ich gemerkt habe, dass ich eigentlich keine Chance bei dir habe. Dass du meine Gefühle nicht erwiderst und eine andere Person liebst." Auf einmal quellen Tränen aus Safus Augen hervor, die langsam ihre Wangen hinunterlaufen. Vollkommen von ihren eigenen Gefühlen überwältigt sitzt sie zusammengesunken vor mir. Bei diesem Anblick überkommt mich ein schlechtes Gewissen. „Es tut mir leid, Safu." Sie lächelt jedoch nur schwach. „Ach, Shion... Es ist ein total merkwürdiges Gefühl für mich. Ich bin sowas einfach nur nicht gewohnt..." Ich kann gar nichts dagegen machen, ich fühle mich einfach schlecht. „Shion, warum? Warum tut es so weh?" Sacht hebe ich meine Hand und streiche ihr behutsam eine Träne von der Wange. „Nicht weinen, Safu." Ausdruckslos blickt sie mich an. „Ach, Shion." Ihre Stimme klingt nach einem kurzen Aufseufzen wieder relativ gefasst.
„Es ist einfach nur total ungewohnt für mich. Nie zuvor habe ich so etwas gefühlt oder verspürt. Es ist das erste Mal. Und weißt du, woran das liegt?" Verneinend schüttle ich meinen Kopf. Es macht mich unglaublich traurig, sie in diesem Zustand zu sehen. „Ich werde es dir sagen... Erinnerst du dich noch? Safu und ich sind miteinander verschmolzen. Wir sind zu einer Einheit geworden. Sie hat dich von ganzem Herzen geliebt. Als wir zu einer Person verbunden wurden, gingen ihre Empfindungen und Gefühle auf mich über. Ebenso wie ihre Gedanken. Allerdings habe ich die Oberhand, weil ich stärker bin... Ich habe sie mir einverleibt."
Für einen kurzen Moment hält sie inne, um sich zu sammeln. „Shion, hör auf Safu in mir zu sehen! Ich bin Elyurias. Safu ist damals gestorben und sie wird nie wieder zurückkehren. Das alles sind nur ihre Erinnerungen, die ab und an hochkommen und mich in Besitz nehmen. Es ist einfach etwas, was so ungewohnt für mich ist. Der Teil, der zu Safu gehört, lässt mich Dinge tun, die ich normalerweise niemals tun würde. Also sei froh! Nur ihr zu Liebe mache ich das Ganze hier überhaupt. Aber Safu ist gestorben und ich bin Elyurias! Also versuch gar nicht erst, Safu in mir zu sehen." Aprupt richtet sie sich auf und weicht zurück.
Ok... Safu ist also damals wirklich gestorben und verschwunden... Aber, wie kann sie Elyurias beeinflussen, wenn sie nicht doch noch irgendwie, in irgendeiner Form, existieren würde? Warum sollte Safu tot sein, wenn ein Teil ihrer Persönlichkeit immer noch in Elyurias wohnt? Wird Safu vielleicht einfach nur unterdrückt? Nun ja, anscheinend muss ich das einfach so hinnehmen.
„Shion, dieser Körper hier existiert nicht wirklich. Er ist mehr oder weniger eine materielle Illusion. Du weißt genauso gut wie ich, dass dies nicht meine wahre Gestalt ist."
Mit diesen Worten beginnt Safus Körper vor mir zu verschwimmen. Stattdessen manifestiert sich eine Art Wespe vor meinen Augen.
Von dieser Gestalt geht ein helles Licht aus. Sie leuchtet förmlich wie ein Regenbogen. Doch dies ereignet sich innerhalb weniger Sekunden. Bevor ich es richtig realisiert habe, sitzt Safu wieder ganz normal vor mir. Niemand, der hier anwesenden Besucher des Cafes, hat etwas mitbekommen. Es war nur ein kurzer Augenblick. Für mich hat er jedoch gereicht.
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Es wird niemals enden...
FanficEr gibt ihm einen Abschiedskuss, dreht sich um und geht. Aber nicht ohne das Versprechen: " Eines Tages sehen wir uns wieder." Nachdem No.6 gefallen ist, verschwindet Nezumi und lässt Shion allein zurück. Verzweifelt bemüht sich Shion, seinen Allt...