"Ich kann da jetzt nicht rausgehen.", murmle ich und weigere mich, Damiens Arbeitszimmer zu verlassen, als Sebastian mich versucht zu überreden, mit ihm zu gehen. "Er hasst mich! Bitte, ich kann das nicht!" In meinen Gedanken spielt sich ein einziges Chaos ab. Ich will ihn sehen. Ich will ihn nicht sehen. Ich bin neugierig. Ich habe Angst.
"Komm' schon, Birdie. Das Erste, was er tun wird, ist in sein Arbeitszimmer gehen, wenn er so drauf ist. Und du kannst dich nicht stundenlang hinter der Couch verstecken." Sebastian rollt mit den Augen und mir entweicht ein flacher Atemzug, während ich hinter die Couch gucke, um zu sehen, ob es vielleicht doch möglich wäre, es sich dort für einige Stunden gemütlich zu machen. "Du spielst doch nicht ernsthaft mit dem Gedanken, das durch zu ziehen, oder?" Genervt schaut er mich an. Ich weiß, dass ich mich albern benehme, aber ich weiß auch, dass Damien wahrscheinlich noch mehr ausrasten wird, wenn er mich in seinem Apartment sieht.
"Rosa meinte doch, er wäre auf Geschäftsreise?!", meine Stimme ist leise und zittrig. Ich komme mir wie ein Vollidiot vor.
"Das dachte ich allerdings auch, aber wahrscheinlich ist irgendetwas nicht so gelaufen, wie er es gerne gehabt hätte." Sebastian zuckt mit den Schultern und dann nachdenklich mit den Brauen. "Komm', Birdie. Entweder gehst du dort jetzt raus und stellst dich dem Ganzen, oder du lässt dich dabei erwischen, wie du dich in seinem Apartment vor ihm versteckst." Wo er Recht hat, hat er Recht... Obwohl ich mich doch lieber verstecken würde. Das kann doch nicht gut gehen. Es war schon peinlich genug, dass ich ihm Vorgestern seine Bestellung bei Meredith ruiniert hatte. Ich erinnere mich daran, wie er meinen Namen hauchte und ich ihm nicht einmal antworten konnte. Wie er mich angesehen hatte. Wie wird er mich dann wohl heute ansehen?
"Na gut." Ich kann kaum glauben, dass ich mir das hier gerade selbst antue.
Wir verlassen das Arbeitszimmer und gehen den Flur hinunter geradewegs auf den Eingangsbereich zu. Auf dem Weg sehe ich von weitem Damiens Koffer auf dem Boden liegen, als hätte er ihn beim Betreten des Apartments durch den Raum geworfen. Plötzlich erspähe ich einen Schatten und dann Daisy, wie sie die zwei Stufen hochstolpert, um so schnell wie möglich zum Fahrstuhl zu gelangen. Augenblicklich bleibe ich stehen. Er wird mich auf dieselbe Art rausschmeißen. Ganz sicher wird er das. "Mr. Hamilton, ich kann das erklären!", höre ich Rosas Stimme durch den Raum hallen. Sebastian muss mich weiterziehen, damit ich vorankomme und nicht für den Rest des Tages wie angewurzelt im Flur stehen bleibe. Daisy wirkt so ängstlich, als hätte sie ein Gespenst gesehen, so zerbrechlich, als könnte Damien sie mit nur einen weiteren Blick in tausend Stücke zerfetzen. Und ich bin mir sicher, ja, ich weiß, dass er sie gerade mit seinem bedrohlichen, kühlen Blick hinterherstarrt. Wenn ich Daisy wäre, würde ich wahrscheinlich auch lieber davonlaufen. Aber ich bin nicht Daisy und wenn Damien mich sieht, dann bin ich mir sicher, wird es noch viel schlimmer enden. Sebastians Hand gibt mir einen klitzekleinen Funken an Hoffnung gemischt mit Sicherheit. Rosas Stimme hallt weiterhin durch das Apartment, während sich die schweren Fahrstuhltüren schließen. Aber es folgen keine Antworten.
Die Sonnenstrahlen, die sich auf dem Marmorboden ausbreiten, betonen seine Statur und die dunkle, schattige Seite von Damien. Rosa steht dicht bei ihm. Wir gehen um die Ecke an der Küche vorbei und als Rosa uns sieht, sehe ich sofort die Panik in ihren Augen. Ihr Mund steht offen, als wolle sie mit ihrer Rede fortfahren, aber sie bekommt kein Wort mehr hervor. Ich glaube sie weiß, dass sie kurz davor ist, in ein tiefes Loch zu fallen, aus dem auch ich ihr nicht mehr helfen kann. Ich habe gar nicht daran gedacht, welche Folgen es noch haben würde, wenn ich mich der Situation und Damien gegenüberstelle. Ich habe nur an mich gedacht. Wie selbstsüchtig von dir, Birdie! Rosa wird ihren Job wegen dir verlieren! Ich hasse mich gerade mehr, als je zuvor!
Damien steht mit dem Rücken zu uns und starrt herab auf das erwachende London. Ich verfolge die graue Anzughose bis zu seinem schwarzen Gürtel und dann betrachte ich das eng anliegende, weiße Hemd bis zu seinem Kopf mit den verwuschelten, braunen Haaren, als hätte er sie mehrmals mit seinen Fingern durchfahren. Sein graues Jackett hat er auf das Sofa geworfen. Dann dreht er sich plötzlich um, als er die Stille bemerkt, die ihn umgibt. Das Erste, was seine Augen erfassen, bin ich. Es ist, als könnte er ihnen nicht trauen, aber alles was ich sehe, ist das eindringliche Blau in ihnen. Sein Starren hält gefühlte Minuten hat, während sein Gesicht einfach nur ausdruckslos verweilt. Er ist sprachlos, obwohl ich einen arroganten, verletzenden Spruch von ihn erwartet hätte. Ich weiß nicht, was oder ob ich überhaupt etwas sagen soll.
"Hey, Big Bro." Ich atme erleichtert auf, als Sebastian die Initiative ergreift und versucht, die Stimmung etwas aufzulockern. Aber sein Bruder spielt nicht mit. Selbst, als Sebastian auf ihn zu geht, um ihn auf die Schulter zu klopfen und ich mich versuche, unauffällig zu Rosa zu stellen, nimmt er nicht seine Augen von mir. Er achtet auf jeden Schritt, den ich gehe, jede Bewegung, die mein Körper macht. Auch wenn es nur ein Heben und Senken meiner Brust ist, weil ich hektisch nach Luft schnappe. Ich bin kurz davor, wie Daisy einfach nur davon zu rennen. Aber ich bin wie festgewachsen. Rosa stellt sich schützend vor mich, hebt ihre Hände und setzt zu einer Erklärung der Situation an, aber Damien unterbricht sie.
"Was macht..." Er setzt eine kurze Pause ein und überlegt, was er als nächstes sagen wird. "...sie hier." Sein Blick ist stets auf mich gerichtet und ich hätte nicht gedacht, dass es sich so falsch anfühlen würde, wenn er mich nicht beim Namen nennen kann. Er wird ihn nicht vergessen haben, aber er ist sich auch zu gut dafür, ihn auszusprechen. Und da stehe ich; Mit Rosas Schlafanzug im Wohnzimmer meines einst Helden, der mich mit seinem Blick durchbohrt als wäre ich sein schlimmster Feind. Rosa versucht wieder einen Satz zu beginnen, aber Damien unterbricht sie wieder. "Ich will, dass Sie auf der Stelle das Apartment verlassen!" Autsch! Ich nicke und setze zum Gehen an. Rosa wird mir meine Anziehsachen bestimmt irgendwie in den Flur bringen können, damit ich mich dort umziehen kann. "Nein. Nicht du, Birdie.", höre ich Damiens Stimme sagen, die in der Mitte des Satzes beinahe unbemerklich bricht. Ich kann meinen Ohren kaum trauen. "Ich möchte, dass du bleibst." Im selben Moment bleibt mein Herz stehen.
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The Rain Upon Us (Damien & Birdie - Trilogie #2)
RomanceBand 02 der Birdie & Damien Wattpad-Trilogy Birdie und Damien. Zwei von Grund auf unterschiedliche Seelen. Nachdem sich ihre Wege getrennt haben, ist bei beiden wieder der Alltag eingekehrt. Birdie ist wieder obdachlos und hat sich dem Duo Fynn und...