Das was eine gute Geschichte trägt sind immer die Figuren.
In "Wie man einen verdammt guten Roman schreibt" bezeichnet der Autor diese fiktionale Figuren als
homo fictus
"Diese Figuren sind immer schöner oder häßlicher, rüder oder vornehmer, rachsüchtiger oder barmherziger, tapferer oder feiger usw. als wirkliche Menschen. Deren Gefühle sind leidenschaftlicher, ihre Wut ist kälter, sie reisen mehr, kämpfen mehr, lieben mehr, ziehen sich häufiger um, haben mehr Sex. Homo fictus hat von allem mehr. Selbst wenn er einfältig, blaß und langweilig ist, ist er in seiner Einfalt, Blässe und Langweiligkeit außergewöhnlicher als seine Kollegen im wirklichen Leben."
Ihr fragt euch vielleicht warum man so übertreiben muss? Die Antwort ist einfach: Weil ein Buch immer eine begrenzte, eigene Welt ist und daher muss, das was uns Menschen im gesamten Lauf eines ganzen Lebens bewegt auf die begrenzten Seitenzahlen komprimiert werden. So wird ein interessanter Held immer "extremer sein" und immer "mehr erleben" als eine reale Person.
In "The Key - die Kraft des Mythos" beschreibt man gute dramatische Eigenschaften eines klassischen Helden wie folgt:
• Der Held hat Mut (oder findet ihn im Verlauf der Geschichte)
• Der Held ist klug und einfallsreich
• Der Held hat ein »besonderes« Talent
• Der Held ist ein »Outlaw«, der nach seinen eigenen Regeln lebt
• Der Held ist gut in dem, was er tut
• Der Held ist ein Protagonist (an irgendeinem Punkt der Geschichte übernimmt er die Führung in einer Angelegenheit oder bei einer Aktion)
• Der Held ist »verletzt« worden (körperlich verwundet, gesellschaftlich kompromittiert, trauert um einen geliebten Menschen und so weiter) oder wird im Verlauf der Geschichte verletzt
• Der Held wird von Idealismus geleitet - zumindest an einem beliebigen Punkt in der Geschichte
• Der Held ist sexuell potent
Das ist sozusagen der Instant-Mix für einen klassischen Helden, den ihr nach Vorlieben und Können verfeinern müsst. Bedenkt aber, dass es in der modernen Literatur mittlerweile nicht nur diese klassische Helden gibt, sondern auch negative Helden, Antihelden etc. eher unserer Zeit entsprechen.
In "Helden, Helfer und Halunken" werden zusammenfassend noch folgende Punkte genannt, die ihr zum Verfeinern nutzen könnt, um aus einem klassischen Helden, einen individuelleren zu machen:
🎯 überzeugende Figuren
verkörpern oft unbewusste kollektive Vorstellungen (Ängste wie vor Unbekanntem, Ausgrenzung etc.)
und Gefühlserfahrungen (Liebe, Hass etc.)
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🎯 Figuren überzeugen, wenn sie eine emotionale Anteilnahme ermöglichen
(Empathie)
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🎯 Das Handeln der Figuren muss motiviert und glaubwürdig sein (Handlung darf also nicht einfach aus einer Laune heraus passieren)
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🎯 einfache Charaktere wirken zuverlässig und vertraut
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🎯 überzeugende Figuren unterlaufen/widerlegen/überraschen die Erwartungen des Lesers
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🎯 komplexe Figuren haben sowohl positive als auch negative Eigenschaften und weichen mindestens in einem Punkt vom Durchschnitt ab______________________________
🚩 Bedeutet also, dass man am besten mit der einfachsten Figur (Stichwort: Klischee) beginnt und diese nach und nach mit Widersprüchen, einer Geschichte anfüllt, mit einer besonderen Fähigkeit ausstattet und mit einem nachvollziehbaren Problem konfrontiert.
______________________________Anmerkung: In jeder Figur steckt immer auch was vom Autor - das ist in Ordnung, das gehört irgendwie zur Kunst des Schreibens. Leider machen viele unerfahrene Autoren den Fehler, sich selbst als den Protagonisten auszugeben. Weil das schaffen einer Figur viel Reflexion braucht, um sie in allen Facetten zu begreifen, ist es ein unmögliches Unterfangen sich allein als Vorlage zu nehmen. Wir, echte Menschen, sind viel zu komplex, als das wir uns selbst bis ins jede Detail begreifen, geschweige denn, anderen begreiflich machen können, wer genau wir sind.
➡️ Weil ein Buch, ein begrenzter Raum ist, gibt es dort auch keinen Platz für 'echte Menschen' in all seinen Facetten - auch wenn es der Autor selbst ist.
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Was denkt ihr: Ist es wirklich so einfach?
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Im nächsten Kapitel geht es um Konflikte>>> Konflikte über Konflikte
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Schreibtipps by Lemon
No FicciónDieses Buch basiert auf der Lektüre von diversen Schreibratgebern und soll (auch für mich) die wichtigsten Infos dieser Bücher zusammenfassen. früheres Cover stammte @storysforhearts ➡️ http://my.w.tt/UiNb/cjq96uamSx