Prolog

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PROLOG

Eva fuhr ihren Rechner herunter und warf schon ihren Kleinkram in die Handtasche, da klingelte das Telefon. Sie sah auf und zögerte. Samstagnachmittag, die Uhr an der Wand zeigte fünf Uhr dreizehn, das Büro war verwaist. Draußen, hinter den braungetönten Scheiben, leuchteten die Kastanienbäume satt in Grün und Gelb. Der Himmel darüber war blau, die späten Sonnenstrahlen zerfielen an den automatischen Jalousien in lange Schatten.

Feierabend. Doch seit Felix verschwunden war und Marti sich krank gemeldet hatte, kam Eva nur noch selten pünktlich nach Hause. Die dunklen Augenringe kaschierte sie mit viel Make-up und einer Sonnenbrille.

Sie unterdrückte ein Gähnen, dann hob sie den Hörer ab.

»Hallo«, sagte sie. »Sie sprechen mit der Woche-Redaktion.«

Eine Frauenstimme meldete sich. »Hallo. Hallo. Hören Sie mich?«

»Ja«, antwortete Eva. »Ich verstehe Sie gut.«

Die Frau begann zu weinen. »Helfen Sie mir«, flehte sie.

»Was ist passiert?«

»Mein Mann. Er braucht dringend einen Arzt.«

»Ich kann Sie direkt mit der Notrufzentrale verbinden. Möchten Sie das?«

»Nein, nein.« Die Frau schluchzte und verschluckte dabei die Silben. »Bleiben Sie dran. Bitte. Bleiben Sie dran. Dort ist immer besetzt.«

Eva leerte den Inhalt ihrer Handtasche wieder auf den Tisch. Sie suchte nach Handy, Stift und einem Zettel.

»Das kann nicht sein. Beruhigen Sie sich«, sagte sie. »Ich versuche es über eine andere Leitung. Was ist passiert? Wie ist Ihr Name? Wo befinden Sie sich gerade?«

»Meinem Mann geht es nicht gut. Er spricht nicht mehr. Er erkennt mich nicht mehr.«

Eva tippte die 110 ins Display ihres Handys. Das Telefon hielt sie sich dabei ans andere Ohr. »Wo ist er jetzt?«

»Hier bei mir. Im Wohnzimmer.«

Eva schaltete das Gespräch auf den Lautsprecher. Sie legte den Hörer auf den Tisch und schaute auf das Handydisplay. Die Verbindung, symbolisiert durch zwei wandernde Pfeile, war immer noch nicht aufgebaut.

»Sie sind also zu Hause. Hören Sie mir zu: Ich brauche jetzt Ihre Daten. Wie heißen Sie? Wie lautet Ihre Adresse?«

»Sabine und Michael Kamm. Hohe Gasse 9.«

Eva notierte das, auch die Nummer, unter der sie angerufen worden war. »Sehr gut. Es läutet schon. Gleich ist jemand bei Ihnen«, log sie.

»Gott sei Dank.« Die Frau schien sich zu fassen.

Eva hielt es für das Beste, einfach weiter mit ihr zu reden. »Hat Ihr Mann Schmerzen?«

»Vielleicht. Ich weiß nicht. Eben war alles noch gut.«

Alex, ein Kollege aus der Sportredaktion, machte neben Evas Tisch Halt und hörte mit.

»Wie sieht Ihr Mann denn aus? Was für eine Gesichtsfarbe hat er?«, mischte er sich unvermittelt ein.

»Er ist bleich. Fürchterlich bleich. Und er schwitzt sehr stark.«

»Und er steht, sagen Sie? Er steht neben Ihnen?« Alex schüttelte den Kopf.

»Ja. Und er hat die Augen die ganze Zeit weit offen. Nicht mal ein Zwinkern.«

Alex sah Eva an. Er machte eine kreisende Fingerbewegung auf Stirnhöhe. »Und er sagt nichts?«

Zombifiziert - Tag NullWo Geschichten leben. Entdecke jetzt