Detective Riley - Kommissar mit Biss

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Der Teufel hat die Welt verlassen
weil er weiß, dass die Menschen selbst
einander die Hölle heiß machen.
(Friedrich Rückert 1788-1866)

Ich weiß nicht genau, was die Menschen zu solchen Grausamkeiten untereinander bewegt. Morde, Hass, Gier, Neid. Manchmal bezweifle ich wirklich, dass einige von ihnen den Sprung vom Höhlenmenschen zum homo sapiens sapiens mitbekommen haben. Wahrscheinlich waren sie im Moment, als die Evolution sich durchsetzte, mal wieder vor der Glotze herumgehangen oder nicht zu Hause oder was weiß ich mit was man sich  sonst so die Zeit vertreibt, wenn man einer von denen ist.
Nun gut. Ich sollte mich nicht zu sehr über eure Gepflogenheiten auslassen, denn schließlich muss ich in meinem Beruf mit vielen eurer Art zusammenarbeiten. Auch, wenn ich manchmal denke, dass ich ohne menschliche Hilfe in meinem Beruf um einiges besser dran wäre, schließlich bleibt nämlich doch immer alles an mir hängen und ich darf Euren Mist dann ausbaden. Beste Freunde hin oder her, sowas muss doch echt nicht sein!
Eines jedoch ist sicher: Wer in dieser Zeit, einer Zeit des Verbrechens überleben will, sollte sich niemandem anvertrauen. Das eigene Leben ist zu wertvoll, um es in die Hände eines dieser seltsamen Wesen zu legen, von denen doch sowieso einer gestörter ist als der andere. Das mag jetzt vielleicht hart klingen, aber wer so viele kranke Menschen gesehen hat wie ich, der dreht nach einer gewissen Zeit selbst am Rad. Deshalb entschuldige ich mich schon gleich zu Beginn, denn ich habe etwas spezielle Ansichten, was menschliches Verhalten angeht.
Meine Wenigkeit gehört (glücklicherweise) zu einer Spezies, die von Euch Intelligenzbestien eher als primitiv angesehen wird. Ich bin ein Detektiv der etwas anderen Klasse. Edelmut, Treue und Gehorsam sind zwar nicht wirklich meine Spezialitäten, auch wenn sie das vielleicht sollten. Vielleicht auch gerade deshalb, weil ich ein Hund bin. Ich habe jedoch andere Gaben, die meinen, zugegeben, recht seltsamen Charakter etwas ausgleichen.
Wie meine Mutter, Grace, sollte ich auch zum Polizeihund ausgebildet werden. Weil ich jedoch weder ein reinrassiger Sheltie, noch ein furioser deutscher Schäferhund war, kam Leichenspürhund oder Sprengstoffschnüffler nicht in Frage. Letzteres hatte sich von alleine erledigt, da ich, ohne mich selbst beleidigen zu wollen, eine ziemlich große Klappe habe. Drogenspürhunde sollten so ruhig wie möglich sein, damit sie ihr Suchobjekt nicht durch ihr bloßes Gebell zum explodieren bringen und ich, bei aller Liebe, wäre da wohl eine Gefahr für jede Polizeieinheit.
Mein Vater, Sam, der große, schwarze Streuner hatte in den Schlagzeilen der LA Times für jede Menge Wirbel gesorgt und war daher auch weithin bekannt. Mein Herr hatte es sogar auf die Titelseite geschafft, weil er Robin Peters, die Anführerin des größten Verbrechernetzwerkes der Westküste hinter Gitter gebracht hatte. Leider ist mein Herr kein gewöhnlicher Polizist, nein, er ist etwas, das man eher als Cop auf Bewährung nennen sollte. Ronald Johnson, alias Detective Johnson oder auch nur Ron genannt, ist eigentlich ein kriminelles Genie, das aus Spanien nach Los Angeles eingewandert war, um dort nach etlichen Strapazen in seinem Heimatland ein neues Leben anzufangen.
Und weil das so wunderbar funktioniert hatte, war er fix vor einem Richter gelandet, der ihm jedoch wegen seiner außerordentlichen Dienste für den Staat Kalifornien eine recht milde Geldstrafe für seine Taten verordnet hat.
Ron selbst war Hundehasser, Haustierdieb, Drückerkolonnenleiter, Steuerhinterzieher, Entführer, Junkie, Drogendealer und vieles mehr gewesen. Kurz und gut: Er musste wissen, was in den Köpfen von anormal kranken Spinnern vorging. Er war schließlich selbst einer.
Aber jetzt ist auch mal gut mit all den Beleidigungen an meine Herren. Sie sind schließlich mein Team. Unser kleines Team besteht aus sechs Detectives und zwei Hunden.
Steve Peter Matthiews, der Leiter des Teams ist ein hochgewachsener, gut durchtrainierter Mann mittleren Alters. Hellbraunes, kurzes Haar, graue Augen, breite Schultern, kantiges Gesicht. Das alles schießt mir als erstes durch den Kopf, wenn ich Steve beschreiben muss.
Trotz seiner durchwachsenen Vergangenheit hat er sich zu einem prächtigen Cop entwickelt. Es ist erstaunlich, wie er in diesem Job aufgeht, obwohl er selbst als Jugendlicher ein rechter Springinsfeld gewesen war.
Der zweite Mann im Team ist unser Sprengstoffexperte und forensischer Psychologe Joey Belsward. Es vergeht kein Tag, an dem nicht die Feuerwehr in voller Gage antanzen muss, weil er mal wieder mit einer hoch explosiven Mischung sein ganzes Labor in die Luft gejagt hat.
Joey hasst es, wenn man ihn beim Vornamen nennt. Er hasst seinen Namen, aus welchem Grund auch immer. Darum besteht der schlaksige, blond-blauäugige Lockenkopf darauf, dass die anderen ihn mit seinem Nachnamen ansprechen. Ich verstehe diesen Typen manchmal sogar noch weniger als die anderen Menschen um mich herum. Belsward ist so voller Energie und hat einen solch unerklärlichen Tatendrang, was nicht selten in einer neuen Frisur im: Zunge-in-der-Steckdose-Look endet.
Colin ist Belswards Hund. Ein hellbrauner, belgischer Schäferhund mit brauner Schnauze und dunkleren Ohren. Colin ist ein ganz ruhiges Wesen, bellt nicht viel und wenn er sich mal so richtig freut, dann wedelt er auch gelegentlich mal mit dem Schwanz. Ich weiß nicht, ob ich Colin schon einmal bellen gehört habe, aber so muss es wohl als Sprengstoffschnüffler sein. Stilles, entspanntes Wesen, keine Aggression, nur Freude am Schnüffeln. Das habe zwar ich nicht, aber Colin dafür im Übermaß.
Er ist einer meiner besten Freunde auf dem Revier, da er nicht viele Fragen stellt und einfach nur bewundert, wenn ich ihm eine Kostprobe meiner Fähigkeiten offenbare. Ich muss sagen, dass er leicht zu beeindrucken ist und vielleicht auch nicht der hellste in der Birne, aber er ist schwer in Ordnung. Wenn ich in Not geraten würde, könnte ich mich zu einhundert Prozent auf ihn verlassen und das schätze ich an ihm.
Ron, mein Herr ist da schon ein etwas kritischeres Individuum. Rothaarig, stämmig, ein Meter neunzig groß und auf dem linken Auge blind, weil seinerzeit mein Urgroßvater es ihm ausgekratzt hatte, bevor Ron ihm den Garaus machte. Seither prangen schreckliche Narben auf seiner linken Gesichtshälfte.
Keine guten Voraussetzungen für eine Beziehung, in der man sich manchmal genseitig vor dem Mafiaboss von rechts und dem geistesgestörten Fleischer von links, warnen muss, aber mir ist Rons Vergangenheit herzlich egal. Ich habe meinen Urgroßvater nie gekannt und Ron hat sich seither von Grund auf geändert. Er verliebte sich in Steves Schwester Rosebeth Matthiews, die ebenfalls ein Teil unseres Teams ist und im vergangenen Jahr eine Achterbahnfahrt der Gefühle durchleben musste.
Mit Achterbahnfahrt meine ich Verwirrung, Schock, verliebt sein, Angst, Panik, noch schlimmere Panik, Todesangst, Erleichterung und so weiter.
In Roses Fall wäre das eine kolossale Konstruktion mit Drehungen wie eine Doppelhelix, die zum Ruin jedes Vergnügungspark führen würde. Die Arme hatte es definitiv nicht einfach, als sie, an Ron gefesselt, von ebendiesem an einer Handschelle durch die halbe Stadt gezerrt, dabei fast vor Angst gestorben und schließlich auch noch von der Anführerin der Pentagrams entführt worden war.
Als wäre das nicht schlimm genug gewesen, befasst sie sich nun mit Entführungen, Vergewaltigungen und Geiselnahmen, da sie mittlerweile einen gewissen Bezug dazu aufgebaut hat. Warum sie der Hölle, aus der sie gerade noch entkommen ist, jetzt freiwillig immer mal wieder einen kleinen Besuch abstattet, ist mir schleierhaft. Menschen.
Rose ist etwa fünfunddreißig Jahre jung, hat eine dicke, eckige Brille auf der Nase sitzen, ohne die sie blind wie ein Maulwurf ist. Sie ist etwa ein Meter siebzig groß, hat lange, braune Locken und hatte grünbraune Augen. Meist trägt sie grüne Klamotten, da sie darauf schwört, dass diese Farbe irgendwie Ruhe in ihren Alltag bringt.
Pustekuchen! Das Einzige, das Ruhe in ihren Alltag bringt ist klein, aus Plastik und klingelt den ganzen Tag nervtötend, wenn sie mal wieder von ihrer Freundin, Brook, angerufen wird. Wenn sie denn nicht davor sitzt und die ganze Zeit darauf herum tippt, so wie der Rest der vermaledeiten Menschheit! Wenn ich es könnte, dann würde ich jedes Mal die Stirn runzeln, wenn ich einen Zweibeiner mit so einem Plastikding sehe.
Detective Banster und Detective McKenzie, unsere beiden Büro-Amöben, wie ich sie so gerne nenne, sind eine echte Bereicherung für das Team. Einige eine positive Bereicherung und andere… na ja. Sie halten den anderen Detectives den größtmöglichen Papierkram vom Hals, stellen nur die nötigsten Fragen und erledigten ihre Arbeit immer zuverlässig.
Horace Banster ist die technishe Spürnase von den beiden. Wenn irgendetwas auf einem Computer irgendwo auf der Welt gespeichert worden ist, dann findet er es. Kein Zweifel. Banster ist schnell, Banster ist klug und Banster hat eigentlich alles, was ein Detective braucht. Nur hatte er bei einem Einsatz während eines Terroranschlags vor eingen Jahren ein Bein verloren und sitzt seitdem im Rollstuhl. Doch er nimmt es mit Humor. Er grinst nur immer, wenn jemand schnaufend die Treppe hochgerannt kommt, denn er hat durch seine Behinderung einen Schlüssel zum Aufzug bekommen.
„Nie wieder Treppen steigen! Hatte ich wohl Glück im Unglück!“, lacht er dann immer nur und steckt seine Nase wieder vor den Monitor. Die Anderen amüsieren sich über diese Scherze nur halb so sehr wie Banster selbst.
Die andere Büro-Amöbe wird Lorna McKenzie genannt. Ich hasse Lorna. Man könnte glauben, sie müsste eine ganze Spezies wiederaufzüchten, so viele Schäferstündchen hat diese Frau! Steve schmachtet sie an, Lorna wickelt ihn um ihre kleinen, schrullig lackierten Fingernägelchen mit Glitzersteinen darauf. Wenn ich nur an diese Olle denke, sträubt sich mir mein Rückenfell. Eins ist klar, diese Frau lässt nichts anbrennen. Ich frage mich nur manchmal wirklich, was so eine hormongesteuerte Tussi überhaupt dazu bewegt hat, einen solchen Job anzunehmen.
Mein Kommentar: Unqualifiziert hoch drei! Sie ist für diese Arbeit ungefähr so geeignet wie ein Papagei zum Einrad fahren! Wenn die noch einmal herkommt und mir durchs Fell wuschelt oder mich noch einmal Rileyputzi nennt, dann schwöre ich, dass ich sie beiße! Das macht sie doch eh nur, um Ron zu imponieren. Da hat sie aber schlechte Karten, schätze ich. Dem ist es sowieso wurscht, ob jemand seinen Kläffer mag oder nicht. Er kann sich ja selbst noch nicht recht entscheiden, wie er zu mir steht.
Noch hatten wir keinen besonders großen Fall aufzuklären. Meistens nur so langweiliges Zeugs, das eigentlich die Officers für uns hätten erledigen können aber da Ron ja leider nur ein Cop auf Bewährung war, musste er sich, wortwörtlich, erst einmal beweisen.
Das Projekt Cambio holte Verbrecher mit einem starken Willen zur Änderung aus dem Gefängnis und bot ihnen im Rahmen einer Ausbildung eine Abarbeitung ihres Strafenregisters an. Je nach Leistungsgrad, Zuverlässigkeit und Engagement wurden sie aussortiert und zu richtigen Polizisten gedrillt. Es war nicht einfach, sich in diesem Programm durchzuschlagen, da man ständig beobachtet und bewertet wurde. Man dufte sich nicht einen Fehltritt leisten, oder man konnte sich von der Freiheit schneller verabschieden, als ich Belswards Donuts klauen kann.
Nichtsdestotrotz habe ich meine eigenen Methoden, um zu ermitteln. Wie ich das mache, ist eigentlich ziemlich einfach.
Ich bin ein Hund. Ich habe einen Geruchssinn, der um das Tausendfache besser ist, als der eines Menschen. An einem Tatort werden ja schließlich nicht nur Fingerabdrücke hinterlassen, sondern auch Gerüche. Der Geruch des Mörders ist meist der, der am frischesten in der Kleidung des Opfers zu riechen ist. Meist ist er aber bereits schon überdeckt von den Gerüchen der Spurensicherung.
Schuhe hinterlassen Gerüche und geben Aufschluss darüber, wo der Täter zuletzt gewesen ist. Wenn man erst auf der richtigen Spur ist, dann löst sich ein Fall wie eine Lawine von selbst. Man weiß es als Hund einfach, wenn man vor dem Täter steht. Alle Gerüche, denen man am Tatort hinterher geschnüffelt hat, bündeln sich dann in einer Person, wenn sich diese nicht zufälligerweise übermäßig mit Parfum oder Deo eingesprüht hat, das ihren kompletten Duft überdeckt.
Problem Nummer eins: Wie macht man einem Menschen klar, dass genau diese Person der Mörder ist, ohne, dass sie einen zurück ins Training verbannen, weil sie denken, ich hätte den Gehorsam verloren?
Problem Nummer zwei: Wie zur Hölle findet man die belastenden Beweise, ohne sie durch den eigenen Hundesabber zu konterminieren?
Problem Nummer drei: Wie kommt man als Hund überall dort hin, wo man hin muss, um einen Fall aufzuklären?
Es könnte so einfach sein. Ist es aber nicht. Ich könnte immer so bellen, wenn ich vor einem Täter stehe und diese Vollpfosten von Detectives haben noch nicht einmal einen Bruchteil einer Spur.
„Riecht ihr das denn nicht?“, jaule ich dann wie besessen, „Der riecht so stark nach Mord, das muss doch zum Himmel stinken!“
Meistens endet das Spektakel dann in einem Tritt in den Hintern, einem missgünstigen Blick des Mörders und in einer Verbannung in den Streifenwagen.
Manchmal bereue ich es wirklich, vier Pfoten, zu viel Fell und eine zu große Schnauze zu haben. Hund zu sein ist manchmal ziemlich dumm. Aber auch nur manchmal. Denn wenn ich Mist baue, kommt immer mein Mensch in die Mangel und ich ernte nur böse Blicke. Aber das kratzt mich nicht. Ich weiß wenigstens, dass ich Mist gebaut habe, mein Mensch weiß es auch aber er kann eben nichts dafür. Da lacht man sich dann gerne mal ins Pfötchen und genießt seine Vorteile, die einem ein solches Leben bietet.
Das Tolle ist auch, dass ich einen Menschen bis aufs Mark beleidigen kann, denn solange ich mit dem Schwanz wedle, die Ohren aufstelle und niedlich aussehe, wird ein Mensch immer denken, dass ich ihn gut leiden kann. Ach herrlich, wie schön Menschen die hündische Körperspreche bereits studiert haben. Sie verstehen uns wirklich und sie wissen wirklich ganz genau, wie sie mit uns umzugehen haben, dass wir gehorchen.
Pah! Dass ich nicht lache. In Wirklichkeit sind es nämlich die Hunde, die ihre Herrchen erziehen. Irgendwann wird es sogar dem geduldigsten Menschen zu doof, brüllend hinter seinem Labrador Retriever an der Leine durch den Park gezerrt zu werden, weil der kurzerpfote entschieden hat, auf Entenpirsch zu gehen. Nach einer Weile stellt sich dann das allgemeine ‚Leck mich‘ Gefühl ein und das Herrchen lässt seinen Hund einfach machen. Er weiß, dass er sowieso keine Chance hat.
„Riley, du verfressene Socke hast schon wieder meine Aktentasche angeknabbert!“, rief Steve verärgert durchs Büro. Ich hob verschlafen den Kopf und gähnte. Das erste Mal hätte eine Warnung sein sollen. Er hatte sie ignoriert, sein Pech. Was musste er das blöde Ding auch auf meine Aussichtsfensterbank stellen?
„Ich habe sie extra auf die Fensterbank gelegt, damit er da nicht rankommt!“, murrte Steve ungehalten, „Und jetzt kann ich mir schon wieder eine neue kaufen. Dieser Hund macht mich noch fertig!“
Ich lag in meinem Körbchen in Downtown in der LAPD Hauptzentrale, in der mein Team ihren Sitz hatte. Steve kam mit donnernden Schritten zu mir getrampelt, stemmte seine Arme in die Seiten und blickte wütend auf mich herab.
„Böser Hund!“, maulte er mit erhobenem Zeigefinger, „Böser, böser Hund.“
Ich gähnte und setzte mich auf, spitzte die Ohren und versuchte so interessiert wie möglich auszusehen.
„Gut, ich habe den Verweis zur Kenntnis genommen“, murrte ich, „habe ihn aber dezent ignoriert. Danke, dass du meinen Mittagsschlaf beendet hast. Ich erinnere dich daran, wenn du mal wieder auf dem Schreibtisch einpennst.“
Damit sprang ich aus meinem Körbchen und schlitzte an Steve vorbei, der mir verdutzt hinterher schaute. Ich lief zu meinem Wassernapf und trank einen Schluck Wasser, dann hopste ich auf meine Fensterbank und sah nach draußen.
„Auch gut“, murmelte Steve und knackste mit den Fingern. Ron hatte die ganze Zeit schlafend auf einem Sofa in der Ecke gelegen und sich nicht gerührt. Steve rollte mit den Augen und schleuderte seine demolierte Tasche direkt auf den schlafenden Mann, der laut schreiend erwachte und sich völlig desorientiert umsah.
„Wie spät ist es?“, fragte Steve spitz. Ron sah völlig verwirrt zur Uhr und dann zu Steve zurück. Seine Haare standen ihm in alle Richtungen und sein Kopf hing noch etwas schlapp nach unten.
„Halb drei am Nachmittag…“, murrte er und rieb sich, laut gähnend, die Augen.
„Schlafen wir um halb drei am Nachmittag, wenn wir Dienst haben?“
„Bist du meine Mutter oder hast du einfach nur genauso wenig zu tun wie ich?“, knurrte Ron ungehalten und wand sich ächzend hoch. Steves Blick war schwer zu deuten. Ich schätze mal, es sah so aus, als hätte Ron ihn ertappt. Das feierte ich in diesem Moment ein klein wenig.
„Ich habe nichts zu tun!“, rief Ron leicht säuerlich, „Das ist es ja! Tagein, tagaus sitze ich hier mit Tonnen von Papierkram, den ich ordnen soll und wenn ich fertig bin, dann darf ich nicht gehen weil dieses blöde „Cambio“ mir eine achtstündige Tagesarbeitszeit vorschreibt! Was kann ich denn dafür, wenn ich früher fertig bin?“
„Gewöhn dich einfach dran! Ich muss auch mit einer vorgeschrieben Arbeitszeit zurecht kommen. Du könntest ja mal was Produktives machen, anstatt schnarchend in der Ecke zu liegen.“
„Und du könntest genauso gut auch etwas Anderes tun, als dich über zerkaute Taschen aufzuregen und schlafende Leute damit zu bewerfen, du Dramaqueen! Komm“, brummte Ron, „dann holen wir halt die Post rein. Wird schon was Interessantes dabei sein.“
Wenn ihr meint, dachte ich nur und seufzte. Es wäre wirklich allzu fabulös gewesen, wenn auch endlich mal ein Happen für meine Spürnase dabei gewesen wäre. Ziemlich morbide, wenn man bedenkt, dass ich eigentlich nur darauf wartete, dass jemand abkratzte und ich dann seine verwesende Leiche aufspüren konnte.
Doch da kam der Lichtblick am Ende des Tunnels. Agent Cathrin Port, ihrerseits Vertreterin des FBI und Supervisor im Cambio-Projekt kam bereits auf hohen Stöckeln angestakst. In ihrer rechten Hand hielt sie eine Akte und in der rechten etwas, das mit seiner ekelhaft kotzgrünbraunen Farbe weder das Auge, noch mit dem Geruch nach Obst-Gemüsepampe die Nase bestach.
„Matthiews! Johnson! Besprechungsraum. Jetzt!“, bellte sie barsch und machte sich dabei nicht einmal die Mühe freundlich zu klingen. Ron und Steve hatten sich mit den Schultern zuckend die Köpfe zugewandt und folgten ihr dann unterwürfig.
Ich tippelte auf leisen Pfoten hinterher und schaffte es gerade noch unbemerkt in den Besprechungsraum zu schlitzen, bevor die Tür hinter Steve ins Schloss fiel.
„Setzen!“, knurrte Mrs. Port und ihrem Befehl wurde unbefangen Folge geleistet. Ich duckte mich unter einem der Schreibtische in dem Besprechungsraum, der eigentlich mehr aussah, wie ein übertrieben neumodisches Klassenzimmer, gepaart mit dem miefigen Geruch einer alten Bücherei.
„Was ist passiert?“, wagte Steve die momentane Stille zu brechen, „Haben wir irgendetwas falsch gemacht? Hat Ron gegen die Auflagen verstoßen?“
Ron warf Steve einen ungnädigen Blick über die Schreibtischkante zu. Was hatte er denn? Es war nun wirklich nicht die abwegigste Vermutung gewesen, die Steve je laut formuliert hatte.
„Oh nein, meine Herren“, sagte Mrs. Port nun mit etwas lockererer Miene, „Ich glaube ich habe da was für sie, das ihnen gefallen könnte. Wir haben vor einigen Tagen einen Notruf von einem Terence Melarc erhalten, doch als die Polizei am Tatort ankam, war dort keine Spur von ihm. In der Wohnung war überall sein Blut verteilt, doch von der Leiche fehlt bis zum heutigen Tag jede Spur.“
„Dann finden wir ihn!“, rief Ron. Sofort sprangen er und Steve auf und stürmten schneller aus dem Besprechungsraum, als ich Leckerli bellen kann. Ich freute mich natürlich zu diesem Zeitpunkt, doch wusste ich damals noch nicht, dass dieser Fall noch einer der verzwicktesten der Geschichte des LAPD werden würde.


Die Unvollendeten Geschichten der Sammy BraveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt