Ferien im Rosental - Leyla in Gefahr - Kapitel 3

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Der Rosenhof

Am nächsten Morgen wurde Jasmin durch das Sturmgeklingel ihrer Freundin geweckt. Sie schreckte hoch. Ihr Wecker zeigte elf Uhr morgens. Sie sprang aus dem Bett und musste sich sogleich an der Wand abstützen, weil ihr vom schnellen Aufstehen schwindelig geworden war. Sie zog sich ihren Bademantel über und rannte zur Tür. Lisa stand da und trippelte unruhig hin und her.
„Wo bleibst du denn Süße, wir...oh...", sie brach ab, als sie Jasmin im Bademantel sah.
„Kein Kommentar...", sagte sie etwas niedergeschlagen.
„Du willst doch nicht etwa einen Rückzieher in letzter Sekunde machen, oder? Das wäre nämlich wirklich feige!"
„Nein, ich hab vergessen meinen Wecker zu stellen. Den Koffer habe ich auch noch nicht gepackt und...", Jasmins Blick fiel auf eine gepackte Tasche, die im Flur stand. Ein Zettel war daran geheftet.
Liebe Jasmin, da du anscheinend gestern Abend sehr zerstreut warst und keine Gelegenheit hattest, deine Tasche zu packen, habe ich das für dich übernommen. Ruf mich mal bei der Arbeit an, wenn du angekommen bist! Viel Spaß, Mama ♥.
Jasmin hätte ihre Mutter am liebsten ganz fest gedrückt, als sie den Zettel las. „Ein Problem weniger!", jubelte sie und schleppte die Tasche zu Lisa.
„Ich geh mich noch schnell umziehen. Ich bin gleich da!", sie raste die Treppe hinauf und ärgerte sich im selben Moment, dass sie nicht daran gedacht hatte, dass ihre Eltern in den Ferien arbeiten mussten. Im Bad hing noch ein Zettel für sie: „Frühstück steht unten bereit." Sagte er. Jasmin rupfte eine neue Zahnbürste aus einer Schachtel und benutzte die Zahncreme ihrer Mutter. Sie bürstete sich die Haare mit dem Kamm ihres Vaters und zog ein paar Klamotten an, die dreckig werden durften, aber nicht zu schäbig aussahen. Sie rannte an der völlig verwirrten Lisa vorbei nach unten und holte sich ein drei Stunden altes Marmeladentoast aus der Küche, das schon ziemlich latschig schmeckte. Aber es war besser als nichts.
„Beeil dich! Wir sind sowieso schon spät dran!", rief Lisa, doch Jasmin konnte nicht gehen, ohne sich von Timmy zu verabschieden. Der braun-weiße Border Collie sah sie mit hängenden Ohren an. Es sah fast so aus, als wollte er seine karamellfarben-weiße Schnauze zu einem Schmollmund verziehen.
„Ich komme bald wieder", versprach sie ihm. „Pass so lange gut auf Mama auf!"
Timmy leckte ihr einmal übers Gesicht, als wollte er sagen, dass alles okay wäre. Sie strich ihm ein letztes Mal über den Kopf und verschwand dann durch die Haustür. Es zerriss ihr beinahe das Herz, ihren geliebten Hund zurückzulassen. Sie schleppte ihre Tasche zum Auto der Baumanns und ließ sich dort von Lisas Vater helfen, der sie für sie in den Kofferraum wuchtete.
„Wie lange bleibt ihr, einen Monat?", fragte der neckisch. Jasmin hatte auch schon nachgedacht, was ihre Mutter so alles für sie eingepackt hatte. Sie zog die Hintertür des Autos auf und ließ sich in den Sitz plumpsen. Lisa hatte extra wegen ihr auf den Beifahrersitz verzichtet, damit sie sich hinten besser unterhalten konnten. Dafür durfte Lisas kleiner Bruder, Lukas vorne sitzen. Er staunte nicht schlecht, wie viel man von dort sehen konnte, schließlich war er erst sieben und saß das erste Mal vorne. Wir unterhielten uns über Schule und Musik, über Flugzeuge und fliegende Untertassen und darüber, ob es nicht besser wäre, Kekse an die Macht zu lassen. Dann einigten wir uns darauf, dass ein Keksministerpräsident nur so lange lebte, bis ihn jemand auffutterte und das wäre in aller Hinsicht unpraktisch gewesen.
Als wir im Rosental ankamen, wussten wir gleich, warum man es so nannte. Überall blühten Rosen, Wildrosen und zur Abwechslung noch mehr Rosen. Es roch wie in einer Parfümerie und schon bald hatte Lisa Kopfschmerzen.
„Ich hoffe, ich gewöhne mich bald daran...", jammerte sie, sich den Kopf hebend. Dann fuhr ihr Vater einen Feldweg entlang zu einem abgelegenen Hof. Ein Gestüt. Schon bei den ersten Koppeln drückten sich Lisa und Jasmin die Nasen am Fenster platt.
„Fohlen! Ach, sind die süß!", riefen beide gleichzeitig. Lisas Bruder jedoch grunzte nur uninteressiert.
„Pferde können kein Fußball spielen. Die sind doch langweilig! Fußball ist tausendmal cooler, als reiten!"
„Und ob Pferde Fußball spielen können!", verteidigte Lisa ihre absoluten Lieblingstiere. „Ich hab sogar in unserem Reitstall bei einem Pferdefußballturnier teilgenommen, da warst du noch nicht mal auf der Welt! Schade, dass sie Floki verkauft haben. Sie war eine so süße!"
Floki war Lisas Lieblingsstute gewesen. Ein schneeweißes Islandpferd mit einem engelgleichen Charakter.
„Ob sie wohl noch lebt?", fragte sie. Jasmin schüttelte den Kopf.
„Das ist acht Jahre her und Floki war schon zweiunddreißig. Ich glaube kaum, dass sie noch am Leben ist. Aber vielleicht war es besser, dass sie sie verkauft haben, dann bist du nicht so schockiert, wenn du eine solche Nachricht kriegst."
Lisa nickte und sah wieder aus dem Fenster. Jasmin wusste genau, wie sie sich jetzt fühlte.
„Soweit ich weiß, züchten die hier Hannos", sagte sie und zeigte auf einen großen, dunkelbraunen Hengst, der zu ein paar Schulpferden gestellt worden war.
„Das ist bestimmt Havanero! Der war der Star der letzten, deutschen Dressurmeisterschaft! Er hat hunderte von Trophäen gewonnen. Wahrscheinlich kostet er mehr, als ein Luxusauto! Schön, dass er wenigstens mit seinen Freunden auf die Weide darf."
Havanero setzte sich elegant in Bewegung. Seine Schritte waren weich und federnd. Seine Mähne wippte locker zum Nicken seines Kopfes. Er verfolgte ihr Auto. Schließlich raste er im vollen Galopp neben ihnen her.
„Wow!", den Mädchen verschlug es die Sprache.
„Langweilig!", quakte Lukas dazwischen. Lisas Vater musterte den schönen Hengst.
„Na hoffentlich müsst ihr nicht auf dem reiten, der wirkt auf mich ziemlich wild."
„Ich finde ihn reizend!", sagte Lisa.
„Mal sehen, wie reizend du ihn findest, wenn du im Staub liegst und er auf dir herumtrampelt!", kicherte Lukas, wofür er von Lisas Vater eine Ohrfeige einfing. Die Backe haltend schwieg er.
„Ich verklage dich irgendwann dafür...", flüsterte er später, sodass es niemand hören konnte. Sie waren am Rosenhof angekommen. Das Wohngebäude war mit dem Stall verbunden und bildete eine Ecke. Die Rückseite des Wohnhauses war den Koppeln zugewendet, von denen sie gerade gefahren kamen. Das Auto bog nach links in den Hof ein, von dort fuhr man geradewegs auf die Stallmauern zu, durch deren Fenster kleine und große, scheckige und einfarbige Pferde neugierig herausspähten. Jasmin sah vom Wohngebäude an den Stallmauern entlang nach hinten, wo die Boxen auch Paddocks hatten. Ein schwarzer Wallach mit durchgebogenem Rücken schien hier sein Gnadenbrot zu bekommen. Der Hof war schlicht gehalten, sah aber wunderschön aus. Überall wuchsen Rosen die Hauswände hoch. Da der Stall ca. dreißig Meter nach hinten, Richtung Wald verlief, entstand ein riesiger Platz, der mit einer Reithalle und einem Reitplatz versehen war. Auf dem Reitplatz longierte ein Junge gerade ein geflecktes Fohlen.
„Hallo, zusammen!", rief eine junge Stimme. Ein Mädchen mit zotteligen, rotbraunen Haaren und Sommersprossen kam aus dem Wohnhaus gerannt.
„Hi Mädels. Ihr seid ein wenig spät dran, die anderen besprechen schon! Wartet, ich zeig euch gleich eure Zimmer, bringt eure Taschen mit!", sie konnte genau so viel reden, wie Lisa. Gut, dass ich daran schon gewöhnt war.
„Oh, haben wir dieses Jahr noch einen Jungen dabei?", fragte sie aufgeregt und zeigte auf Lukas.
„Iiiiih! Da sind doch nur Mädchen!", rief Lukas angewidert und drückte sich in den Beifahrersitz.
„Nein, das noch bezog sich darauf, dass wir dieses Mal schon einen dabei haben. Mit dir wären es zwei gewesen..."
Jetzt interessierte sich Lukas doch dafür. „Jungs reiten doch nicht...das ist doch nur was für Mädchen!"
„Denkste! Siehst du Kim da drüben?", sie zeigte auf den Jungen, der das Fohlen immerzu im Kreis trieb und ihm beruhigende Worte zuflüsterte. „Der ist mein großer Bruder und hat letztes Jahr auf Havanero die Jugenddressurmeisterschaft gewonnen!"
Lukas machte große Augen. „Tatsächlich?"
Das Mädchen nickte. „Du kannst ja nachher mal in einer Anfängerstunde mitreiten, dann kannst du schauen, ob es dir Spaß macht und auch die Woche hierbleiben."
Lukas sah seinen Vater an. „Und was mache ich so lange?"
„Sie können im Reiterstübchen zuschauen. Da oben sind immer ganz nette Leute und Eltern, mit denen sie sich über so ziemlich alles unterhalten können. Sie müssen aber nicht, wenn sie nicht wollen..."
„Oh doch! Vielleicht hört dann mal die ganze Zankerei zwischen diesen beiden hier auf, ob nun Springreiten, oder Fußball geschaut wird..."
Jubelnd warf sich Lukas hinter den Mädchen her. Lisas Vater half Jasmin, ihre Tasche nach oben zu tragen. Sie bekamen ein wundervolles Zimmer mit Koppelblick. Ein Doppelbett war mit schönen, rot-weiß karierten Kissen verziert und alles hatte eine sehr rustikale Atmosphäre.
„Das sind normalerweise die Gästezimmer, aber wir haben sie jetzt für die Reiterferiengäste reserviert. So viel Kundschaft haben wir zu dieser Jahreszeit nicht. Genießt den Luxus. Ihr habt sogar ein eigenes Bad!"
„Entschuldigung, wenn wir fragen. Aber dürften wir deinen Namen wissen?", fragte Lisa, als sie es geschafft hatte, ihre Tasche aufs Bett zu wuchten.
„Oh, Entschuldigung! Juliane Kretschmann! Ich bin die Tochter meiner Mutter...also...äh.... Sorry, manchmal bin ich etwas zerstreut. Also, Maria Kretschmann ist meine Mutter und Reitlehrerin."
„Also, ich bin Lisa und das ist Jasmin. Schön dich kennen zu lernen Juliane!"
„Ach nennt mich Jule! Ist einfacher."
„Ok, Jule."
„Also, kommt runter, wenn ihr fertig seid und sie kommen mit mir mit. Wir klären das Geschäftliche."
Lisa drückte ihren Papa und machte sich dann an die Tasche, um sie auszupacken. Jetzt waren sie endlich alleine im Zimmer.
„Oh mann, wie geil ist das denn?", rief Lisa. „Das ist der schönste Reiterhof, den ich je gesehen habe!"
„Ja, er ist ganz schön", seufzte Jasmin. Lisa sprang auf das Bett und landete direkt vor Jasmins Gesicht.
„Bist du Banane? Diese Chance darfst du dir nicht entgehen lassen!"
Jasmin lächelte. Ja, sie sollte sich wirklich mal ein wenig entspannen und Winnetou aus ihren Gedanken verdrängen. Sie konnte ja nicht die ganze Woche Trübsal blasen.
„Also dann auf jetzt! Wir wollen doch nicht noch später kommen, als nötig!"
Die Mädels rannten die Treppe hinunter, sie stolperten dabei fast. Sie waren unten angekommen und sofort in der Küche. Ein Bogen mit hübschen Verzierungen öffnete sich vor ihnen und gab den Blick auf den Gemeinschaftsraum frei. Dort saßen im Kreis angeordnet die anderen Teilnehmer der Reitfreizeit.
„Hi, zusammen!", rief Jasmin tapfer. Die anderen grinsten und begrüßten sie ebenfalls.
„Also, hallo, ihr Lieben. Ich bin Maria Kretschmann, eure Betreuerin und Reitlehrerin, aber ihr könnt mich ruhig Maria nennen. Wir sind nämlich die nächste Woche wie eine große Familie. Eine Teilnehmerin scheint sich noch zu verspäten, vielleicht erzählt ihr mal kurz was von euch", sagte eine nette Frau. Das war also Jules Mutter. Jasmins Herz machte einen Sprung vor Freude. Das versprach eine tolle Woche zu werden.
Nach und nach erzählten die anderen Mädchen von sich. So lernten Jasmin und Lisa, Melissa, Jana, Anna, Eva und Julia kennen. Und Markus, einen Jungen in Lukas' Alter, der total Pferde- und Fußballbegeistert war.
„Ich glaube, Lukas und er werden unzertrennlich", sagte Lisa lächelnd. „Auch er muss früher oder später dem Charme der Pferde erliegen. Mal sehen, ob ich dann noch eine Wette aus ihm raus klopfe..."
Lisa wettete gerne. Meistens auch mit Einsätzen, bei denen sie immer deutlich besser davonkam, wie die anderen. Jasmin stellte sich ebenfalls vor und alle hielten entsetzt die Luft an, als sie von Winnetou erzählte. Auf eine magische Weise fühlte sie sich nachher viel besser, als sie das von der Seele hatte. Alle verstanden sie und waren nett zu ihr.
Kurze Zeit später führte man sie auf dem Hof herum. Es wurden die Stallungen erklärt und die Pferde gezeigt. Kim übernahm den Teil mit den Pferden und erklärte die Rassen und die Schwächen der Pferde. So stand er zum Beispiel neben einem grau gescheckten Paint Horse Wallach namens Skipper, der ihm einfach die Kapuze anknabberte und seine Taschen nach Äpfeln durchwühlte.
„Ja, bei dem hier müsst ihr aufpassen, sonst kommt ihr nach dieser Woche ohne Klamotten nach Hause. Am Badetag hat er schon einmal die Wäsche eines unserer Gastmädchen gefressen. Lasst also nichts in seiner Nähe liegen, was man fressen könnte!"
Daneben stand eine hübsche Fuchsstute, die ein auffälliges Leitstutenverhalten zeigte. Sie polterte mit den Beinen gegen die schwere Holztür und nickte mit dem Kopf ungeduldig in Kims Richtung.
„Das ist Ricarda. Bei ihr müsst ihr aufpassen, sie zwickt manchmal, aber nur, wenn Titanic nicht neben ihr ist. Sie ist ein wenig verknallt in ihn", die Mädchen lachten, dann fügte Kim noch flüsternd hinzu: „... aber das wisst ihr nicht von mir!"
Danach liefen sie noch zur Reithalle und zu den Koppeln, durften alle Havanero einmal streicheln, manche durften auf einem kleinen Pony namens Hanni reiten. Sie war ein Dartmoor Pony, klein, schwarzbraun und hatte eine Laterne. Wir konnten gerade noch einen Blick auf eine Reitstunde werfen, wo Lukas mitritt und ein mächtiges Strahlen im Gesicht hatte, als seine Cassie endlich antraben durfte.
„Cassie ist unsere liebste Stute. Sie ist ein Edelbluthaflinger, aber sie sieht eher wie ein Palomino-Araber aus."
Cassie hatte weite, raumgreifende Schritte und hob beim Traben stolz den Schweif. Ein wunderschönes Pferd.
Kaum waren die Mädchen wieder zurück, kam Lukas angerannt und sagte, dass er jetzt auch mitmachte und dass Lisa immer recht gehabt hatte.
Jasmin brauchte erst gar nicht nachzusehen, was für einen Blick Lisa gerade mimte. Das wurde bestimmt eine erstklassige Woche!


Ende der abgetippten Geschichte

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jan 01, 2017 ⏰

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Die Unvollendeten Geschichten der Sammy BraveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt