Blumen

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Der nasse Boden war von braun-gelben Blättern bedeckt und meine Schritte verursachten jedes mal ein raschelndes Geräusch. Ich war auf dem Weg zu dem kleinen Blumenladen, wie jeden Tag. Er war nicht der nächst gelegenste, aber er war der Einzige, in dem der Junge mit den braunen Augen arbeitete.

Ich ging also wie jeden Tag über die Wiesen und da Herbst war, wurden die Blätter von den Bäumen gerissen und durch die Luft getragen, ehe sie auf dem feuchten Gras landeten. Der Wind wehte durch meine Haare und kurz schloss ich meine Augen, ehe ich meinen Weg fortsetzte.

Ich hatte eine solche Vorfreude darauf endlich den Jungen zu sehen, der mir schon seit langer Zeit den Kopf verdreht hatte, dass ich umso enttäuschter war als ich an der Ladentür des Geschäfts ein Schild mit der Aufschrift 'Geschlossen' fand und die Schaufenster mit Zeitungspapier zugeklebt waren.

Verzweifelt rüttelte ich an der Türe und die Leute, die vorbei kamen, beäugten mich kritisch, aber sonst tat sich nichts.

Die Türe blieb verschlossen.

Kurz trieb es mir die Tränen in die Augen, obwohl ich doch eigentlich überhaupt kein emotionaler Mensch war, aber ich hing so an diesem Laden, an diesem Jungen, dass ich mir einfach nicht vorstellen konnte, dass es jetzt einfach so vorbei sein sollte.

War etwa alles umsonst? War ich jeden Tag umsonst hier her gekommen, nur, um jetzt festzustellen, dass ich meine Chance verpasst hatte?

Ich wollte nicht aufgeben. Ich wollte einfach nicht, also setzte ich mich kurzerhand auf die einzige Treppenstufe, die zu der Ladentür hinaufführte und wartete.

Ich wartete den ganzen Tag und als es langsam dunkel wurde stand ich auf und ging nach Hause. Die Erkenntnis, dass keiner gekommen war, weil keiner mehr einen Grund hatte zu kommen, kam mir erst später. Jetzt hatte ich einfach noch nicht aufgegeben.

Am nächsten Tag, gleich nach Sonnenaufgang, machte ich mich wieder auf den Weg. Umso näher ich dem Laden kam, umso näher fühlte ich mich bei ihm und als ich ankam, war er da.

Das Zeitungspapier verdeckte noch immer die Sicht ins Innere des Ladens, aber ich wusste trotzdem, dass er da war.

Kurz hielt ich inne, zögerte, aber schließlich drückte ich die Türe auf, obwohl mich das 'Geschlossen'-Schild anschrie, es nicht zu tun.

Die Glocke über der Türe empfing mich wie immer mit ihrem Klang und kündigte mein Erscheinen an.

Als ihr Ton jedoch verklungen war, war es absolut still im Laden, der ohne die Blumen ungewöhnlich leer aussah. Kurz musste ich schlucken, denn erst jetzt schien ich richtig zu begreifen, was es hieß, wenn sie den Laden schließen würden.

Aber ich versuchte nicht daran zu denken uns trat einige Schritte nach vorne. Ich konnte den Jungen nirgendwo sehen. Wo war er bloß?

"Wir haben geschlossen. Haben Sie das Schild draußen etwa nicht gesehen?", meldete sich seine altzubekannte Stimme hinter mir auf einmal und vor Schreck machte ich einen keinen Luftsprung.

"Oh, tut mir leid, wenn ich Sie erschreckt habe", entschuldigte er sich sofort und ich fand es komisch, dass er mich Siezte, obwohl ich doch kaum älter war als er.

"Ähm, doch. Ich meine, nicht wirklich", stotterte ich mir zusammen. Machte das überhaupt Sinn?

Zu meinem Erstaunen reagierte er nicht empört, sondern er fing an zu lachen und ich kann sagen, dass sein Lachen eines der schönsten Dinge ist, die ich je gehört habe.

Ich musste selbst wie aus dem Nichts anfangen zu lächeln. Er machte mich einfach glücklich, obwohl ich noch nicht einmal seinen Namen wusste.

"Aber jetzt im Ernst: wir haben geschlossen. Sie müssen gehen", forderte er mich auf und mein Lächeln fiel mit seinen Worten.

"Warum Siezt du mich? Ich bin doch kaum älter als du", fragte ich einfach schnell, damit ich noch nicht gehen musste.

Achselzuckend antwortete er:"Weil es einfach höflicher ist und es sich so gehört." Ich nickte kurz.

"Nenn' mich bitte trotzdem beim Vornamen, wenn wir uns nochmal sehen, okay?", fragte ich und diesmal nickte er. "Okay, mein Name ist Zayn", sagte ich, ehe ich den Laden verließ. Ich wollte eigentlich noch nicht gehen, aber die Situation verlangte es fast und vielleicht hatte ich ihn so ja neugierig machen können.

Mit einem Lächeln auf den Lippen lief ich wieder nach Hause. Es war der zweite Tag, an dem ich keine Blumen mit nach Hause brachte.

Ich lief auch am nächsten Tag über die Wiesen, durch die raschelnden Blätter zum Laden. Und am daraufflogenden Tag ebenso.

Am achten Tag sah ich ihn wieder.
Das Zeitungspapier war von den Schaufenstern entfernt worden und man konnte durch das Glas ins Innere des Ladens sehen. Es sah Alles aus wie vorher. Etlich viele Blumen, die in Vasen oder Blumentöpfen auf dem Boden standen und Regale voller kleinerer Pflanzen. Und hinter der Theke, da stand er.

Es kam mir vor wie in einem Traum als ich die Ladentüre aufstieß und, begleitet vom Klingen der Glocke, in das Geschäft trat. Sein Blick richtete sich auf mich und kurz schien mein Herz auszusetzen. Er war so unfassbar schön wie er dort stand, inmitten eines Blumenmeeres.

Ich musste lächeln. Er musste lächeln. Wir lächelten uns an und dann sagte er Etwas, was für mich Alles verändere.

"Hallo, Zayn."

Ich musste grinsen. Er hatte sich meinen Namen gemerkt!

"Hallo", erwiderte ich und konnte selber hören wie sehr meine Stimme zitterte.

"Kann ich dir weiterhelfen?", fragte er höflich und kam um die Theke auf mich zu. Seine braunen Augen sahen mich an und das Licht ließ sie golden glänzen. Benommen nickte ich.

"Wobei denn?", wollte er wissen, lächelte mich noch immer an.

"Ähm, ich wollte einen Strauß Rosen kaufen. Rote." Er nickte, drehte sich um und ging zielstrebig auf eine Vase zu, die vor dem Schaufenster stand.

Ich folgte ihm und konnte nicht verhindern, dass mein Blick kurz auf seinem Hinterteil landete.

"Wie viele Rosen sollen in den Stauß?", fragte er und wenn mich nicht Alles täuschte, klang seine Stimme belegt.

"Die Schönsten, die ihr habt", gab ich ihm als Antwort. Wieder nickte er, bückte sich und suchte drei Rosen heraus.

Als er sich umdrehte, sah er mich nicht an, sondern rannte schon fast hinter die Theke. "Das macht dann 3,97€, bitte." Ich gab ihm das Geld und nahm die Rosen entgegen, die er vorher noch zusammengebunden hatte.

"Danke", sagte ich, "aber die sind für dich." Ich hielt ihm den Mini-Stauß entgegen und ich sah wie er ein wenig rot anlief.

"Ähm, danke." Schüchtern nahm er die Blumen wieder entgegen. Ich lächelte und verabschiedete mich.

Es war der zehnte Tag an dem ich ohne Blumen in den Händen wieder heimkehrte, aber dafür hatte er meine in den Händen.

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Germany, ©ZxynsXngel | 27. November 2016

Ich glaube, das ist das offenste Ende, das ich je geschrieben habe. Wie findet ihr es?

All these lies | Ziam MayneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt