Mit einem Schreck fuhr ich nach oben. Mein Atem war schwer. Einatmen. Ausatmen. Einatmen. Ausatmen. Ich lag immer noch in dem Krankenhausbett. Neben Collin. Ich war in seinen Armen eingeschlafen, als ich mir die Augen wund geheult hatte.
Ich schniefte. Mir stiegen erneut Tränen in die Augen. Wie konnte es soweit kommen?
Langsam wurde Collin ebenfalls wach. Mit leicht zusammen gekniffenen Augen schaute er mich an.
"Was ist los? Es ist um 3. Du solltest schlafen", sagte er und knipste das Licht an, das auf einem kleinem Tisch neben ihm an.
Erst jetzt bemerkte ich, dass ich seine Militärsjacke an hatte. Collin hatte sie mir bestimmt umgelegt, als ich schon geschlafen habe. Sie war mir viel zu groß, aber kuschlig warm.
Ich bekam kaum Luft. Eins. Einatmen. Zwei. Ausatmen. Drei. Einatmen. Vier. Ausatmen. Fünf. Einatmen...
Mein Bruder bemerkte, wie ich damit zu kämpfen hatte und legte seine große Hand auf meinen Rücken.
"Hey, hey!", sagte er, "Alles okay? Kann ich irgendetwas tun, damit es dir besser geht?". Ich schüttelte den Kopf und konzentrierte mich weiter auf meine Atmung.
"Willst du an die frische Luft, oder willst du, dass ich eine Schwester rufe?", fragte Collin mich mit besorgter Stimme.
Ich fasste mir an die Brust und merkte, wie mein Herz raste.
Keinesfalls sollte er eine Schwester rufen, so schwach bin ich auch noch nicht!
"LUFT!", schnappte ich und schaute ihn an. Er nickte und stand auf.Nachdem wir uns an der Rezeption und den Schwestern vorbei geschmuggelt hatten, gingen wir hinaus in den Krankenhausgarten. Es war kalt und erst jetzt viel mir auf, dass mein Bruder keine Jacke an hatte.
Ich machte Anstalten, ihm seine Jacke wieder zu geben. Doch er sagte mir mit einer geschickten Handbewegung, dass ich die Jacke an behalten solle.
Wir liefen eine Weile nur so umher und schwiegen. Es war ein angenehmes Schweigen. Wir genossen die Stille und uns. Allein die Aura von Collin beruhigte und entspannte mich. Mit ihm war alles besser.
Ich zog durch meine Nase tief Luft und atmete tief ein und aus.
Eins, zwei, drei...
Allmählich entspannte ich mich und das Atmen fiel mir wieder leicht.
"Besser?", fragte Collin und legte einen Arm um mich.
Ich nickte und genoss die frische in meiner Nase.
"Passiert dir soetwas öfter?", schaute er mich hochgezogener Augenbrauen an. Ich räusperte mich und leif schneller. Es schien, als ob ich davon laufen wolle. Vor dem Gespräch. Ich wollte nur die Stille genießen. Das einzige Problem war, dass er direkt neben mir lief und er mit seinen riesen Schritten sehr gut hinterher kam. Collin war knapp 1 1/2 Köpfe größer als ich und hatte dem entsprechend auch lange Beine und große Schritte.
"Taya!", sagte er fordernder. Aber ich wollte nicht darüber reden. Warum konnte er mich nicht einfach damit in Frieden lassen?
"Bitte sprich mit mir", sagte er und hielt mich an meinem Handgelenk fest. "Du musst irgendwann darüber reden. Bitte, erzähl mir, was los ist. Bevor du es Mom und jemand anderem sagen musst".
Ich war wütend. Ja wütend, dass trifft sehr gut zu.
"Ich will aber nicht und möchte nicht. Außerdem muss ich nicht", sagte ich lauthals und wollte mich losreißen, aber Collin hielt mich fest.
Sein Blick drang tief in mir ein. Er sah besorgt, enttäuscht und zu gleich wütend aus.
"Taya! Wir, ich mache mir Sorgen!", entgegnete er mir.
"Sorgen? Du machst dir Sorgen? Du warst die letzten 9 Monate nicht da. Du hast mich allein mit Ma und Pa gelassen. Ich hatte niemanden. Ich habe dich vermisst. Du hast mich im Stich gelassen. Du meintest, dass du dich meldest und die einzige Nachricht, die ich von dir bekam, war eine Karte", schrie ich Collin an.
Tränen stiegen mir in die Augen.
Einatmen. Ausatmen. Einatmen. Ausatmen. Eins, zwei, drei...
"Ich habe versucht für euch zu Sorgen!", sagte Collin angespannt zurück und seine Hände ballten sich zu Fäusten.
"Ein Drittel meines verdammten Geldes habe ich Mom und Dad zukommen lassen. Ich wollte mich melden, aber es ging so gut wie gar nicht. Ich hatte jeden Tag etwas anderes zu tun ...". "Und deshalb hast du nicht einmal kurz Zeit deine kleine Schwester anzurufen?", schluchzte ich. Wir standen unter einer Laterne und mir schien dieser Moment, wie in einem Film. Es zog alles an mir vorbei, als wäre das, was wir erleben nur ein kleiner Abschnitt eines großen Kapitels.
Ich schaute Collin in die Augen und fühlte den Schmerz, den er fühlte. All das was ich ihm vorwarf tat mir nun fast mehr weh als ihm.
Collins Augen waren feucht. Er weinte. Und das wegen mir. Mein großer Bruder weinte. Wegen mir. Seiner kleinen Schwester. Ich habe ihn noch nie weinen sehen. Er war mein Vorbild. Er war immer stark. Er war immer da. Und jetzt weinte er.
Meine Augen füllten sich ebenfalls mit Tränen und ich legte meine beiden Hände auf seine Wangen. Dann lehnten wir Stirn an Stirn und weinten.
Ich hörte Collin laut ein und ausatmen. Es hatte ihn ziemlich getroffen.
Wir lagen Arm in Arm und waren in diesem Moment wieder vereint. Für immer und ewig. Bruder in Schwester. Er war mein Pfeiler. Mein Leben. Nichts konnte ihn ersetzten. Noch nicht einmal meinen besten Freund, Yuma. Denn Blut ist dicker, als Wasser.

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TeenfikceTaya ist eine Außenseiterin. In der Schule wird sie beleidigt, geschlagen und getreten. Aber auch zu Hause läuft es bei ihr nicht rund. Ihre Mutter ist meist nicht da und auch ihr saufender Vater beachtet sie nicht. Ihr einziger Lichtblick in ihrem...