Kapitel 1

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In einer stürmischen, kalten und regnerischen Nacht in Schweden passierte es. Ich, Siare, wurde zur Welt gebracht. Jedoch war dies keine normale Geburt: Es war Vollmond, die Wehen meiner Mutter setzten viel zu früh ein und gerade in dieser Nacht war es keinem Heiler oder Geburtshelfer möglich, zu unserer kleinen Hütte am Waldrand zu gelangen. Eines der heftigsten Gewitter zu unserer Zeit herrschte über Stockholm und seiner Umgebung. Mein Vater tat alles, um seiner Frau zu helfen und sie am Leben zu halten, doch sie schaffte es nicht. Der Ruf meiner Mutter war nicht gerade der beste, denn sie kannte sich gut mit Kräutern und Tränken aus. Zur Zeit der Hexenverbrennungen nicht wirklich ein Vorteil. Zudem hatte sie auch noch rot schimmernde Haare, die ich leider nur aus den Erzählungen meines Vaters kenne. So wie alles andere über meine Mutter. Er meinte immer, ich hätte ihre Augenfarbe. Rabenschwarz. Doch nun zurück zu meiner Geburtsnacht. Meine Mutter, Sjáanda, deren Familie ursprünglich aus Island kam, weswegen ihr Name Isländisch für "Seherin" steht, trug immer ein Amulett bei sich, welches sie meinem Vater während ihren letzten Atemzügen mit den Worten "An ihrem 16. Geburtstag gehört es ihr." in die Hand legte. Bevor sie das letztes mal ein- und ausatmete, verschwand das leuchten aus ihren Augen. Mein Vater beerdigte sie und beschloss, mich alleine großzuziehen. Ich habe viel in den Wäldern gelebt, denn mein Vater ließ mich nie mit in die Stadt kommen, aus Angst, ich könnte verloren gehen. Viel Geld hatten wir nie, aber ich hatte die Aufzeichnungen meiner Mutter und ihre Werkzeuge. Ich hatte immer eine Beschäftigung und war fasziniert von den unentdeckten Werken meiner Mutter. Meine komplette Zeit verbrachte ich damit, lesen und schreiben zu lernen und jedes beschriftete Blatt, das mir zwischen die Finger kam, zu lesen. An meinem 13. Geburtstag fand ich in einer Kiste auf dem winzigen Dachboden unserer Holzhütte ein besonderes Buch. Es sah schon sehr alt und vergilbt aus. Mein Vater war mal wieder unterwegs, um uns etwas zu essen zu besorgen. Ich wusste, dass er erst in ein paar Stunden zurück sein würde, also setzte ich mich auf mein Bett, zündete eine Kerze an und schlug das Buch vorsichtig auf. Das alte, fast antik wirkende Papier raschelte leise dabei. Ich begann zu lesen:

Dies ist das Tagebuch von Sjáanda Ljós Månsken.

Es war tatsächlich ihr Tagebuch. Sie schrieb jede Menge über ihre Forschungen und Experimente mit ihren Kräutern, doch etwa auf der 20. Seite begann sie, von Übernatürlichem zu schreiben. Sie erzählte von Geistern, Dämonen und ähnlichen Wesen. Anscheinend hatte sie nicht einmal meinem Vater davon erzählt. Das Buch verschlang ich regelrecht. Mit jedem Buchstaben, jeder Zeile, jeder Seite war ich mehr und mehr fasziniert von diesen Wesen. Ich hätte vielleicht Angst vor ihnen haben sollen, aber das hatte ich nicht. Ich fand sie eher beeindruckend. Als ich etwa die Hälfte des Buches gelesen hatte, kam mein Vater mit etwas Brot und Gemüse zurück. Ich schob das alte Buch unter mein Schafsfell und stellte die Kerze auf den Tisch. Es war schon spät geworden, denn von der Sonne war nur noch ein Funkeln zu sehen. Seitdem habe ich jedes Mal, wenn ich alleine war, mehr gelesen. Mit 14 durfte ich zum ersten Mal mit nach Stockholm. Ich entdeckte einen kleinen Bücherladen in einer dunklen Seitengasse und beschloss, hineinzugehen. Dort gab es jede Menge Bücher und Schriftrollen über alles Mögliche. Eines fiel mir sofort ins Auge. Es hatte außergewöhnlich viele Seiten und zog mich förmlich an. Es ging um übernatürliche Wesen. Sofort holte ich ein Großteil meiner Ersparnisse heraus und bezahlte das große Schriftwerk, dass ich daraufhin behutsam in den Tiefen meiner Tasche verschwinden ließ. Innerhalb von fast 2 Jahren lernte ich fast das ganze Buch auswendig, nur weil es mich so faszinierte und ich es immer und immer wieder las. Am Abend vor meinem 16. Geburtstag sah ich es zum ersten mal. Ein kleiner Schatten, der sich an meine Bettkante setzte. Er flüsterte etwas, was ich nicht verstehen konnte, und verschwand. Gleich am nächsten Morgen passierte dasselbe nocheinmal. Mein Vater schenkte mir an diesem Tag das Amulett, dass ihm meine Mutter vor 16 Jahren, als sie starb, gegeben hatte. Ich hängte es mir um und behielt es immer bei mir. Ein paar Monate später begann der Winter: Eine Krankheit, die bisher niemand heilen konnte, befiel meinen Vater. Nach einem langen Kampf gegen den Tod erlag er schließlich doch den starken Schmerzen. Mich besuchten immer wieder Geister und Schatten. Bis ich 17 war, lebte ich alleine in der alten Hütte am Wald und führte Tagebuch, genau wie meine Mutter und führte ihre unvollendeten Projekte fort. Als ich eines Tages im Frühling nach Stockholm ging und meine Vorräte aufzufüllen, sag ich an den schwarzen Brettern einen Brief mit der Nachricht, dass alle Frauen und Mädchen mit verdächtigen Verhaltensweisen, Klamotten, Berufen und Wohnorten dazu aufgefordert wurden, zu den Hexenverhören zu kommen. Wenn sie dies nicht freiwillig taten, würde man sie suchen und dazu zwingen. Schlagartig wurde mir klar, dass ich in Gefahr war. Ich zog meine Kapuze an meinem Mantel tiefer ins Gesicht und besorgte genug Nahrung für ein paar Wochen. Als ich zurück zur Hütte kam packte ich meine 7 Sachen, ein paar Bücher und Werkzeuge ein und verließ mein Zuhause. Ich wanderte im Wald herum und baute mir ein Lager auf. Dort lebe ich seitdem. Jetzt bin ich 18. Und jetzt kommst du ins Spiel. Jemand aus der Stadt hat dir gesagt, dass im Wald eine Hexe lebt. Niemand hat sie jemals gesehen, aber sie soll gefährlich und listig sein. Du bist die Tochter eines einfachen Bauern und weißt nicht besonders viel über Hexen. Du bist 16 Jahre alt und dich fesselt diese Geschichte, sie macht dich neugierig. Du beschließt an einem kühlen Herbstmorgen, nach diesem Lager zu suchen, und herauszufinden, ob die Erzählung wahr ist. Du sagst deiner Familie nichts davon, nicht einmal deiner Schwester, der du sonst alles anvertraust. Du ziehst deinen Mantel an und gehst leise aus dem Haus, als alle anderen noch schlafen. Leise begibst du dich Richtung Wald und fühlst die kalte Morgenluft auf deinem Gesicht. Du atmest tief ein und genießt es. Je näher du dem Wald kommst, desto zögerlicher wirst du. Als du am Waldrand stehst atmest du noch einmal tief durch und machst dann ein paar Schritte hinein. Es ist still, nur ab und zu kann man einen Vogel zwitschern hören oder ein Eichhörnchen einen Baum hinaufflitzen sehen. Der Wald wird immer dunkler. Du bekommst etwas Angst und bleibst stehen um dich umzusehen. Hier ist nichts außer dir und den Bäumen und Büschen. Nun bist du so weit im Wald wie noch nie. Jetzt gibt es kein zurück mehr. Du läufst weiter. Es wird immer kälter und stiller und du ziehst deinen Mantel enger um dich. Das einzige,was du hörst, ist dein Atem. Doch plötzlich bemerkst du ein Licht. Du gehst langsam darauf zu und versteckst dich hinter den kräftigen Baumstämmen während du versuchst, genaueres zu erkennen. Jemand hat hier ein Feuer gemacht und hatte einen Kessel mit Wasser aufgesetzt. Du siehst ein kleines improvisatorisches Zelt, das gerade mal groß genug für 2 Personen zum schlafen ist. Auf einmal geht der Eingang zum Zelt auf und eine junge Frau kommt mit Kräutern und andern Beuteln heraus. Das bin ich, Siare Lycka Månsken. Du weißt es nur noch nicht. Ich habe einen langen dunkelgrünen Mantel an, trage die Haare offen und trage ein dunkles, langes Kleid. Ich mache mir gerade mein Frühstück und fügte dem heißen Wasser die Kräuter hinzu. Dann setze ich nochmal einen kleineren Kessel mit Wasser auf, um mir einen Tee zu machen. Hinter dir knackt es plötzlich und du schreckst herum. Ein Reh war dir gefolgt und war vor einem vorbeifliegenden Vogel erschreckt. Jetzt rennt es weg. Als du dich wieder zu mir umdrehst, habe ich meinen Blick auf dich gerichtet. Du gerätst in Panik und versteckst dich komplett hinter einer großen Eiche.

Was tust du ?

Option 1 : Du bleibst dort und wartest, bis alles wieder still wird. Du bist dir nicht sicher, ob ich dich wirklich gesehen habe.

(Lies in Kapitel 2/ Option 1 weiter.)

Option 2 : Du rennst weg, Richtung Waldrand. Du bist dir absolut sicher, dass ich dich gesehen habe und fürchtest, dass ich wirklich die Hexe bin, von der in der Stadt gesprochen wird.

(Lies in Kapitel 2/ Option 2 weiter.)

Unheilschwestern.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt