Kapitel 5/Option 2

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Du entscheidest dich für den linken Weg. Es wird immer dunkler und der Weg scheint ewig geradeaus zu führen. Doch plötzlich macht er eine scharfe Biegung und wir stehen an der nächsten Kreuzung. Ein Weg hat eine klar erkennbare Begrenzung, währen der andere komplett verwachsen und voller Dornengestrüppe ist.
Zu deiner Überraschung laufe ich aber direkt auf den komplizierteren Weg zu und fange an, mit einem Stock die Dornen und großen Äste aus dem Weg zu räumen. Du siehst dich etwas verängstigt um und als du dich dann wieder zu mir umdrehst, bin ich schon so weit weg, dass du dich beeilen musst, mich einzuholen. Schnell huschst du in das hohe Gewächs. Du hast Mühe, mir zu folgen, denn das ganze Gestrüpp verfängt sich gerne in deinen langen Haaren und deiner Kleidung. Immer wieder musst du mit bloßen Händen Dornensträuche und Kletten von deinem Mantel entfernen, die mittlerweile einige Kratzer haben. Und auf einmal bleibe ich aprupt stehen. Fast läufst du in mich hinein, aber kannst gerade noch rechtzeitig abbremsen. Nun blicken wir beide auf ein altes, kleines und verkommenes Haus.

"Da sind wir. Komm!" Sage ich dir und gehe zu der morschen Holztür. Kurz klopfe ich an. Keine Antwort.

"Vaia, mach auf. Ich bins."

Immernoch nichts.

"Vaia! Ich habe SIE gefunden. Jetzt mach schon auf!"

Das Wort SIE sage ich mit einer besonderen Betonung. Doch immernoch antwortet niemand. Langsam werde ich etwas wütend und mein Klopfen wird immer energischer. Bis ich einmal fest gegen die Tür stoße und sie knarrend aufgeht. Dir läuft ein kalter Schauer über den Rücken als wir durch den Eingang in das Haus, was eher eine zweistöckige Hütte ist, gehen. Es sieht verlassen aus. Hier hat bestimmt schon lange niemand mehr gelebt. Es riecht vermodert. Du siehst dich um, doch plötzlich hörst du ein Schluchzen. Überrascht drehst du dich zu mir um. Ich bin an einer Wand neben der Feuerstelle zusammengesunken und meine Augen sind geweitet.

"Sie haben sie umgebracht ..." murmle ich mit heiserer Stimme und Tränen strömen über mein Gesicht.

"Wer hat wen umgebracht?" Fragst du, etwas verwirrt und gehst auf mich zu um mich in den Arm zu nehmen.

"Die drei Schwestern. Sie haben meine einzige Verbündete getötet. Die Spuren hier sagen alles. Und diese dunkle Energie überall. Wir haben uns zwar schon länger nicht besonders gut verstanden und uns immer wieder über verschiedene Ansichten gestritten, aber ohne sie wird es fast unmöglich sie zu besiegen." Erkläre ich dir und wische dabei das salzige Wasser von meinem Gesicht und versuche meine Fassung wieder zu erlangen.

Und plötzlich hört man ein kurzes aber lautes Rumpeln aus dem oberen Stockwerk. Wir sehen uns an und ohne groß zu überlegen gehen wir hinauf. Die Treppe gibt unter jedem Schritt etwas nach und knarzt. Du gehst langsam voran, ich dicht hinter dir. Und im nächsten Moment schreist du auf. Ein Mädchen, nicht älter als 12 Jahre alt, in einem ehemals weißen Schlafrock und langen, dunklen Haaren, vollkommen mit Blut übergossen, steht am oberen Ende der Stufen. Pure Panik packt dich, doch ehe du dich versiehst, ist es verschwunden. Niemand redet. Wir lauschen einfach weiter in die unerträgliche Stille hinein, in der Hoffnung etwas zu hören, das uns Sicherheit gibt.

KLIRR!

Das war eine Vase. Irgendjemand - oder irgendetwas ist da oben. Du nimmst all deinen Mut zusammen und rennst die Treppe hoch, nur um dich noch mehr zu erschrecken. Das Mädchen steht dir fast gegenüber und lehnt mit dem Kopf an der Wand. Dann fängt sie an, ihn mit voller Wucht dagegenzuschlagen.

Knall. Knall. Knall. Knall.

Nach etwa zehn mal stoppt sie und dreht langsam den Kopf zu dir. Dein Körper ist wie gelähmt vor Angst. Du zitterst unkontrolliert und wagst es fast nicht zu atmen. Blässe steigt in dein Gesicht.

Ihre riesigen, blutunterlaufenen Augen starren direkt in deine.

"Passt lieber auf. Sie sind zurückgekehrt und werden alles vernichten ..." flüstert sie und grinst dabei furchteinflößend. Dann sprintet sie direkt auf dich zu. Ein lauter Schrei löst sich aus deiner Kehle und aus Reflex schützt du dein Gesicht mit deinen Händen. Doch als du nach ein paar Sekunden merkst, dass dir nichts passiert, lässt du sie langsam sinken und Erleichterung überströmt deinen immernoch zitternden Körper. Doch dann denkst du daran, dass die Gefahren noch längst nicht vorbei sind. Denn das ist erst der Anfang. Von unten kommen laute Geräusche.

Verdammt! Siare! Ich muss ihr sofort helfen!

Einen Moment später bist du schon unten und findest dich in einem chaotischem Kampfgewimmel wieder. Unzählige Wesen tümmeln sich in der ganzen Hütte und greifen mich an. Aber nachdem du ein paar Sekunden hilflos stehen bleibst, verdunkeln sich deine Augen und dein Gesichtsausdruck.

"Verschwindet in die Hölle zurück aus der ihr entkommen seid!"

Und alles bleibt still. Man hätte eine Stecknadel fallen hören können. Es wirkt fast so, als würde die Zeit still stehen. Schwer atmend komme ich zu dir hinübergehumpelt und lobe dich.

"Gut gemacht. Das war der perfekte Zeitpunkt."

"Ich ... ich wusste nicht ... seit wann..."

"Deine Kräfte fangen an zu wirken."

Ziemlich verwirrt nickst du denkst innerlich weiter darüber nach, was gerade passiert war.

Habe ich vielleicht doch nicht ganz den Verstand verloren ?

Lies in Kapitel 6 weiter.

Unheilschwestern.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt