Der Schock

178 13 0
                                    


"Bin wieder da", schreie ich durchs ganze Haus.

Alles ist still, was ungewöhnlich ist bei uns. Normalerweise ist meine Mutter immer um diese Zeit zuhause.. Ich schaue auf die Uhr. Wir haben halb vier, da muss doch Jemand Zuhause sein. Irgendetwas stimmt hier nicht. Ich schaue in jedem Zimmer, aber nichts, Niemand ist da. Alle sind wie vom Erdboden verschluckt. Was ist hier los? Ich schaue noch einmal in der Küche nach, ob dort vielleicht ein Zettel liegt. Aber auch dort gibt es kein Lebenszeichen von meiner Familie. Ich prüfe mein Handy auf verpasste Anrufe oder Nachrichten aber auch dort nichts. Also beschließe ich meine Mutter auf dem Handy anzurufen.

"Hier ist die Mailbox von Sandra Morrison, ich bin zurzeit nicht erreichbar wenn etwas Wichtiges ist dann sprich nach dem piep", höre ich nur die Stimme meiner Mutter sagen.

Warum geht sie nicht ran? Sonst geht sie auch sofort an ihr Handy. Ich mache mir ernsthafte Sorgen. Nach einer Weile versuche ich es dann bei Naomi, aber sie ist arbeiten und weiß auch nichts. Vielleicht ist wirklich nichts und ich mache mir nur unnötige Gedanken. Aber ich versuche es zuletzt noch bei meinem Vater. Er muss doch wissen, wo Mama ist. Aber auch bei ihm geht nur die Mailbox dran. Kann man nicht einmal an sein Handy gehen, warum hat er überhaupt eins?

Da ich inzwischen Hunger habe, schmeiße ich mir eine Tiefkühlpizza in den Ofen. Mit leeren Magen kann ich nicht nachdenken. Als ich sie gegessen habe, weiß ich immer noch nicht was ich jetzt machen soll. Es ist inzwischen 18 Uhr und mein Vater ist immer noch nicht da. Plötzlich klingelt mein Handy.

"Mama?", frage ich sofort als ich abhebe.

"Ne ich bins Brian. Freust du dich denn gar nicht meine Stimme zu hören", meldet sich Brian am anderen Ende der Leitung zu Wort.

"Doch klar", erwidere ich etwas enttäuscht, dass es nicht meine Mutter ist.

"Was ist los? Du klingst so komisch. Ist etwas passiert?", fragt er besorgt nach.

"Ich weiß auch nicht was los ist. Ich erreiche meine Eltern nicht. Ich weiß nicht wo sie sind", sage ich traurig. Ich versuche meine Tränen zu unterdrücken, aber immer wieder bahnen sich einige Tränen den Weg über meine Wangen.

"Schatz, ich komme jetzt zu dir", erwiedert Brian.

"Brian, das brauchst du nicht. Ich komme schon klar", sage ich, aber schon hat er aufgelegt. Ist schon süß von ihm, aber er soll mich doch nicht schon wieder am Weinen sehen. Nach 5 min klingelt es, ich öffne die Tür und vor ihr steht mein kleiner Bruder. Den habe ich total vergessen. Wie kann ich meinen eigenen Bruder vergessen?

"Warum hat Mama mich nicht vom Fußballtraining abgeholt? Ich musste denn ganzen Weg nach Hause laufen", sagt er erschöpft.

"Mama ist etwas dazwischen gekommen, sei nicht sauer auf sie", lüge ich. Wie soll ich ihm es sonst erklären.

Nachdem ich das gesagt habe, ist er an mir vorbei gelaufen und in die Küche gegangen. Wo sind Mama und Papa nur? Sie können doch nicht einfach Jason vergessen, dass ist noch nie passiert. Ganz in Gedanken merke ich gar nicht, dass ich aufeinmal im Arm genommen werde. Ich schaue hoch und blicke in die schönsten braunen Augen, die ich je gesehen habe.

"Ich bin jetzt bei dir und lasse dich nicht so schnell wieder alleine. Aber erst erzählst du mir, was los ist", fordert mich Brian ruhig auf. Wir gehen rein ins Wohnzimmer und ich erzähle ihn alles. Dabei breche ich in Tränen aus. Brian hält mich dabei die ganze Zeit im Arm. Genau das brauche ich gerade so dringend.

"Hope, warum weinst du?", fragt mich plötzlich mein Bruder, der im Wohnzimmer kommt.

"Ich bin nur traurig, sowie du gestern Abend. Komm mal zu mir", bitte ich ihn. Er kommt ohne zu Zögern zu mir und ich drücke ihn einmal ganz fest an mich. Er ist doch erst 7 Jahre alt. Er weiß einfach nicht was los ist. Diese Ungewissheit macht einen total irre. Es ist kein gutes Gefühl, nicht zu wissen, wo sich die eigenen Eltern befinden.

"Jason, das" ich zeige auf Brian "ist mein Freund Brian", stelle ich ihn Brian vor. Beide verstehen sich auf Anhieb gut. Brian und Jason reden die ganze Zeit über Fußball, Jungs eben. Plötzlich klingelt das Haustelefon. Ich renne schnell hin und nehme ab.

"Hallo?", entgegne ich aufgeregt.

"Hey Hope ich bins", meldet sich mein Vater zur Wort. Endlich.

"Wo bist du Papa und wo ist Mama?", frage ich ihn erleichtert.

"Das möchte ich dir gerade sagen, wenn du mich mal ausreden lässt", erwiedert er daraufhin.

"Ja okay. Ich mach mir nur Sorgen", sage ich.

"Das weiß ich doch. Ich bin mit Mama in Münster im Krankenhaus", lässt er dann die Bombe platzen. Vor Schock fällt mir fast das Telefon aus der Hand. Das habe ich nun wirklich nicht erwartet.

"Hope, bist du noch dran?", vergewissert mein Vater sich.

"Ja klar. Was ist passiert?", frage ich ihn besorgt.

"Mama ging es auf einmal nicht so gut. Sie konnte nicht mehr alleine gehen und sie hat sich ständig übergeben", klärt mich mein Vater auf. Ich kann nicht mehr und ich fange an zu weinen. Das ist alles einfach zu viel für mich. Ich bin doch noch ein Kind. Wie konnte sich ihr Zustand von einen auf den anderen Tag so verschlechtern?

"Schatz alles wird wieder gut. Hör bitte auf zu weinen. Du musst mir jetzt zuhören", entgegnet mein Vater ernst. Ich muss mich jetzt zusammenreißen für meinen Vater. Für ihn ist es immerhin auch nicht leicht.

"Ja ich höre, Papa", sage ich als ich mich ein wenig beruhigt habe.

"Okay gut. Ich komme heute nicht mehr nach Hause. Du musst dich jetzt erst einmal um deinen Bruder kümmern. Am Besten sagst du ihm, dass wir bei Oma sind", sagt mein Vater.

"Ich soll ihn also anlügen, Papa? Irgendwann wird er doch etwas merken. Außerdem weiß er doch, dass Mama krank ist also warum soll ich ihn dann bitte anlügen", erwiedere ich daraufhin.

"Okay mach es so wie du es für richtig hälst. Ich muss jetzt auch auflegen. Ich bin morgen Abend wieder zurück. Wenn ihr möchtet, könnt ihr morgen von der Schule Zuhause bleiben", erklärt mein Vater. Bevor ich noch etwas sagen kann, hat er auch schon aufgelegt. Mama geht es schlecht. Am liebsten würde ich sofort zu ihr fahren aber Münster ist viel zu weit entfernt und ich habe versprochen auf Jason aufzupassen. Als ich ins Wohnzimmer komme, ist mein Bruder schon am Schlafen. Für einen siebenjährigen ist in den letzten Tagen viel passiert. Er muss es erst einmal verarbeiten.

Etwas Gutes hatte es aber, ich muss meinen Bruder heute nicht erklären, wo unsere Eltern sind.

"Schatz, was ist los? Du bist auf einmal ganz blass?", fragt mich Brian besorgt. Ich erzähle ihn von dem Telfonat mit meinem Vater und fange im Laufe der Erzählungen schon wieder an zu weinen. Ich kann einfach nicht mehr. Er nimmt mich in den Arm und beschließt heute hier zu schlafen. Er trägt Jason noch in sein Bett und wir gehen danach in meinem Zimmer und legen uns ins Bett. Er trägt nur seine Boxershorts. Eins muss ich ihn lassen, er hat einen wirklich heißen Körper. Ich hingegen trage meinen karierten Schlafanzug.

So gegen 21 Uhr kommt auch Naomi von der Arbeit. Natürlich erkläre ich ihr, dass Brian mein Freund ist und natürlich alle Neuigheiten von Mama. Sie hat nichts dagegen, dass Brian hier schläft, was mich eigentlich wundert sonst rastet sie auch immer sofort aus. Aber unter diesen Umständen, hat sogar meine Schwester Verständnis.

Ein wenig beunruhigt bin ich schon. Immerhin hat meine Schwester vor kurzem Brian noch geküsst. Aber ich schiebe diese Gedanken beiseite, da diese in dem Augenblick echt fehl am Platz sind. Außerdem kenne ich Naomi zu gut, sie hat ihn nur geküsst um mich zu kränken.

So schlafe ich an Brians Brust ein.

LebensschicksalWo Geschichten leben. Entdecke jetzt