Das Glück hält nicht lange an

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Als ich Zuhause ankomme, werde ich schon von meinen Eltern erwartet. Jetzt kann ich mich auf etwas gefasst machen. Meine Eltern mögen es nämlich nicht, wenn ich kurzfristig bei Freunden übernachte.

"Da bist du ja endlich. Chris hat gerade angerufen, dass du schon lange bei ihm weg bist. Er macht sich Sorgen um dich. Also wo warst du Fräulein?", fragt mich mein Vater direkt. "Fräulein" sagt er nur, wenn er sehr sauer ist. Nur weil ich mal eine Nacht nicht Zuhause geschlafen habe, muss er doch nicht gleich an die Decke gehen. Ich finde, dass er total übertreibt.

"Ich war noch spazieren und wie du siehst jetzt wieder da", antworte ich plump.

"Ist doch gut, Michael sie ist doch wieder da", versucht meine Mutter meinen Vater zu beruhigen.

"Nein es ist nicht gut, sie kann doch nicht einfach machen was sie möchte! Noch wohnt sie in unserem Haus!", schreit mein Vater aufgebracht. Ich zucke bei seiner Lautstärke zusammen, ich habe meinen Vater noch nie so aufgebracht gesehen. Irgendwas stimmt hier nicht. Das merke ich doch. Ich bin doch nicht blöd.

"Michael, jetzt lass deine Wut nicht an den Kindern aus", entgegnet meine Mutter ruhig.

"Mama, was ist hier eigentlich los?", frage ich sie jetzt direkt. Mit meinen Vater kann man im Moment nicht vernünftig reden. Wenn er aufgebracht ist, sollte man ihn einfach aus dem Weg gehen.

"Wir müssen es ihnen sagen, Michael", sagt sie daraufhin an meinen Vater gewahnt. Was ist hier los? Ich bekomme es langsam mit der Angst zu tun. Meine Eltern waren noch nie so komisch drauf, so geheimnisvoll.

"Nein, sie sind noch zu jung", sagt mein Vater wieder ein wenig ruhiger.

"Ich bin alt genug!", entgegne ich sofort. Ich möchten unbedingt wissen, was meine Eltern zu verbergen haben, es muss etwas Schlimmes sein.

Meine Eltern können mich doch nicht behandeln, wie ein kleines Mädchen. Ich bin keine 5 Jahre alt mehr! Ich bin sehr wohl belastbar und kann mit Problemsituationen gut umgehen.

"Bist du nicht und jetzt geh in dein Zimmer und lass mich mit deiner Mutter allein", schreit mein Vater mich erneut an. Ich bekomme richtig Angst vor ihn und sage auch nichts mehr dazu.

Ich gehe einfach ohne ein weiteres Wort zu sagen in mein Zimmer. Dort sitzt auch schon Naomi und grinst mich hinterhältig an.

"Weißt du was bei Papa und Mama abgeht?", frage ich sie obwohl ich eigentlich keine Lust habe mit ihr zu reden aber ich mache mir richtig Sorgen. Vielleicht weiß sie etwas genaueres, immerhin ist sie älter als ich.

"Nein wieso? Nur, weil die Prinzessin mal angeschrien wurde", sagt sie hinterhältig.

"Ach halt doch deine Klappe. Es war so klar, dass du so denkst. Du willst mich doch immer nur eins reinwürgen. Aber irgendetwas stimmt da nicht und sie wollen mir nichts sagen", sage ich schon wütend. Meine Schwester regt mich einfach immer auf. Sie muss nur ein Wort sagen und ich bin schon auf hundertachtzig. Naomi kann mich einfach nicht leider und damit habe ich mich inzwischen abgefunden.

"Da ist nichts und nerve mich nicht weiter", sagt sie gleichgültig und setzt wieder ihre Kopfhörer auf. Mit der kann man echt nicht reden und das soll meine große Schwester sein.

"Ach übrigens Brian küsst echt gut", sagt sie noch und hört ihre Musik weiter. Wie ich sie hasse, wenn sie nur wüsste das ich jetzt mit Brian zusammen bin. Aber ich bin nicht so wie sie und reibe ihr es unter die Nase.

Ach wenn ich gerade an Brian denke, ich wollte mich noch bei ihn melden. Wo liegt denn mein Handy? Ich suche das gesamte Zimmer ab aber erfolglos. Dann muss es wohl unten liegen, also mache ich mich auf den Weg zur Treppe, als ich meine Eltern reden höre. Ich bin nicht so Eine die gerne lauscht aber irgentetwas stimmt da nicht und da sie es mir nicht sagen wollen, habe ich keine andere Wahl als zu lauschen. Ich muss es einfach herausbekommen, denn sonst bekomme ich kein Auge mehr zu.

Gespräche zwischen Sandra (Mutter) und Michael (Vater):

"Wir müssen es ihnen endlich sagen. Irgendwann werden sie es wieso herausfinden oder sehen was los ist", höre ich meine Mutter traurig sagen.

"Lass uns erst einmal abwarten was die Ärzte sagen. Vielleicht haben sie sich geirrt", entgegnet mein Vater. Was für Ärzte? Ist meine Mutter krank? Was ist hier nur los?

"Worauf denn warten? Beim letzten Mal haben wir es ihnen auch nicht gesagt und jetzt sind sie alt genug. Sie haben die Wahrheit verdient", sagt mein Mutter eindringlich.

"Sandra, bitte lass uns die Diagnose abwarten und dann gucken wir weiter", erwidert mein Vater flehend.

"Was machst du denn da Hope? Lauscht du?", fragt mein Bruder, der plötzlich vor mir auftaucht.

"Sei mal bitte leise, es ist wichtig", flüstere ich, damit unsere Eltern uns nicht bemerken. Zum Glück hört Jason mal.

"Michael, wir sollten die Kinder auf das Schlimmste vorbereiten. Außerdem habe ich nicht mehr die Kraft es ihnen zu verheimlichen. Meine Symptome sind einfach zu stark", schluchzt mein Mutter.

"Auf das Schlimmste vorbereiten? Weißt du was du da sagst? Du wirst es noch einmal besiegen. Die Kinder und ich brauchen dich doch", entgegnete mein Vater. Plötzlich fängt er an zu weinen. Ich habe meinen Vater noch nie weinen gesehen. Immer ist er der Starke, der keine Gefühle zeigt. Es muss schlecht um meine Mutter stehen.

"Was meinen Mama und Papa, Hope? Wird Mama sterben?", fragt mich Jason traurig.

"Jason, Mama wird nicht sterben. Alles wird gut", beruhige ich meinen Bruder und umarme ihn.

"Geh du bitte wieder in dein Zimmer. Ich rede kurz mit Mama und Papa. Danach komme ich noch einmal zu dir", sage an ihn gewahnt.

Als er endlich in sein Zimmer geht, möchte ich wissen was hier eigentlich los ist. Was meinen sie damit, dass Mama es schon einmal besiegt hat? Auf das Schlimmste vorbereiten? Wird Mama sterben? Ich gehe die Treppe runter und von meinen Eltern fehlt jede Spur. Wo sind sie denn jetzt so schnell hin gegangen? Ich habe sie doch nur einige Sekunden aus den Augen gelassen. Ich schaue mich um.

Da ist ja mein Handy. Ein Blick verrät mir, dass ich 24 Anrufe und 10 Nachrichten in Abwesenheit habe. Die Hälfte der Anrufe sind von Brian von gestern, 6 von Chris nachdem er den Zettel gefunden hat, 3 von Sarah und die anderen 3 von Ayla. Im Moment möchte ich mit keinen reden. Ich will nur eins, wissen was mit meiner Mutter los ist und das können mir nur meine Eltern sagen.

Trotzdem scrolle ich meine Nachrichten kurz durch. Darin steht eigentlich nur, was mit mir los war und wo ich bin also nichts besonderes. Brian habe ich im Moment auch keine Lust zu schreiben. Ich habe im Moment andere Sorgen.

Gerade war ich noch so glücklich und jetzt weiß ich einfach nicht wie ich mich fühlen soll. Warum reden meine Eltern nicht mit mir? Beziehungweise mit uns. Wir sind doch keine Kleinkinder mehr. Ich setze mich vor dem Fernseher und gucke mir irgendein Film an, der gerade läuft und warte bis einer meiner Eltern wieder kommt, um sie zur Rede zu stellen. Aber als sie sich nach 2 Stunden immer noch nicht blicken lassen, habe ich auch keine Lust mehr zu warten und vertage das Gespräch auf morgen, weil ich langsam echt müde werde. Ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass es schon halb 12 ist und ich mal langsam ins Bett sollte, da morgen wieder Schule ist.

Also mache ich mich fertig und gehe ins Bett. Meine Schwester schläft schon wie ein Stein und ich frage mich, wie kann sie so seelenruhig schlafen, wenn unsere Eltern uns etwas Wichtiges verheimlichen. Ich versuche die ganze Zeit einzuschlafen aber ich finde einfach keine Ruhe. Zu viele Sachen gehen mir durch den Kopf. Ich habe wirklich Angst. Was ist wenn Mama totkrank ist? Ich kann mir ein Leben ohne sie gar nicht vorstellen. Ich wälze mich im Bett hin und her und versuche vergeblich einzuschlafen.


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