Verzweifelte Gebete

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Sam kniete sich vor sein Bett, wie er es nicht mehr getan hatte, seit er ein sehr kleiner Junge gewesen war. Er faltete die Hände zum Gebet.

„Luzifer."

Es fühlte sich alles ziemlich falsch an. Aber Luzifer war der Grund, warum er überhaupt noch atmete. Sam senkte den Kopf und starrte auf seine gefalteten Hände hinab. „Ich ... ich wollte mich bedanken. Du hast mir das Leben gerettet."

Er atmete tief durch. „Und wir haben dich nicht vergessen. Cas sucht nach einer Möglichkeit, die Verbindung wieder herzustellen." Das war ein kleiner Triumph für Sam. Er hatte sowohl seinen Bruder als auch Castiel davon überzeugt, dass sie Luzifer das schuldig waren. Und fast glaubte er auch selbst, dass nur das seine Beweggründe waren und nicht etwa die Leere in seinem Inneren, die er mit jedem verstreichenden Tag stärker spürte.

„Es kann ein bisschen dauern, aber ich verspreche, wir lassen dich nicht hängen, okay? Wir haben nur außerdem ein paar andere Probleme. Wie's aussieht, haben die Werwölfe sich mit den Leviathanen verbündet. So haben sie erfahren, wie man Engel bannt. Und einer von ihnen hat mich gebissen. Ich ..." Sam stockte kurz. „Ich denke, ich hab's unter Kontrolle, aber es ist nicht einfach. Wir müssen uns überlegen, was wir an Vollmond machen ..."

Die Worte wurden immer leiser, bis er schließlich verstummte. Das war sein Leben. Ein Reihe von Katastrophen, die dazu geführt hatte, dass er zum Teufel betete, während er sich vor dem fürchtete, was am nächsten Vollmond mit ihm passieren würde. Sam leckte sich die Lippen.

„Das ... das wollte ich dich nur wissen lassen. Und noch mal danke."

Damit erhob er sich und kroch unter seine Bettdecke.

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Sam kniete wieder vor seinem Bett, aber diesmal träumte er.

„Sam."

Luzifer stand auf der anderen Seite, starrte auf ihn herab. Sam wollte aufstehen, aber der gefallene Engel hob eine Hand, und ein unsichtbares Gewicht drückte Sam wieder nach unten. „Bleib so. So gefällst du mir."

Es war der übliche flirtende Tonfall, das übliche raubtierhafte Glitzern in den blauen Augen. Aber irgendetwas stimmte nicht. Es dauerte einen Moment, bis Sam erkannte, was. In den vergangenen Wochen war Luzifers Blick Stück für Stück weicher geworden. Freundlicher. So unmerklich, dass es Sam erst richtig auffiel, nun da der gefallene Engel ihn wieder genauso ansah wie ganz am Anfang. Wie im Käfig kurz nach ihrem gemeinsamen Fall.

Sams Herz schlug schneller, aber er versuchte sich zu entspannen. Luzifer hatte bereut, hatte sich entschuldigt. Er würde ihm nichts tun. Und selbst wenn, es war nur ein Traum.

Der gefallene Engel schwang sich über das Bett, kniete mit einem Mal vor Sam auf der Matratze, sein Gesicht nur Zentimeter entfernt. Ein düsteres Lächeln spielte um seine Lippen. „Das habe ich mir vorgestellt, als ich vor ein paar Wochen vorgeschlagen habe, du sollst auf Knien um eine weitere Stunde Schlaf betteln. Erinnerst du dich?"

Sam schluckte und nickte. Was stimmte hier nicht? Ihre Verbindung war nur ein paar Tage unterbrochen gewesen. Konnten sich ein paar Tage so negativ auf den Erzengel auswirken? Wie viel Zeit war das im Käfig? Aber Luzifer hätte doch sicher nicht selbst vorgeschlagen, dass er in Deans Kopf einzog, wenn er nicht überzeugt gewesen wäre, damit klarzukommen. „Was ist los, Luzifer?"

„Was soll sein?" Ein kalter Finger drückte Sams Kinn nach oben, und dann küsste Luzifer ihn. Automatisch erwiderte Sam den Kuss, einfach nur froh, sich auf einem Gebiet zu bewegen, das ihm in den vergangenen Wochen vertraut geworden war. Fordernd drang Luzifers gespaltene Zunge zwischen seine Lippen, Zähne hinterließen Spuren auf Sams Unterlippe. Es war kein sanfter Kuss, er war grob und besitzergreifend und nach einem Moment schmeckte Sam Blut, begleitet von dumpfem Traum-Schmerz. Nicht so scharf und akut, wie er es in der Realität gewesen wäre, aber dennoch Schmerz.

Speak of the DevilWo Geschichten leben. Entdecke jetzt