Ich weiß nicht, womit du das verdient hast

506 36 13
                                    

Am Ende war Sam sich nicht sicher, wie Cas es anstellte. Er spürte nur, wie das Loch in seiner Brust größer wurde, während der Engel mit konzentrierter Miene zwischen ihm und seinem Bruder stand, zwei Finger an Sams Stirn, zwei an Deans. Alles in Sam zog sich zusammen, wollte aufschreien, wollte die Verbindung zu Luzifer festhalten, die er nun erst richtig spürte, während sie ihm entrissen wurde. Alles, was ihn davon abhielt, war das Phantom eines Kusses in seinem Nacken, und Luzifers leiser werdende Stimme: „Es wird alles gut, Sam. Eine Woche, dann sind wir wieder vereint."

Dann war er fort, und Sam fühlte sich leer.

Castiel ließ die Hände sinken. Dean schüttelte sich wie ein nasser Hund und sah sich suchend um. Schließlich blieb sein Blick an einer Ecke des Zimmers hängen, eine Ecke, die für Sams Augen vollkommen leer war, aber Deans Miene verdüsterte sich. „Das kann ja lustig werden."

Es kostete Sam seine ganze Selbstbeherrschung, um Dean nicht anzufahren, er solle Luzifer halt zurückgeben, wenn er ihn so sehr störte. Stattdessen wandte er sich einfach ab und ließ sich auf sein Bett fallen. „Wenn ihr nichts dagegen habt, versuche ich einfach noch mal zu schlafen."

Dean warf ihm einen mitleidigen Blick zu, der wahrscheinlich von vollständig falschen Annahmen ausging, und er und Cas verließen den Raum.

Sam schlief nicht gut.

--------

Luzifer hielt erstaunlich viel Abstand, während Dean sich im Burgerschuppen neben dem Motel etwas zu essen besorgte und es sich damit auf einer Bank gemütlich machte. Dean hatte zumindest irgendeine Art von Kommentar erwartet, aber bisher beschränkte sich der Teufel auf düstere Blicke. Gut, wenn er gerne einen auf unheimlicher Stalker machte, sollte er halt.

Erst als Dean mit seinem Burger fast fertig war, trat Luzifer schließlich an die Bank heran und setzte sich, lehnte sich scheinbar entspannt zurück.

Als die letzten Reste des Burgers in Deans Mund verschwanden, hatte Lzifer immer noch nichts gesagt. Normalerweise war der ältere Winchester immer dafür zu haben, große Aussprachen einfach nicht stattfinden zu lassen, aber dieses Schweigen zehrte langsam an seinen Nerven.

„Du wolltest reden", sagte er schließlich. „Also rede."

Luzifer lachte. „Mache ich dich nervös?"

Die leere Burgertüte landete in einem eleganten Bogen im nächsten Mülleimer. „Meinetwegen kannst du auch für die nächste Woche einfach die Klappe halten. Aber Cas hat's klingen lassen, als hättest du irgendwas Wichtiges zu sagen."

Der Teufel nickte. „Habe ich. Die Frage ist nur, ob du irgendwas davon glauben wirst."

„Sorry, wenn ich nicht sonderlich scharf darauf bin, Satan persönlich mein uneingeschränktes Vertrauen auszusprechen."

„Du hast wirklich viel mit Michael gemeinsam. Immer so schnell mit den Urteilen."

Der Vergleich mit Michael sorgte dafür, dass Dean die Fäuste ballte. „Ich würde es nicht schnell nennen nach dem, was du mit Sammy im Käfig angestellt hast."

Bildete er sich das ein, oder zuckte Luzifer tatsächlich kurz zusammen? Dean wandte sich vollständig zu ihm um. „Tod persönlich hat mich davor gewarnt, ihm seine Seele zurückzugeben, weil du sie so übel zugerichtet hast! Und jetzt heulst du rum, weil ich nicht glauben kann, dass du plötzlich brav bist?"

Luzifers Miene blieb ausdruckslos. „Warum hast du ihm seine Seele trotzdem zurückgegeben?"

Als Dean den Mund öffnete, um zu antworten, hielt der Teufel eine Hand hoch. „Und jetzt behaupte nicht, du hättest es für ihn getan. Wir wissen beide, dass das nicht stimmt. Du wolltest deinen Bruder zurückhaben, nicht wahr? Und es war dir scheißegal, was er davon hält. In der Hinsicht sind wir uns gar nicht so unähnlich."

„Weil's so viel besser gewesen wäre, wenn ich ihn bei dir im Käfig gelassen hätte."

„Wie gesagt ... gar nicht so unähnlich ..."

Schaffte dieser Bastard es tatsächlich, mehr als hundert Jahre Folter damit zu vergleichen, dass Dean ein kalkuliertes Risiko eingegangen war, um Sam zu retten? Deans Fingerknöchel traten inzwischen weiß hervor, so fest ballte er die Fäuste. „Muss toll sein, sich immer im Recht zu fühlen."

„Oh, aber ich habe mich bei Sam entschuldigt."

Und das war ganz eindeutig eine Lüge. „Klar ..."

„Und da spricht wieder Michaels wahre Hülle."

„Hör auf, mich mit deinem Bruder zu vergleich!"

Luzifer lehnte sich vor, ein Lächeln auf den Lippen, das Dean aus irgendeinem Grund an einen Haifisch erinnerte. „Aber wenn es doch wahr ist. Ich kenne den Blick, mit dem du Sam ansiehst. Du rechnest immer noch damit, dass er wieder von dem Pfad abkommt, den du für gut erachtest, oder? Du hältst ihn immer noch für einen Freak, ein Monster, das man ständig im Auge behalten muss."

„Ich mache mir Sorgen um ihn. Aber ich schätze, du weißt nicht, wie so was aussieht. Immerhin hat dein Bruder dich einfach in der Hölle verrotten lassen."

Ein kurzes Aufblitzen von Rot tief in Luzifers Augen war alles, was Dean verriet, dass der Schlag gesessen hatte. Dann lehnte sich der Teufel noch ein Stück vor. „Erinnerst du dich daran, wie ich dich auf dem Stull Friedhof fast umgebracht hätte?"

Drohungen. Damit konnte Dean umgehen. Er warf Luzifer einen herausfordernden Blick zu. „Ich erinnere mich vor allem daran, dass du damals verloren hast."

Luzifer lachte. „Du denkst wirklich, Sam könnte mit purer Willenskraft einen Erzengel bezwingen?"

Was sollte das denn nun wieder bedeuten? „Was? Willst du behaupten, du hast ihn gewinnen lassen?"

Zu Deans Überraschung war Luzifers Miene absolut ernst. Er konnte nicht wirklich erwarten, dass Dean das glaubte, oder?

„Du hättest ihn hören müssen, wie er um dein Leben gebettelt hat. Gabriel zu töten hat wehgetan, aber Sams Verzweiflung in diesem Moment ... Sams Liebe zu dir ..." Luzifer schüttelte den Kopf. „Ich verstehe nicht, womit du das verdient hast."

Mit diesen Worten war er fort.

-------

Sam saß an seinem Laptop, als sein Bruder das Motelzimmer betrat. Er schaute nicht auf. In Salem, Oregon, hatte es ein paar Vorfälle gegeben, die verdächtig nach Werwolfangriffen aussahen. Genau das Richtige, um ihn von der Leere in seiner Brust abzulenken. „Hey, Dean. Ich glaube, ich habe einen Fall für uns."

Dann erst sah er seinen Bruder an. Die nachdenkliche Miene war recht ungewöhnlich für Dean.

„Alles in Ordnung? Verhält Luzifer sich anständig?"

Dean schüttelte den Kopf, als wollte er irgendeinen Gedanken vertreiben, und setzte ein Grinsen auf. „Er schmollt, glaube ich."

„Ernsthaft? Das waren grad mal drei Stunden. Wie hast du das geschafft?"

Sams Bruder hob die Schultern. „Ich bin eben ein Naturtalent."

Speak of the DevilWo Geschichten leben. Entdecke jetzt