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Ich überflog den Artikel mit der Überschrift „Superdetektiv löst erneut unmöglichen Fall". Es ging um einen Mord, dem wir uns vor zwei Wochen angenommen hatten. Die Story wurde erst später öffentlich gemacht, da Mycroft noch irgendwelche Hintergrundgeschichten zu klären hatte.

Neben dem Artikel war wieder das Bild. Das Bild mit dem Hut. Dieser Hut, den Sherlock am Anfang so gehasst, an den er sich aber scheinbar mit der Zeit gewöhnt hatte. Ob er dieses „Detektiv mit Hut"-Image wohl jemals loswerden würde? Keine Ahnung, wieso, aber ich hoffte, dass es bleiben würde. Ich mochte den Hut.

Ich wandte meinen Blick von dem Bild ab & erinnerte mich an den Fall zurück. Sherlock hatte kaum 10 Minuten gebraucht, um uns zu sagen, wer den Mord begangen hatte & was genau passiert war. Er hatte nicht einmal versucht, zu verstecken, für wie dumm er den ermittelnden Kommissar hielt. Ich musste bei dem Gedanken daran lächeln. Der Gesichtsausdruck des Polizisten war unbezahlbar gewesen. Dieser hatte seit über 2 Wochen an dem Fall gearbeitet, nur um sich dann von einem dahergelaufenen Superschnüffler erzählen lassen zu müssen, dass er zu sehr von dem Gedanken an seine Frau abgelenkt sei, die ihn (scheinbar „offensichtlich") ohnehin spätestens nächsten Monat verlassen würde, um all die Hinweise zu sehen, die den Fall angeblich so simpel machten.

Manchmal verstand ich selbst nicht, wie ich es mit Sherlock aushielt. Klar, mir gegenüber verhielt er sich inzwischen anders. Wo er mir vor einigen Jahren noch großspurig an den Kopf geworfen hätte, wie dämlich ich sei, im Vergleich zu ihm, gab er sich jetzt Mühe, sich zurückzuhalten. Er war zwar immer noch das größte Arschloch, das ich jemals getroffen hatte, aber etwas an ihm brachte mich dazu, meine Wut jedes Mal aufs Neue herunterzuschlucken & es einfach hinzunehmen. Vielleicht war es der Ausdruck in seinen Augen. Dieser verwirrte Blick, wenn er sah, dass ich wieder mal nicht allzu glücklich über das war, was er gesagt hatte. Eben dieser Blick erinnerte mich immer wieder daran, dass er mich nicht absichtlich verletzte. Also verletzte es mich auch nicht. Ich wusste nicht, ob das Sinn machte, aber es war mir auch egal. Für mich funktionierte es jedenfalls. Sherlock tickte halt anders als Andere.

Ich musste mal wieder daran denken, was Mycroft zu mir gesagt hatte, als ich ihn damals zum ersten Mal getroffen hatte. Wie er meinte, dass ich den Krieg vermissen würde. Das war natürlich Schwachsinn. Jedenfalls im wortwörtlichen Sinne. Aber trotzdem schien er irgendwo Recht zu haben. Die Zeiten, in denen ich mit Sherlock unterwegs war, um Fälle zu lösen, waren die, in denen ich mich am Lebendigsten fühlte. Ein Gefühl der Verzweiflung kam in mir auf, als ich mich daran erinnerte, dass ich all das vielleicht eben in diesem Moment verlor. Was würde ich tun, wenn in ein paar Stunden eine der Krankenschwestern zu mir kommen würde, um mir mitzuteilen, dass sie Sherlock nicht hatten retten können? Ich musste unweigerlich daran denken, wie es mir gegangen war, als ich Sherlock das letzte Mal verloren hatte. Die Verzweiflung verwandelte sich in Panik, ich hatte plötzlich das Gefühl, nicht mehr richtig atmen zu können. Hastig legte ich die Zeitung weg & stand auf. Ich achtete nicht auf die Blicke der anderen Wartenden, wen interessierten Die schon? Hielten mich vermutlich eh schon für verrückt, nach der Aktion mit dem Getränkeautomaten vorhin. Ich überlegte, was ich machen könnte, um mich abzulenken. Das Krankenhaus zu verlassen kam nicht in Frage. Auch, wenn ich wusste, dass es noch Stunden dauern konnte, bis ich etwas über Sherlocks Zustand erfahren würde, wollte ich mich nicht zu weit entfernen. Egal, wie klein das Risiko war, die Krankenschwester zu verpassen - es war zu groß & ich würde es nicht eingehen.

Nach einigen Sekunden der Überlegung, in denen ich einfach nur rumstand, entschied ich mich, zur Toilette zu gehen. Ich musste nicht aufs Klo, aber so würde ich mir wenigstens ein bisschen die Beine vertreten & konnte ein paar Schlucke Wasser aus dem Wasserhahn trinken. Ich hasste es, aus Wasserhähnen zu trinken, vor allem, wenn es nicht mein eigener war & in Krankenhäusern hatte ich sowieso immer das Gefühl, dass alles unhygienisch wäre. Aber ich tat es trotzdem, da ich durch das Gerenne & die ganze Aufregung wirklich durstig war.

Ein Blick in den Spiegel verriet mir, wie mitgenommen ich eigentlich aussah. Meine Augen sahen müde & gläsern aus, unter ihnen zeichneten sich tiefe Ringe ab. Außerdem war meine Frisur ein einziges Durcheinander. Ich spritzte mir zwei handvoll kaltes Wasser ins Gesicht & kämmte mit den Fingern durch meine Haare, bis alles nicht mehr ganz so schrecklich aussah. Es war mehr ein Reflex, als dass es mich gerade wirklich interessierte, wie ich aussah.

Als ich mich auf den Weg zurück zum Wartebereich machte, gab ich mein Bestes, nicht zu rennen. „Beruhige dich, John. Du hast mehr als genug Zeit. Viel zu viel Zeit. Stunden.", sagte ich mir. Ich war trotzdem außer Atem, als ich zurück an meinem alten Platz war.

Ich hatte mich gerade hingesetzt, als mir plötzlich einfiel, dass ich Mary komplett vergessen hatte. Sie wartete bestimmt schon seit Ewigkeiten auf die versprochene SMS. Eilig durchwühlte ich meine Hosen- & Jackentaschen nach meinem Handy, bevor mir wieder einfiel, dass ich es ja zuhause gelassen hatte.

„Verdammt", flüsterte ich & sah mich um, auf der Suche nach einem Telefon. Nichts zu sehen. Ich spielte kurz mit dem Gedanken, einen der anderen Wartenden zu fragen, ob sie mir ihr Handy leihen würden, doch entschied mich dann, erst zur Information zu gehen. Ich stand also wieder auf & lief um die Ecke zu der Frau, mit der ich vorhin schon gesprochen hatte.

„Entschuldigen Sie" - sie blickte auf - „ich, ehm, ich hab mein Handy nicht dabei, aber müsste dringend Jemanden anrufen. Gibt es hier vielleicht irgendwo ein Münztelefon?"

Sie lächelte mich an, immer noch mitleidig. Großartig.

„Ja, wenn Sie den Gang runtergehen & dann nach links."

„Danke", erwiderte ich, wandte mich ab & lief in die Richtung, die sie mir gezeigt hatte. Nach ein paar Schritten drehte ich mich um & ging nochmal zu ihr zurück. Ich räusperte mich. "Für den Fall, dass es etwas Neues gibt, könnten sie -"

"Keine Sorge, ich weiß ja, wo ich sie finde.", schon wieder dieses Lächeln. Aber ich fühlte mich besser mit der Gewissheit, dass ich nichts verpassen würde.

"Gut. Danke."

Es waren drei Münztelefone, voneinander abgetrennt durch dünne Glaswände. Sie waren alle frei.

Ich entschied mich für das linke, kramte ein paar Münzen aus meinem Portemonnaie & warf sie ein. Zum Glück war ich gut darin, mir Nummern zu merken. Ich wählte & es tutete genau ein mal bevor eine aufgelöste Mary abhob.

„Mary Morstan am Apparat, wer ist da?"

„Ich bin's", antwortete ich.

„JOHN! Endlich! Wo seid ihr, wie geht es Sherlock?"

Ich sagte ihr, in welches Krankenhaus wir gefahren waren & erzählte, dass Sherlock im OP war. Sie frage mich, wie es mir ging & ob sie vorbeikommen sollte. Ich sagte, dass das nicht nötig sei & ich mich melden würde, wenn ich mehr wüsste. Sie entschied, trotzdem zu kommen. Ich widersprach nicht, weil sie nicht auf mich hören würde & weil ich keine Lust hatte, zu diskutieren.

Wir legten auf & ich lief zurück zum Wartebereich.

Wieso genau ich ihr nichts von Sherlocks mysteriösen „Mary" erzählt hatte, wusste ich auch nicht so genau.


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AN: Ich versuche gar nicht erst,irgendwen davon zu überzeugen,dass ich in Zukunft häufiger updaten werde. & ja,ich weiß,in dem Kapitel passiert auch nicht so sonderlich viel. Vielleicht gefällt es ja trotzdem.

The Final Problem lief vor 2 Tagen. Ich bin immer noch verwirrt.


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