Kapitel 4

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Ich weiß nicht wie lange wir so da standen. Doch langsam spürte ich, dass Logan nicht mehr so doll zitterte und die verkrampfte Hand, die er in meine Taille gekrallt hatte, sich entspannt hat.

Was mache ich hier überhaupt ?! Du kennst diesen Typen kaum und das, was du über ihn weißt ist nicht gerade positiv!

Langsam nehme ich meine Arme von seinen Schultern. Er versteht, lässt meine Taille los und hebt den Kopf. Ich löse mich vollständig von ihm und weiche ein wenig zurück.
Und jetzt?

Ich hebe den Blick und gucke ihm in die Augen. Er hat mich bereits angeschaut. Ich kann nichts in seinen Augen lesen. Sie sind einfach nur schwarz und sehen mich unverwandt an. Langsam werden meine Hände feucht und ich nervös. Ist er jetzt sauer ? Ich weiß nicht ob ich was sagen sollte oder lieber nicht und so
herrscht eine bedrückende Stille.

Logan kratzt sich am Hinterkopf.  "Also...", fängt er an und man sieht ihm an dass er nicht genau weiß was er sagen soll. Also lächle ich nur matt und mach eine Handbewegung zur Tür hin, um ihm zu zeigen, dass sein Onkel ihn doch abholen wollte und er gehen sollte.
Er nickt mir zu, dreht sich um und geht.

Auch ich gehe wieder zu meinem Klassenraum und setzte mich hin. Zu meinem Glück fragt Mrs. Bennett mich nicht, warum ich so lange weg war. Nun kann ich mich überhaupt nicht mehr konzentrieren. Meine Gedanken schweifen die ganze Zeit zu Logan und meinem Vater.

Was ist wenn seine Eltern sterben sollten ?!
War das eben im Flur der selbe Logan, wie der den ich heute morgen gesehen habe?
Und am verwirrensden fand ich :
Wieso habe ich ihn umarmt? Seit Monaten lasse ich nicht zu dass die Leute mir zu nahe kommen.

Am Ende der Stunde beschließe  ich , dass es eh nichts bringen würde noch länger hier zu bleiben, da ich mich sowieso nicht mehr konzentrieren könnte. Also gehe ich über den Parkplatz zu meinem Auto, steig ein und fahr los. Ich schlage schon meinen gewohnten Weg zu meinem Lieblingsort ein, bis mir einfällt, dass ich für John ja noch den Whisky ersetzen musste. Also fahre ich in die Innenstadt, parke an der Straßenseite und gehe zum Feinkostgeschäft. Der Whisky war nicht gerade billig mit 270 Dollar doch da ich mein Geld nur selten ausgab um für meine eigene Wohnung nach dem Abschluss zu sparen hatte ich mehr als genug.
Ich bezahle und gehe wieder zurück zu meinem Auto.

Ich fahre an den Rand des Waldes, wo man mein Auto nie entdecken würde , wenn man auf der Straße fährt und steige aus. Dann gehe ich los. Ich hätte meine Augen schließen können und hätte trotzdem noch den Weg gefunden. Jeder einzelne Baum schien mir total vertraut und so schreite ich über Äste und Steine hinweg, bis ich ankam. An meinem Ort. Meinem Platz. Nur für mich allein.

Ich lasse mich auf meinem Lieblingsfels nieder und betrachte ruhig meine Umgebung. Mitten im Wald ist eine Art kleiner Fluss der vom See aus kommt und über viele große Steine fließt. Rundherum gibt es mehrere große Felsen. Der See ist auch sehr schön, aber ich mag es hier lieber, weil das leise Rauschen des Wassers eine beruhigende Wirkung hat. Es übertönt meine lauten Gedanken und entspannt mich.

Bisher hab ich noch nie jemanden hier getroffen. Ich glaube, es weiß fast niemand von diesem Ort, da man sehr weit in den Wald hineingehen muss.
Eine weile sitze ich einfach nur so da und starre ins leere. Heute reicht das fließende Wasser nicht um meine Gedanken auszublenden, also hole ich meine Kopfhörer und mein Handy aus meiner Jackentasche. Da ich mich nicht auf meinen verwundeten Rücken legen kann, drehe ich mich auf den Bauch, steckt mir die Kopfhörer ins Ohr, mache mir Musik an und lege dann meinen Kopf auf die verschränkten Arme. Ich schließe die Augen und höre auf den Text des Liedes. Ich habe voll aufgedreht, sodass meine Ohren beinahe schmerzen, doch es stört mich nicht. Ich will gerade einfach nur über nichts nachdenken. Nicht über Logan, nicht über meinen Vater, meine Mutter, John oder sonst irgendwas.
Einfach abschalten.

Ich muss wohl eingenickt sein, denn als ich meine Augen wieder öffne, dämmert es schon. Ich schaue auf die Uhr. 17:37. Noch genug Zeit um nach Hause zu fahren, mich umzuziehen und zur Arbeit zu fahren. Erleichtert stehe ich auf und laufe wieder zurück zu meinem Auto.

Die Kopfhörer lasse ich die ganze Zeit drin und nehme sie erst raus als ich vor unserem Haus stehe. Sobald die laute Musik nicht mehr meinen Kopf zudröhnt muss ich wieder an Logan denken. Sein Gesichtsausdruck geht mir einfach nicht mehr aus dem Kopf. Denn genau den gleichen Ausdruck kenne ich von mir und Mom, als wir erfuhren, dass Dad nicht überlebt hatte. Er hat mich zurückversetzt und alles wieder hervorgerufen.

Ich beiße mir einmal auf die Faust um nicht laut loszuschreien und steig dann aus. Mit dem Whisky in der Hand betrete ich die Eingangshalle und schleiche in das Wohnzimmer, in der Hoffnung unbemerkt den neuen Whisky wegzustellen und dann in mein Zimmer zu flüchten. Zu früh gehofft. John kommt mit lauten Schritten ins Wohnzimmer und reißt mir die Flasche aus der Hand. "Wo warst du so lange ?!"  Ich antworte nicht, da ich weiß, dass ihn das sowieso nicht wirklich interresiert. Er schaut sich die Flasche an, bevor er sie abstellt und mich so heftig nach hinten schubst, dass ich umknicke und gegen den Schrank knalle. "Kannst du überhaupt irgendetwas richtig machen? Ich habe gesagt dass ich den Whisky ersetzt haben will und zwar genau den gleichen! Nicht irgendeinen x beliebigen!!!" Seine Tirade geht noch weiter doch ich nehme sie schon gar nicht mehr war. Mein Kopf tut schrecklich weh, da ich mit ihm gegen die Kante des Schranks gestoßen bin und mir ist schwindelig. Langsam versuche ich aufzustehen, falle jedoch sofort wieder auf den Boden, da John mir eine Ohrfeige verpasst. Dieses Mal zumindest die andere Gesichtshälfte. Bei dem Gedanken musste ich fast spöttisch den Mund verziehen. Mit leicht verschwommener Sicht sehe ich wie John zu seinem Büro geht und die Tür zu knallt.
Ein zweites mal versuche ich aufzustehen und zische, als ich meinen rechten Fuß belaste. Der Schmerz war mit vertraut.
Eine Verstauchung war das letzte was ich jetzt gebraucht hätte.
Humpelnd trage ich mich die Treppe rauf, zu meinem Zimmer. Ich lasse mich auf das Bett fallen und schließe die Augen. Langsam lässt das Schwindelgefühl nach, verschwindet aber nicht ganz. Egal, ich habe keine Zeit mehr. Seufzend stehe ich auf, humpel ins Badezimmer und hole den Erste-Hilfe-Kasten, mit dem ich mich auf das Bett fallen lasse. Da ich in dem Bereich nicht unerfahren bin, weiß ich genau wie ich den Verband um den Fuß wickeln muss um das Gelenk ein wenig zu stützen. Es hilft nicht sehr viel doch mehr kann ich zurzeit nicht machen. Ich muss los. Ich gehe zum Schrank, ziehe mir eine saubere Hose an, da die andere von meinem kleinen Ausflug in den Wald dreckig geworden ist und binde meine Haare zusammen. Dann ziehe ich mir Schuhe an, nehme meine Tasche und lauf runter. Als ich in meinem Wagen sitze schmerzt mein Fuß höllisch, weil ich aber nicht zu spät kommen darf, knirsche ich nur mit den Zähnen und gebe Gas.

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Leider passiert in dem Kapitel nicht viel spannendes, sondern ihr lernt nur ein wenig Mel's Alltag kennen.
Ich hoffe euch gefällt es trotzdem❤

Was glaubt ihr was Logan für ein Typ ist ?

Nina ❤





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