Fasern

14 3 1
                                    


Der dunkle Fleck allein zeugte nicht vom Ursprung der Scherbe, die sich in den grauen Teppichboden geschoben hatte und die Fasern zerriss: eine tiefe, stechend nach Whiskey miefende Wunde. Der junge Dackel winselte, obwohl sie ihm Schlaftabletten gegeben hatte. Schon beim Anblick des Küchenmessers heulte er wie ein zur Schlachtung bestimmtes Ferkel. Sie fummelte zitternd eine Schachtel aus der Lade, drückte drei Pillen aus der Verpackung. Das Plastik knisterte unter dem Druck der verkrampften Finger. Eine feuchte Ratte ritzte sich an der Scherbe die Haut auf, ließ sich von der Verletzung nicht beirren und hielt stur auf den Speck in der Falle zu. Die dunkle Lacke am Boden dampfte um den drohenden Splitter, sickerte wie saure Milch in die klaffende Spalte. Das Surren der Fliege erstarb, weil sich das Insekt in einem Spinnennetz verhedderte. Die Verfangene strampelte noch. Der Dackel winselte leiser. Sie legte ihn auf den Tisch, wo er die Beinchen streckte und ruhig vor sich hin röchelte. Die Ratte erreichte den Speck. Sie schnüffelte an dem spitzen Metall der Falle, das darauf wartete, schlagartig seine Spannung zu lösen. Der Hund rührte sich kaum mehr, eine haarige Knackwurst. Sie setzte die Spitze des Messers an seinen Bauch. Die Fliege erhöhte ihre Anstrengungen, als die Spinne sich näherte, aber je mehr sie sich wehrte, desto gründlicher verstrickte sie sich in den feinen Fäden des bleiernen Netzes. Die Scherbe bohrte sich tief in ihre Fußsohle, der dunkle Fleck verdunkelte sich und der Schnitt füllte sich mit Saft. Die Ratte zog an dem Speck, aber er löste sich nicht aus seinem rostigen Gestell. Sie legte das Messer neben den Hund und hob den Fuß, in dem das Whiskeyglasstück brannte. Die Scherbe hatte den Teppichboden beim Rausziehen aufgerissen und einen dunklen Riss mit ausgefransten Konturen hinterlassen, aus dem helle Dämmmasse quoll. Die Fliege strampelte noch einmal, ein Schrei unter Wasser, und ergab sich der winzigen schwarzen Spinne, die sie Schicht um Schicht einsponn. Sie humpelte zum Verbandskasten und riss sich die blutige Scherbe aus dem Fleisch. Der Dackel schlief und schnarchte friedlich auf dem Schreibtisch, als fehlte und drohte ihm nichts. Der Verband färbte sich rot. Sie griff erneut nach dem Küchenmesser und schlitzte den dabei zum Leben erwachenden Hund in einer geraden roten Linie vom Geschlecht zum Unterbauch auf. Das Metall der Falle grub sich schnappend in das Fleisch und Genick der Ratte. Aus dem Maul des leblosen Tieres rollte der glasige Speck und über der Stelle, wo der Bügel das Fell durchschlagen hatte, wirbelten haselbraune Fasern durch die stickige Luft.

Gefieder · KurzgeschichtenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt