Das Date

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„Erzähl schon", sagte Kerstin und knuffte Anna so fest in die Rippen, dass ihr fast die Kamera aus der Hand gefallen wäre.
„The Fuck", sagte Anna. Sie hielt der Freundin das Bild vor die Nase, das sie gemacht hatte.
„Geiler Kran", sagte Kerstin. „Und jetzt erzähl."
Anna steckte die Kamera ein und zog eine Packung Parisienne aus ihrer Lederhandtasche. „Kann man hier rauchen?"
„Du bist so geil", sagte Kerstin.
Anna lachte. „Was weiß ich. Wir sitzen doch quasi im Freien."
„Rauch halt", sagte Kerstin, „und gib mir auch eine."
Anna steckte ihrer Freundin eine Zigarette in den Mund und gab ihr Feuer. Dann zündete sie sich eine eigene an.
„Also?", fragte Kerstin.
„Ok. Das war so ein Hipster-Schuppen", sagte Anna. „Eigentlich eine alte Taverne, mit Fischen an der Wand und Knoten und so. Aber alles extrem sauber und liebvoll gemacht und geile Musik: Waldeck, Parov Stelar und so shit."
„Interessiert mich Steine", sagte Kerstin. „Wie ist es gelaufen, Alte?"
„Geschmeidig. Sie hat ein fucking Gilet angehabt, Anzug, Krawatte. Ich hab' ehrlich gesagt nicht gewusst, dass das so ein Laden ist. Aber manche dort waren auch normal angezogen. Eh leiwand, auf scheissdrauf halt."
Kerstin lachte. „Du im Schlabberpulli und sie geschniegelt im Gilet. Geil."
„Wie lang fahren wir noch?", fragte Anna.
„Lenk nicht ab, Mädel", sagte Kerstin.
„Mein Akku ist fast leer. Was ist das eigentlich für ein Shit, wo wir hinfahren?"
Die Frau vom Bordpersonal hielt den Freundinnen einen Aschenbecher hin. „Sie können hier nicht rauchen."
Die beiden kicherten und dämpften die Zigaretten auf dem Anker aus, der auf den Boden gedruckt war.
„Sorry, wussten wir nicht", sagte Kerstin.
Die Frau spitzte die Lippen und nickte spöttisch. Dann kippte sie die Stummel in einen Plastikbehälter und ging weiter.
„Wir sind dann noch zu ihr", sagte Anna und kicherte.
„Du alte ...", sagte Kerstin und stieß ihr wieder den Ellenbogen in die Rippen.
„Das tut weh, oida." Anna knuffte zurück.
Kerstin umarmte Anna, dann richtete sie ihr die Haare. „Wir kommen gleich an."
„Hab ich was in den Haaren?", fragte Anna.
„Willst du sie wiedersehen?", fragte Kerstin.
Anna blickte auf den Boden und zog die Ärmel von ihrem schwarz-weiß gestreiften Oberteil über die Handgelenke. „Schon."
„Ha, du bist sowas von verliebt", sagte Kerstin, knuddelte die Freundin und lachte.
„Du kannst dich vielleicht freuen. Aber die kann jede haben. Die ruft mich nicht an."
„Wird sie schon. Wäre ziemlich bescheuert von ihr, sich nicht zu melden."
„Da waren schon eine paar vor ihr so bescheuert."
„Hab ein bisschen Vertrauen Mädel. Das wird schon." Kerstin strich Anna übers Haar und richtete es wieder.
„Was hast du mit meinem Haar? Sieht es scheiße aus?"
„Nein, du siehst super aus." Kerstin sah sich nervös um. „Gleich sind wir da."
„Das ist so eine Insel oder? Mit Wiese und fucking Natur und so?"
„Das ist die geilste Insel ever. Ich war da schon, da gibt es Bäume, die hast du noch nie gesehen. Im Frühling fliegen diese Samenknäuel, du weißt schon, durch die Luft. Es sieht aus wie Schnee. Das ist epic."
„Lol, fucking Samenknäuel", sagte Anna.
„Ich freu' mich so", sagte Kerstin und kitzelte Anna.
„Was ist mit dir, oida?", sagte Anna.
Kerstin zeigte an Land und Anna sah zu der Stelle, auf die sie gezeigt hatte. Dort lehnte, im hellen Sportjackett lässig an einem roten Peugeot, Melanie. Hinter ihr wirbelte der Wind die Pappelsamen durch die Luft; sie fingen sich in Melanies Haar und legten sich auf das Wagendach und die Motorhaube; eine niemals schmelzende Decke weichen Schnees.
„Epic", sagte Anna zu Kerstin und wischte ihr den zerronnenen Kajal aus den Augenwinkeln.

Gefieder · KurzgeschichtenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt