5. Kapitel

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Adeline

Routinemäßig zerrten meine Zofen an mir herum, zogen hier und dort Stoff zurecht. Ich trug ein blaues Kleid, vornehmen, edel, und natürlich für den Tanz geeignet. Die Ärmel gingen mir bis zum Ellbogen und waren an den Enden verziert. Das Kleid selbst war sehr royal gehalten und zeigte nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig von meiner Oberweite. Meine Schuhe wurden farblich mit dem Kleid abgestimmt und waren immer noch passend, um zu tanzen. Am liebsten hätte ich mir Schuhe gewünscht, in denen ich gar nicht hätte laufen könnten, um wenigstens nicht mit einem Prinzen tanzen zu müssen.

Ann, meine Hofdame, saß auf einer Chaiselongue und verschlang eifrig ein Buch in sich. Sie hatte rotbraunes Haar und sah einfach nur umwerfend aus. Ich hingegen fand, dass mein Gesicht fein und süß wirkte, als könnte ich gegen niemanden Widerstand leisten.

Eine Zofe zog zu fest an meinen Haaren und entschuldigte sich wehmütig. Ich winkte mit einem Lächeln ab und sagte ihr, es sei nicht so schlimm. Sie solle sich nur um meine Frisur kümmern, dass ja alles perfekt sitze und niemand von mir einen falschen Eindruck bekäme. Sie verstand meine Anspielung und widmete sich dann mit einem Grinsen wieder meiner aufwendigen Hochsteckfrisur.

Ich neigte den Kopf ein Stück zu Ann. »Du weißt aber, dass, wenn die Königsfamilie Andine eintrifft, du nicht die ganze Zeit lesen kannst. Und irgendwann kriegst du davon noch eine Nackenstarre.«

Sie lachte auf und meinte: »Stimmt gar nicht.« Sie schlug das Buch zu, konnte sich ein verräterisches Grinsen aber nicht verkneifen.

»Ach«, machte ich und sah an die Decke, weil die Zofe etwas richten musste, »ich würde auch gerne stundenlang lesen, ohne von jedem irgendwie schief angesehen werden. Du weißt ja, Prinzessinnenkram.« Ann lachte auf. »Und übrigens: Wenn ich dich nachher mit einem Buch sehe, suche ich dir einen Tanzpartner. Das verspreche ich dir.« Ich zeigte mit dem Finger auf meine einzige Freundin.

Sie kicherte und nahm sich dann sofort ihr Buch wieder vor.

Meine oberste Zofe trat mit einem Lächeln zu mir, das ich erwiderte. Sie hatte sich schon um mich gesorgt, als ich noch nicht einmal gehen konnte, und ich war überglücklich sie zu haben. Sie war eine weitere Stütze in meinem Leben. »Hoheit, wir sind fertig«, sagte sie bedacht und legte die eine Hand in die andere und musterte mein Spiegelbild. Daraufhin traten die restlichen Zofen zurück und warten.

Ich lächelte, auch wenn es kein echtes, aufrichtiges Lächeln war, und bedankte mich bei allen, die daraufhin mit einem Lächeln und einem Knicks aus meinem Gemach traten.

»Willst du ihnen nicht mal abgewöhnen, immer einen tiefen Knicks zu vollführen?«, fragte Ann, obwohl sie weiterlas.

Ich lachte und ging zum Tisch, um mir ein wenig Wein einzuschenken. Das Getränk schmeckte herrlich und vertraut und ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen, als ich mich am Ende der Chaiselongue fallen ließ. »Das habe ich versucht, aber immer wenn ich sie darauf hinweise, machen sie nur noch einen tieferen Knicks. Vielleicht sollte ich ihnen das mit strenger Stimme befehlen. Kann ja eventuell klappen, oder?«

Ann nickte und riss mir das Glas aus der Hand, bevor sie ein Schluck trank und mir das fast leere Glas wieder reichte. »Bestimmt«, sagte sie mit einem Grinsen und schlug das zugeklappte Buch wieder auf.

»Danke«, meinte ich sarkastisch und trank den letzten Schluck aus. Ich stellte das Glas auf den Beistelltisch und sah seufzend an die Decke. Gleich müsste ich in den Großen Saal hinuntergehen und den Rest des Nachmittags sowie des frühen Abends mit der königlichen Familie Andine und dessen Prinzen verbringen. Ich hatte wirklich keine Lust. Ich wollte mir das nicht antun, aber drum herum kam ich leider nicht.

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