7. Kapitel

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Adeline

Verträumt saß ich auf der Bettkante und starrte aus dem Fenster. Ich hatte weder die Kraft, mich zu freuen noch zu weinen. Es war vollkommene Leere in mir. Es fühlte sich falsch, aber in gewisser Weise auch richtig an. Ich wollte Ethans Nähe spüren, ihn bei mir haben, seine Frau sein, so wie ich es mir erträumt hatte, aber die andere Seite meiner selbst, die, die logisch dachte, war dagegen. Sie sagte, er sei ein Tier, ein Monster, das man weder bändigen noch lieben könne. Aber genau das tat ich. Ich liebte ihn. Für das, was er getan hatte, obwohl er gewusst hatte, dass ich das nicht mit bester Freude aufnehmen würde. Aber ich habe es angenommen, weil ich ihn wollte, ihn liebte.

Ich stützte die Ellenbogen auf die Knie und vergrub meine Hände in den Haaren. Es war ganz gelockt und verdreht von der Hochsteckfrisur, die ich heute getragen hatte. Nachdem wir angestoßen hatten − was ich nur mit gewisser Freude genießen konnte −, hatten wir es den ganzen Leuten verkündet und mein Vater hatte gleich einen ganzen Bericht geschrieben. Kurz bevor die Sonne hinter dem Horizont verschwunden war, hatte sich die Königsfamilie Andine verabschiedet. Ethan war zu mir gekommen und hatte mir eine Rose geschenkt. Echt übertrieben, wenn man bedachte, dass er mich gewissermaßen zu einer Heirat gezwungen hatte. Aber innerlich war ich dankbar dafür. Ich musste keinen Prinzen aus dem Süden heiraten und konnte mit Ethan zusammen sein − auch wenn ich wusste, dass er ein Wolf war.

Ich stieß Luft aus und erhob mich. Das Bett knarrte bekanntlich und ich sorgte mich jetzt schon, dass ich es total vermissen würde. Mein riesiges Bett, in dem ich schon mit jungen Jahren geschlafen, geweint und mich gefreut hatte. Der Boden war vertraut kalt unter meinen nackten Füßen. Ich schlich durch mein Zimmer, das Treppenhaus hinunter und ging den langen Flur entlang, der durch den Mond einen gewissen Schein hatte. Er war wie so oft leer und hatte etwas Mysteriöses an sich. Früher hatte ich mir immer vorgestellt, wie kleine Feen im Schein des Mondes tanzen und überall ihren Zauber verbreiten würden. Das war natürliches totales Hirngespinst, aber die Sache mit dem Werwolf war auch nicht gerade besser.

Irgendwie verspürte ich den Drang, zu rennen. Meine nackten Füße gaben ein Platsch, Platsch, Platsch von sich, als ich über den kalten Boden rannte. Erst vor den riesigen Toren, die in den königlichen Garten führten, machte ich Halt und bat die Wachen mich herauszulassen. Ich hatte es eigentlich nicht nötig mich zu rechtfertigen, aber dennoch tat ich es und sagte ihnen, dass ich nicht allzu weit weg gehen würde.

Ein kalter Windzug warf meine Haare nach hinten, als die weißen Türen aufgingen und ich nach draußen trat. Mein weißes Schlafgewand mit den Trompetenärmeln flatterte im Wind und in diesem Moment fühlte ich mich frei und sorglos. Ich ging über den Weg, der von Hecken und Blumenbeeten gesäumt war. Mein Blick richtete sich nach oben und ich erkannte die Mondsichel. Ein zufriedenes Lächeln erfüllte mein Gesicht und ich fühlte mich unbedacht, wenn die Natur um mich war.

Auch die Wachen am Seitentor ließen mich gewähren und so konnte ich den angrenzenden Wald sorglos betreten. Unter meinen Füßen fühlte sich das Moos zart und weich an und ich hatte das Gefühl auf Federn zu laufen. Ich strich über die Stämme der etlichen Bäume und wich spielerisch Stöckern auf dem Boden aus. Das Lächeln bekam ich nicht mehr aus dem Gesicht, als ich mich um meine eigene Achse drehte und in den Himmel spähte. Wie so oft blitzten Sterne am Firmament auf und zeigten ihre Pracht. Und wie so oft hatte ich mehr Glück, wenn ich neben die Sterne sah, um so alle besser und heller zu sehen.

Ich stieß Luft aus und nahm dafür einen kräftigen Atemzug. Luft rauschte durch meinen Körper, füllte meine Lungen und mein Wesen mit Leben und seit langer Zeit fühlte ich mich frei. So als hätte ich alle meine Probleme, das viele Wissen, hinter mir gelassen.

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